Nr. 20
Internationale Sammler-Zeitung
Seite 139
kirche, sondern im Königlichen Archiv zu Hannover
Unterkunft. Georg V., der letzte König von Hannover,
begründete fünf Jahre vor seiner Thronentsetzung in
Hannover ein Weifenmuseum, in das nunmehr der
Reliquienschatz überführt wurde. Später gelangte er nach
Wien, wo der entthronte König seinen Wohnsitz ge
nommen hatte. In Wien war er im Museum für Kunst
und Industrie ausgestellt; im lahre 1906 übernahm ihn
das Münzkabinett des Herzog von Cumberland und
der Weifenschatz gelangte nun in das Schloß zu Gmunden.
Der Reliquienschatz umfaßt 82 Gegenstände, und
zwar 11 Kreuze, 11 Tragaltäre, 14 Reliquienschreine,
4 Tafeln und Bucheinbände, 2 Büsten, 11 Arme von
Heiligen, 17 Monstranzen und noch verschiedene andere
kostbare Kultgegenstände. Eine Reihe der Stücke des
Schatzes bilden einzigartige Kunstwerke aus dem Mittel-
alter und sind demgemäß von unschätzbarem Werte.
Sin unbekanntes
Ein unbekanntes Werk von Goethe zeigt der
Verlag von W. J u n k, Berlin, im „Börsenblatt für den
deutschen Buchhandel“ an. Er schreibt dazu: Vor einem
Jahre noch hätte ich es nicht für möglich gehalten, daß
die geringste Kleinigkeit von Goethes Hand existieren
könne, die unpubliziert war. Aber im Sommer 1922
gelang Dr. J. Schuster eine aufsehenerregende Ent
deckung, die fast romanhaft anmutet.
In dem Turm der Weimarer Landesbibliothek (der
früher großherzoglichen) fand er eine Mappe mit Bil
dern, die Goethe selbst gemalt hatte und die bestimmt
gewesen waren, seine „Metamorphose“ zu illustrieren.
Sie waren als Geschenk für die Großherzogin Maria
P a w 1 o w n a bestimmt. Ermutigt durch diese Ent
deckung, durchsuchte Schuster die Schätze des Goethe-
Museums und des Goethe-Archivs in Weimar und fand
weitere Zeichnungen, koloriert und schwarz, von Goethes
Hand. Und jetzt erst ist es möglich, dieses neben der
„Farbenlehre“ wichtigste wissenschaftliche Werk des
Meisters zu verstehen.
Es ist geradezu rührend, wie Goethe in seinen
Briefen, in seinen Gesprächen mit Eckerma n n und
A. FÖRSTER
Antiquitäten
Ostasiatica
Objets d’art
WIEN L, Kohlmarkt 5.
SVerh von Goethe.
an anderen Orten immer und immer wieder sich dar
über beklagt, daß seine von ihm so geliebte „Metamor
phose“ unverstanden geblieben ist, nur weil kein Ver
leger seine Zeichnungen publizieren wollte. (Sowohl
Göschen wie Cotta hatte sie zurückgewiesen, ebenso
wie übrigens der erstere auch den Text der „Meta
morphose“, den schließlich Ettinger in Gotha unter ganz
eigentümlichen Verhältnissen 1789 übernahm.) Kein Ge
ringerer als der bekannte Erforscher der Geschichte der
Botanik, Professor Hansen, schreibt 1907 über die
„Metamorphose“: „Sie ist eine wissenschaftliche Leistung
ersten Ranges, die, ihrer Zeit vorauseilend, erst heute
itn Zusammenhang mit unserer Wissenschaft richtig ge
würdigt werden kann. Sie war die erste umfassende
Hypothese, die die Botanik zu einer planvollen Wissen
schaft gestaltete. Die mit Goethe beginnende Periode
verhält sich zur voraufgehenden etwa wie die Chemie
zur Alchimie".
Ich hoffe, daß das Verständnis dieser Arbeit durch
meine von dem Autor so heiß ersehnte Herausgabe des
Bildwerkes jetzt der Allgemeinheit in weit höherem
Maße erschlossen werden wird.
Verbrecher aus ‘Büchergier.
Unter diesem Titel schreibt Dr. Kurt Pinthus im
„Leipziger Tagblatt*: Es ist ebenso schauerlich wie
wahr: jeder Gegenstand, sobald er in der Welt existent
ist, wird Anreiz und Ursache zu Verbrechen. So sind
auch Bücher solange es überhaupt Bücher gibt, ge
stohlen worden. Jede Kunstliebhaberei kann in ihrer
Steigerung zum Verbrechen führen, aber weder die
Liebhaberei für Schmuck noch für Kleinkunstgegenstände,
noch für Bilder ist so oft zu dauerndem verbrecheri
schen Wahnsinn ausgeartet, wie die Bücherliebhaberei.
Je schwerer es tür den wenig Bemittelten ist, sich
Bücher zu verschaffen, um so wilder ward die Gier
nach dem Besitz dieser geliebten Scharteken.
Der verschmitzteste aller Bücherdiebe war Graf
L i b r i-C a r u c c i, der, als berühmter Bücherkenner
von Pisa nach Paris kommend, das Ehrenamt eines
Aufsehers über die Bestandsaufnahme der öffentlichen
Pariser Büchersammlungen erhielt, und diese Stellung
dazu benutzte, Unmassen von Büchern aus den von
ihm überwachten Bibliotheken zu stehlen. Diese Bücher
häufte er mit fanatischer Gier auf, verkaufte Sie, tauschte
sie gegen andere. Als ihm schließlich der Prozeß gemacht
werden sollte, flüchtete er nach England, von Wagen
ladungen kostbarer Bücher begleitet.
Der Prozentsatz der Bibliomanen unter den Geist
lichen ist besonders hoch. Auch die beiden scheuß
lichsten Verbrecher, die der Bücherwahnsinn erzeugt hat,
waren Geistliche. Ein ehemaliger Mönch verwaltete
um 1830 als Don Vincente in Barcelona einen kleinen
Laden mit Büchern, die er bei der Vertreibung der
Mönche aus den Klosterbibliotheken mitgenommen
hatte. Nur unter Qualen verkaufte er seine Lieblings-
bticher; als aber 1836 ein anderer Buchhändler, Patxot,
einen Wiegendruck des Lambert Palmart für 1334
Peseten ersteigerte, während Vicente nur 1320 Peseten,
sein gesamtes Vermögen, bietep konnte, brach dämo
nische Wut aus ihm.
Einige Tage später fand man den Buchhändler
Patxot erdolcht in seinem Laden, worauf in Barcelona
eine Mordepidemie auszubrechen schien; denn in ganz
kuizen Abständen wurden ein Landpfarrer, ein Alkalde,
ein deutscher Reisender, ein Friedensrichter, ein Beamter