Internationale
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Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde.
Herausgeber: Norbert Ehrlich.
15. Jahrgang. Wien, 15. Oktober 1923. Nr. 18(19.
‘Versteigerung einer ‘(Vaffenscimmfung aus fiirstlicßem ‘Besitz.
Die beginnende Herbstsaison wird in der Kunst
abteilung des Wiener Dorotheums die Versteigerung
einer Waffensammlung aus dem Besitze einer
fürstlichen Familie bringen.
Der ursprüngliche Besitzer und Schöpfer dieser
Sammlung war der in dem franzisceischen Oesterreich
und weit über dessen Grenzen hinaus bekannte Josef
Freiherr von Dietrich, der im Jahre 1824 von Kaiser
Franz in den erblichen Freiherrnstand erhobene Chef
des Speditonshauses Gebrüder Dietrich in Wien. Es
würde zu weit führen, der vielen Verdienste, die sich
die Familie Dietrich sowohl in handelspolitischer, als
besonders in militärischer Beziehung seit den Tagen
Maria Theresias erworben hatte, an dieser Stelle Er
wähnung zu tun. Nicht als Heerführer oder Soldaten
waren Mitglieder dieser Familie intensiv an der öster
reichischen Kriegführung beteiligt, sondern als Wagen
meister, welchen Titel der Vater Josef Dietrichs, Peter,
von Maria Theresiajfals derjenige Funktionär erhielt,
der für die Bespannung des gesamten Artilleriefahrparkes
schon in den Kriegen gegen Friedrich den Großen
aufzukommen hatte. Diese Funktion blieb dann in der
Familie und wir sehen in den Neunziger Jahren des
18. Jahrhundertsj den“;.älteren Sohn Peters, Konrad,
persönlich das schwere Belagerungszeug bis in die
vordersten Trancbeen der von den österreichischen
Armeen belagerten Festungen Valenciennes, Quesnay
und Freiburg führen. Aus dieser Zeit stammen Bezie
hungen, welche zu den beiden großen Organisatoren
der kaiserlichen Artillerie, Josef Hieronymus Grafen
Colloredo-Mansfeld u. Wallsee, k. k. Feld
marschall, und dem k. k. Feldzeugmeister Leopold
Freiherr von Unterberger führen und als deren
Dokumente die Sammlung zwei schöne Wachsbossier-
ungen und Reliquien der beiden Heerführer, endlich
eine stattliche Anzahl von Artilleriemodellen besitzt. Aus
der Zeit der Kriege gegen die französische Republik
stammen auch die zahlreichen Beutegewehre^der ver
schiedensten Truppengattungen der feindlichen und ver
bündeten Heere. Als dann der jüngere Bruder Konrads,
Josef, nach der Wiederkehr des Friedens Herrschaft
und'Schloß Feistritz erwarb, war es, dem allgemeinen
Zeitgeschmack Rechnung tragend, sein Bestreben, seine
Burg auch mit dem nötigen Material an Rüstzeug und
Gewaffen früherer Perioden auszustatten. Seinen weit
verzweigten Verbindungen gelang es, aus allen Teilen
des Reiches, besonders aber aus dem Zeughause
Nürnbergs große Mengen von Harnischen, Blank- und
Stangenwaffen, Helmen etc. zusammenzutragen.
Der ursprüngliche Bestand derDietrichschen Waffen
kammern war erheblich größer, als die jetzt zur Ver
steigerung gelangende Sammlung, da im Sommer 1889
das Germanische Museum in Nürnberg einen beträcht
lichen Teil um den damals immerhin respektablen
Betrag von 120.000 Gulden ankaufte. Unter diesen Er
werbungen befanden sich elf Turnierharnische, sechzehn
Kampfharnische, sechs Schilder, fünfundachtzig Schwerter
und Dolche, sechs Streithämmer, sechsundzwanzig
Stangenwaffen, vierundzwanzig Feuerwaffen und auch
verschiedene einzelne Waffenteile.
Der zur Versteigerung kommende Rest stammt zum
größten Teile ebenfalls aus dem Nürnberger Zeughause,
Hervorzuheben wäre eine Anzahl von Kettenpanzern
mit Aertneln mit dem Nürnberger Beschauzeichen mit
angenieteten Messingplättchen aus der zweiten Hälfte
des fünfzehnten Jahrhunderts. Sehr schön ist auch eine
Reihe knechtischer Halbharnische mit Tapullbrust, unter
ihnen ein geschwärzter, mit blank polierten Streifen von
besonders sorgfältiger Ausführung. Aus der Zeit des
30 jährigen Krieges finden sich ungefähr fünfzehn kom
plette schwere Reiterharnische, darunter einige von be
sonders sorgfältiger und reicher Ausstattung, wohl Offi
zieren gehörig, eine große Menge von Halbharnischen
mit kurzen Beintaschen und breitem, tief greifenden
Gesäßschurz, wie sie zu Beginn des siebzehnten Jahr
hunderts bis in dessen Mitte von Pikenieren und leichter
Reiterei getragen wurden. Die Helme umfassen fast
sämtliche bekannte Formen zwischen 1560 und 1700:
Sturmhauben, offen und geschlossen, Zischäggen,
Schützenhäubel etc. Die Stangenwaffen werden ver
treten durch eine große Anzahl von älteren und späteren
Hellebarden, mehrere schön geätzte Partisanen und Feld
webelhellebarden aus der zweiten Hälfte des sechzehnten
und dem Beginn des siebzehnten Jahrhunderts, Lunten-
speere, Wurfspieße, Trabantenhellebarden, Piken, Offi
ziers- und Unteroffizierskurzgewehre aus dem 17. und
18. Jahrhundert.
Erwähnung verdient "weiters eine kleine, aber gute
Anzahl orientalischer Waffen, welche zum größten Teil
der Türkenbeute des siebzehnten Jahrhunderts angehören,
darunter sieben Stück Bogen, Köcher, zahlreiche Pfeile,
schwere gezogene Schnapphahnmusketen, vor allem
eine türkische Fajine mit Inschriften und Emblemen in
Applikätionsstickerei. Eine reiche Anzahl von Lunten*