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Nr. 23/24
Internationale Sammler-Zeitung
betrieben, wobei mancher Wink des Archäologen
Dr. Robert Schneider dem Studenten zu statten
kam. Die Wiener Galerien, die große Wiener Welt
ausstellung (1873) mit ihrer umfänglichen Kunstabteilung,
Oper und Konzerte, in denen er u. a. Brahms, Rubin
stein, St. Saöns, Sarasate, Wieniawski, Joachim, Bülow
und Liszt hörte, boten künstlerische Anregungen in
Hülle und Fülle, lieber Dekorationsmalerei unterrichtete
er sich beim Stadttheatermaler Jos. Heiß.
Eine ärztliche Praxis hat von Frimmel niemals
ausgeübt. Vielmehr blieb er bei den Kunststudien;
1876 setzten seine Auslandreisen zum Studium der
Museen ein. München, Dresden, Nürnberg, Berlin und
viele andere deutsche Städte machten den Anfang;
Reisen nach Frankreich, Holland, England, Dänemark
und Schweden schlossen sich an; Italien wurde natürlich
öfter besucht. Die österreichischen Provinzgalerien und
die Bruckentalsche zu Hermannstadt (Siebenbürgen)
wurden Gegenstand aufmerksamer Studien. Alles dies
kommt in den Arbeiten Frimmels über mehrere Gebiete
der bildenden Künste zum Ausdruck. Die Einsicht, daß
ein erfolgreiches Bebauen aller Gebiete der bildenden
Künste nur auf Kosten der Gründlichkeit möglich sei,
bewirkte, daß sich von Frimmel etwa um die Jahrhundert
wende von den geliebten Bauten und Skulpturen zurück
zog, um sich gänzlich der Gemäldekunde zu widmen.
Kurse wurden veranstaltet, erst im kleinsten Kreise,
dann öffentlich; anspornend wirkte dazu auch der Auf
trag, im „Athenäum“ die Vorträge über Wiener Galerien
zu übernehmen. Diese Vorträge waren stets gut besucht;
Frimmel sah den großen Hörsaal im Anatomischen In
stitut immer bis oben voll.
Aemter hat der Gelehrte in der Folge mehrere
bekleidet: zuerst das eines „Kustos-adjunktes“ an den
Kaiserlichen Kunstsammlungen, dann an der alten Am-
brasersammlung im unteren Belvedere, später am neuen
Hofmuseum; außerdem hat er sich als Sekretär um die
kais. Maria Theresia-Ausstellung im Oesterr. Museum für
Kunst und Industrie, die auf Anregung der Fürstin
Metternich vom gesamten Hochadel der damaligen österr.-
ungar. Monarchie veranstaltet worden war, noch verdient
gemacht. Daß er sich seit einem Vierteljahrhundert nicht
um eine Stellung beworben hat, lag an seiner schwan
kenden Gesundheit. Ein Aushalten in einem öffentlichen
Amte stellte sich als unmöglich heraus, weil er zur
Zeit der Getreideblüte unfehlbar jedes Jahr mehrere
Wochen an einem hochgradigen Heufieber erkrankte.
Man könnte bei einer Würdigung Frimmels im
Zweifel darüber sein, wer an erster Stelle zu betrachten
sei: der Kunstgelehrte oder der Beethovenforscher.
Wir werden uns aber doch am besten zuerst zu jenem
wenden; denn auch seine Beethovenarbeiten leiteten
sich, wie wir noch sehen werden, im wesentlichen aus
der Beschäftigung mit der Kunst und ihrer Wissenschaft
her. Frimmels hierher gehörige Arbeiten setzen mit
Studien aus dem Sondergebiete der christlichen Archä
ologie ein. Ihm gehörte ein großer Aufsatz über die
mittelalterlichen Kunstgegenstände der Ambraser Samm
lung an, der von Franz Xaver Kraus sehr beifällig auf
genommen wurde; ferner eine „Ikonographie des Todes“,
die zuerst 1879 ff. in den „Mitteilungen der Zentral
kommission für Erforschung und Erhaltung der Kunst-
und historischen Denkmale“ erschienen ist und von
der nur 50 Sonderabzüge vorliegen. Auch Frimmels
Erstlingsarbeit auf kunstgeschichtlichem Felde, die sich
„Zur Kritik von Dürers Apokalypse“ betitelt, gehört in
diese Gruppe. Sie ist 1884 erschienen und müßte heute,
nachdem fast 40 Jahre emsiger Dürerforschung ver
flossen sind, natürlich stark erweitert werden. Was auch
mit der Arbeit über „Die Apokalypse in den Bilder
handschriften des Mittelalters“ (1885) der Fall wäre.
Die reichen Kenntnisse und Erkenntnisse, die
Frimmel seinen vielen Reisen verdankte, machte er sich
besonders in seinen „Kleinen Galeriestudien“ zu nulze.
Beispielsweise wurde das erste Bändchen von deren
neuer Folge der bereits erwähnten überaus wertvollen
Bruckentalschen Galerie in Hermannstadt gewidmet, die
gänzlich in Vergessenheit geraten war und gewisser
maßen für die Kunstgeschichte erst wieder entdeckt
werden mußte. Dort fand Frimmel das kleine Bildnis
von Jan van Eyck, das seither in den Ausstellungen zu
Brügge und London allgemein anerkannt worden ist.
(Auch Weale’s große Monographie über die Van Eyks,
bespricht es als Jan van Eyk. Frimmel fand es in
Hermannstadt als falschen Dürer vor). Eine ganze Reihe
kleinerer Entdeckungen in der Bruckental’schen Galerie
reihte sich an, die a a. 0. ebenfalls eingehend besprochen
wurden. Die erste Reihe der „Kleinen Galeriestudien"
war bei Büchner in Bamberg 1889 ff. erschienen. Ihre
Herausgabe wurde durch den Zusammenbruch des
Verlages nach wenigen Jahren unterbrochen, dann von
einem Berliner Hause und endlich von Georg Müller
in München fortgesetzt. Dieser hatte übrigens auch
reges Interresse für Frimmels „Geschichte der Wiener
Gemäldesammlung (1901 ff.). Deren erster starker Band
war der Kais. Galerie gewidmet, ein weiterer den Alt
wiener Galerien bis zum 19. Jahrhundert, ein dritter
der Akademie der bildenden Künste. In diesem Bande
ist zum erstenmale das handschriftliche Inventar der
alten Lamberg’schen Galerie ausgenutzt, das Jahrzehnte
lang im Archiv der Akademie verlegt gewesen war.
Die Wiener Galerien sollten dann von Frimmel in
lexikalischer Form behandelt werden. Von diesem Nach
schlagewerke sind noch bei Georg Müller zwei starke
Bänd (A —M) erschienen; der Weltkrieg und das
traurige Ende des Herrn Georg Müller haben die Fort
setzung und den Abschluß dieses Werkes, das von den
Sammlern besonders hoch geschätzt wird, unmöglich
gemacht. Kleine Fortsetzungen erscheinen jetzt in
Frimmels „Flugblättern für Gemäldekunde“, dem Bei
blatte der „Internationalen Sammlerzeitung“.
Große und wohlverdiente Verbreitung wurde im
Laufe der Jahre dem Frimmel’schen „Handbuch der
Gemäldekunde" zuteil. Jahrzehnte lang betriebene mal
technische Studien hatten 1893 den Anlaß gegeben, im
Verlag von J. J. Weber in Leipzig das Wesentliche über
die Kunde von alten Bildern in einem Buche zusammen
zufassen. Auf rund 300 Oktavseiten findet man hier
eine erstaunliche Fülle von Kenntnissen — technische,
ästhetische, kunstgeschichtliche u. a. Erwägungen —
zusammengetragen. Bis 1920 sind drei Auflagen er
schienen und Frimmel hat für eine erweiterte vierte
vieles vorbereitet. 1897 folgte eine Arbeit „Zur Methodik
und Psychologie des Gemäldebestimmens“. Sie wurde
in Deutschland, Amerika und Frankreich freudig auf
genommen und hat bisher zwei Auflagen und eine
Uebersetzung ins Polnische erlebt. Deutsch und sogleich
auch — von fremder Hand — tschechisch, ist Frimmels
wissenschaftliches Verzeichnis der Galerie J. V. Noväk
erschienen (1899 als Privatdruck). Der Katalog Jahn liegt
nur in tschechischer Uebersetzung vor. 1894 verfaßte
der Gelehrte den Katalog der Gemälde in Schönborn-
Wiesentheid’schem Besitz, die sich in der Galerie zu
Pommersfelden in den Schlössern Gaibach und Wiesent-
heid (Bayern) befinden. Die Kriegsereignisse haben
bisher eine Neubearbeitung vereitelt. Die Kais. Galerie
in Wien, von Frimmel in dem Hefte „Von den Nieder
ländern in der Kais. Gemäldesammlung" besprochen,
verdankt dem Verfasser eine Menge neuer Mitteilungen
geschichtlicher Art und auch solche zu den Benennungen
der Bilder. Dasselbe gilt von den Wiener Galerien
Liechtenstein, Czernin, Schönborn, Harrach. Die Galerien
in Graz, Linz, Lemberg, Prag, Besangon und Venedig