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Internationale Sammler-Zeitung
Nr. 10
die künstlerische Note. Das reizvolle Silberfiligran, das
Niello, das transluzide Email, der Zellenschmelz usw.
werden zur Dekoration dieser Umrahmungen herange
zogen. Eines der ältesten Objekte dieser Art, dessen
Elfenbeintafel allerdings noch erst primitiv anmutet, ist
das dem zehnten Jahrhundert angehörende Echternacher
Evangeliar im Museum zu Gotha.
Ungleich höher steht dagegen die Schnitzerei eines
Buchdeckels im Braunschweiger Museum, dessen herr
liche Metalleinfassung aber schon dem zwölften Jahr
hundert entstammt. Die Museen zu Berlin, München,
Darmstadt und andere bieten erlesene Stücke zum Ver
gleich des Fortschrittes auf diesem Gebiete. Merkwürdig
ist, wie die Künstler im Figürlichen immer wieder aus
der Antike schöpfen, dabei aber sich mühen, den Köpfen
lebendigen Ausdruck zu geben, im Ornamentalen aber
höchst ungeniert das nordische Bandornament mit an
deren Motiven vermengen. Ein Buchdeckel im Schatze
der Stiftskirche zu Essen ist hiefür ein glänzendes
Beispiel.
Das Streben nach lebensvollerem Ausdruck in der
figürlichen Plasik blieb nicht ohne Einfluß auf die
Miniaturmalerei. Wir sehen dies an einem Evangeliar
im Domschatze zu Aachen aus dem Ende des zehnten
Jahrhunderts in der Darstellung der Parabel vom reichen
Prasser. Die Gewandung der Figuren ist noch ganz in
der antiken Tradition gehalten, die architektonische Um
rahmung klingt aber merkwürdig an pompejatiische
Malereien an; im Ausdruck der Köpfe ringt der Künstler
jedoch schon sichtlich und erfolgreich nach seelischer
Belebung.
Auch im Egbert Kodex der Stadtbibliothek zu Trier
von dem Mönche K e w a 1 d und Heribert des Klosters
Reichenau am Bodensee tritt dieser Zug in der Ver
bildlichung der Evangeliumserzählung: „Der Mann mit
der verdorrten Hand“ ganz deutlich zu Tage. Geste und
physiognomischer Ausdruck der handelnden Personen
stehen hier schon in völligem Einklang. Geradezu
drastisch wirkt dabei der Gegensatz der Umrahmung
mit den grotesken nordischen Tierornamenten. Von
naivster Auffassung, doch großer Lebendigkeit ist ein
Bethlehemitischer Kindermord in einem Evangeliar der
Bibliothek zu Bremen und ganz eigenartig eine Kreu
zigungsszene aus dem Missale Kaiser Heinrichs II. in
der Münchener Staatsbibliothek. Von eben solch strenger
stilistischer Auffassung ist eine Miniature aus einem
Evangeliar vom Regensburger Niedermünster, nun gleich
falls in München.
Daß damals aber die Künstler der Klöster auch
schon dem Effekte gerecht zu werden suchten, beweist
die Gestalt des Evangelisten Markus in einem Bam-
bergerj. Evangeliar, dasfsich jetzt ebenfalls in München
befindet. In einem Psalter zu Stuttgart steht die Tech
nik zwar nicht mehr'auf der früheren Höhe, doch der
seelische Ausdruck hat sich vertieft, wie der „bereuende
David“ dort erweist. Dasselbe gilt auch von der Wysch-
herader Evangelienhandschrift in der Prager Universitäts
bibliothek, die, nebenbei gesagt, durchaus deutschen
Charakter aufweist.
cli Mit dem Auftreten der Gothik verliert das Gebet
buch im Einbande wohl gleich dem Buchschmuck an
ornamentalem Charakter. Wenn das Format der früheren
Gebetbücher, wie das Karls des Großen, des Kahlen etc.,
kaum größer als Oktav war, so sind die in jene älteste
Zeit gehörigen Psalterien, Breviere und Evangelarien
kaum von umfangreicheren Maßen, sie tragen aber alle
den Stempel des Monumentalen. Schon gegen Ende
der romanischen Periode machen wir die Wahrnehmung,
daß in der Miniature die eigentlich b i 1 d 1 i c h.'e Dar
stellung eines biblischen Stoffes seltener wird, dagegen
räumt man der Initiale einen breiteren Rahmen ein und
komponiert in diese eine Szene hinein. Häufig läuft
auch von dem reich verzierten Anfangsbuchstaben ein
den Schriftsatz umfassendes Rankenwerk aus. Die tech
nische Ausführung ist jetzt meist sehr diffizil. Das
Guache beginnt ebenso eine Rolle zu spielen wie das
kleinere Format und die Illustration weltlicher Dichtungen.
Eine der reichsten Schöpfungen des zwölften Jahr
hunderts ist das Äntiphonar des Stiftes St. Peter in
Salzburg, die einschlägigen Arbeiten der Klöster zu
Tegernsee, Ottobeuren und andere; das „Mata verborum“
im Prager böhmischen Museum aus St. Gallen aus der
Mitte des XIII. Jahrhunderts, das PsaPerium des Land
grafen Hermann, das^Gebetbuch der heiligen Elisabeth
in der Stiftskirche zu Cividale sind treffliche Schöpfungen
dieser Art.
Eine tüchtige llluminantenschule blühte unter Kaiser
Karl IV. in Prag, die sich besonders mit der Herstellung
von „Armenbibeln“, „Heilsspiegeln“ und dergleichen be
faßte. Prag und Wien besitzen davon prächtige Arbeiten.
Höchst einfach wurde nun der Bucheinband.
Zwar mußte er, wie alles, auch seinen Tribut an die
Architektur entrichten, aber, da sich Fialen, Kreuzblumen
und Krabben nicht in Samt oder Leder machen ließen,
mußte gepreßtes oder gesticktes Maßwerk ausreichen.
Der Holzschnitt wurde nun der erfolgreiche Konkurrent
der Miniaturmalerei, der sogen. Plattendruck eroberte
sich auf den Jahrmärkten die Gunst des Volkes, da gab
es biblische Erzählungen und Legenden mit kurzem
Text, Gebeten und schönen Bildern. Patrone und
Patroninnen, die himmlischen Medizinmänner und die
heilkundigen Frauen waren in Wort und Bild um we
nige Heller zu haben. St. Sebastian (später St. Rochus)
für die Pest, St. Blasius für Halskrankheiten, Erasmus
für Darmkrankheiten, St. Rasso für Blasenleiden und
Brüche, Margaretha für schwangere und gebärende
Frauen, St. Leonhard und Georg für Pferde und Reiter,
Wendelin für Rinder, Notburga und Isidor für Feiertage
liebende Dienstboten. Unzählig und nach Ländern und
Nationen verschieden waren die Helfer, die man mit
Gebet und frommem Spruch gegen die Uebel des Leibes
und der Seele anrief und allen diesen Traktätlein und
Flugblättern war neben dem Bilde des Heiligen auch
ein zuerst geschriebenes, später gedrucktes Gebet in
Prosa oder Vers beigefügt. Neben vielen dieser heil
wirkenden Patrone war auch eine rührende Wunder
legende zu lesen. Diese in ganze Birnbaum-Holzplatten
geschnittenen Erzeugnisse fanden auf Jahrmärkten,
Dulten, an Brücken oder in Durchhäusern, sowie auch
bei Hausierern reißenden Absatz und die „Briefmaler“
hatten vollauf zu tun, der Nachfrage zu genügen, denn
die Bilder auf diesen „Heilsbriefen“ waren alle mittels
Schablone oder auch mit freier Hand koloriert.
Als dann Gutenberg den Letterndruck erfand
und Fust oder Schöffer*-— 'die Sache ist heute
noch strittig — an Stelle der hölzernen Lettern die
metallenen setzte, war für das geschriebene Buch schein
bar das Ende gekommen. Wohl blühte* die* Buchmini-
atüre als Initiale und Wandmalerei noch weiter, doch
ihre frühere Bedeutung erreichte sie nicht wieder.
Gewiß ließ Kaiser Maximilian I., der letzte
Ritter, sich'von Künstlern wie Dürer, Aldegrever
u. s. w. noch Handzeichnungen für ein Gebetbuch an
fertigen, aber derartige Mäcene waren schon weiße
Raben geworden. Die Klöster bemächtigten sich nun
wieder der Gebetbuchmalerei, namentlich Nonnen
kolorierten Holzschnitte in oft mißverstandenem Eifer
und klebten den Heiligen Goldblättchen als Aureole um
die Köpfe.
Die Gothik verschwendete keine Edelsteine mehr
in früherer Menge auf den Buchdeckeln ; es genügte
derbes Leder für die Folianten, feines farbiges Maroquin-,
Safian- oder Schafleder für vornehme Arbeiten; hier
prächtige heiße Handpressung in Gold, zierlich durch-