MAK
Seite 6 
Internationale Sammler-Zeitung. 
Nr. 1 
Das chinesische STeeservice. 
Von Dr. Julius 
Dem Baron Beck-Fries, dem ehemaligen schwe 
dischen Gesandten in Wien, verdanke ich den Inhalt 
der köstlichen Geschichte, die ich hier erzählen will : 
In der zweiten Hälfte des XVI1. Jahrhunderts kam 
das chinesische und japanische Porzellan immer mehr 
in die Mode und Vasen, Schüsseln, Tassen aus dem 
fernen Osten wurden die beliebtesten Dekorationsstücke 
in Salon und Boudoir. Besonders geschätzt und auch 
besonders kostspielig aber waren jene absonderlichen 
Kunstgegenstände aus Porzellan, die in China für 
Europa speziell auf Bestellung verfertigt wurden und 
die meist mit den Porträts der Besteller geschmückt 
sind. Man mußte sein Bild nach China einem Meister 
der Porzellanmalerei senden und der brachte dann das 
Konterfei des Bestellers oder auch anderer Personen, 
deren Porträts ihm zugekommen waren, nach chinesischer 
Manier gemalt, mit dem diesem Volke eigenen Fleiß 
und Geschicklichkeit an schönen Tassen oder Vasen 
an. ln der Familie der Beck-Fries, einem uralten schwe 
dischen Adelsgeschlecht, lebte nun zu jener Zeit eine 
hochbetagte Dame, die von ihren Kindern und Kindes 
kindern sehr gefürchtet war wegen ihres wenig gut 
artigen Charakters und ihres unverträglichen Wesens, 
die aber doch mit größter Aufmerksamkeit und zartester 
Rücksicht behandelt wurde, denn sie war reich, sehr 
reich. Und daher wollte niemand es sich mit der Gräfin 
verderben, denn sie hatte ein Testament gemacht und 
jeder ihrer Verwandten hoffte in diesem interessanten 
Dokument seinen Namen zu finden. Und so schimpfte 
die Familie heimlich auf die alte Dame; aber öffentlich 
überschüttete sie sie mit allen möglichen Liebenswür 
digkeiten. Da ereignete es sich nun, daß das achtzigste 
Geburtsfest dieses Familienschrecks herannahte. Bera 
tungen wurden gepflogen, auf welche Art der Jubilarin 
die freudigste Ueberrascnung bereitet werden könnte 
und endlich entschloß man sich, in China ein Tee 
service anzuschaffen, auf dessen Tassen ein berühmter 
chinesischer Maler die Porträts der Familienmitglieder 
anbringen sollte — ein höchst teures und wertvolles 
Geschenk. 
Einer der Beck-Fries besaß einen Freund in China 
und diesem schrieb er einen langen Brief, in dem er 
däs Ersuchen vorbrachte, er (der Freund) möge die Be 
stellung bei einem ihm geeignet erscheinenden Maler 
machen. Dieses Schreiben war für die Jubilarin in wenig 
Szeps (Wien.) 
freundlichem Tone gehalten. Ausdrücke wse: Alte Hexe, 
Drache usw. kamen darin, vor und der Verfasser des 
Briefes legte sein lebhaftes Bedauern zutage, daß es 
nötig sei, mit Rücksicht auf die zu erwartende Erbschaft 
sich überhaupt noch mit dieser unangenehmen, ver 
haßten Person beschäftigen zu müssen. Das Schreiben 
und die Bilder der Familienmitglieder erreienten den 
Adressaten, dieser entledigte sich seines Auftrages, machte 
einen fleißigen, chinesischen Maler ausfindig,. übergab 
diesem die Porträts und händigte ihm auch den Briet 
des Bestellers ein. Der chinesische Künstler machte sich 
auch an die Arbeit und bald kam eingehüllt in einen 
prächtigen Lackkasten das Teeservice in Schweden an. 
Es wurde beschlossen, erst an dem Tage des Wiegen 
festes in Gegenwart des achtzigjährigen „Geburtstags 
kindes“ diesen Kasten zu öffnen, damit die Ueber- 
raschung eine allgemeine sei. Die ganze Familie ver 
sammelte sich zum Feste auf dem Schloß, wo die alte 
Dame hauste. Feierlich wurde der Lackkasten herein 
getragen, feierlich wurde er geöffnet. Der chinesische 
Maler hatte sich selbst übertroffen; in prächtige chine 
sische Tracht gekleidet, waren die verschiedenen Beck- 
Fries auf Tassen und Kannen zu erblicken und die 
Kunstfertigkeit des Chinesen rief allgemeines Entzücken 
hervor. Eines der Stücke nach dem anderen wurde 
ausgepackt, ging von Hand zu Hand und endlich wurde 
auch das Plateau, auf dem das Teeservice aufgestellt 
werden sollte, hervorgezogen. In diesem Augenblicke 
aber ereignete sich etwas Entsetzliches, Furchtbares. 
Der chinesische Meister hatte es nämlich mit der 
seinem Volke eigentümlichen Genauigkeit und dein seine 
Nation auszeichnenden minutiösen Fleiß für seine 
Pflicht gehalten, des Bestellers Schreiben, von dem er 
natürlich kein Wort verstanden hatte, in sorgfältigster 
Nachahmung auf dem Plateau anzubringen und nun 
konnte die Jubilarin lesen, daß sie eine alte Hexe und 
wie all die schönen Ausdrücke lauteten, sei. 
Das Fest nahm ein Ende mit Schrecken. Der un 
glückliche Autor jenes Schreibens verschwand aus dem 
Testament! 
Das Teeservice aber mit dem verhängnisvollen 
Plateau befindet sich heute noch im Besitze der Familie 
Beck-Fries und ist ein Unikum, eines der amüsantesten 
und wertvollsten aus jener chinesischen Kunstepoche. 
Ghronifi. 
AUTOGRAPHEN. 
(Auffindunng einer verschollenen Auto 
graphensammlung.) Der dritte Teil der Autographen 
sammlung Fischer von Rösslerstamm galt seit 1915, 
nachdem seine bei List und Franke in Leipzig beabsichtigte 
Versteigerung durch den Krieg verhindert worden war, in den 
Sammlerkreisen als verschollen. Tatsächlich aber lag sie, 
wie man nun erfährt, in Italien unter Sequester, und ging 
jetzt, nachdem sie freigegeben worden ist, in den Besitz von 
Rudolf G e e r i n g über 
BIBLIOPHILIE. 
(Gegen die deutschen Bücherpreise.) Die 
Wiener Akademie und sämtliche Hochschulen Oesterreichs haben 
eine Beschwerde an den Buchhändler-Börsenverein in Leipzig 
und an den Deutschen Verlegecverein gerichtet, in der gegen 
die Bücherpreise protestiert und der Wunsch ausgesprochen 
wird, die Preise namentlich für wissenschaftliche Bücher zu 
ermäßigen und Oesterreich gegenüber dem valutastarken Aus 
land eine Vorzugsstellung einzuräumen. 
(Eine Rede des Tizian). F. R. Martin, der eng 
lische Orientalist und Kunstforscher, erhielt kürzlich von einem 
Buchhändler aus Neapel das einzige bisher bekannte Exem 
plar einer Druckschrift von Tizian. Es ist der Druck einer 
Rede, die Tizian am 6. Jänner 1571 zur Feier des großen See 
sieges über die Türken, der Schlacht von L e p a n t o, ge 
halten hat. Die Schlacht gab den Venezianern monatelang Anlaß 
zum Festefeiern. An jenem Tage also hielt Tizian im Namen 
des Volkes seiner Vaterstadt Cadore eine lateinische Rede, 
deren Druck 6 Seiten füllt. Er war damals schon 94 Jahre alt, 
so daß diese Rede immerhin eine große Kraftleistung gewesen 
sein muß. Er hielt sie vor dem Dogen Mocenigo und dem 
Großen Rat von Venedig. Martin will die Schrift nun in Fak 
simile herausgeben. Auffällig ist, daß Tizian in der Rede immer 
w75der und nur von Italien spricht. Die Italiener seiner Zeit 
pflegten nur von ihrer engeren Heimat zu reden, von Florenz, 
Venedig oder Mailand, denn der Traum Dantes vom einigen 
Italien war längst vergessen. Tizian aber, der doch wohl zwei 
fellos auch der Verfasser der Rede ist, bekennt sich darin zu 
seinem größeren Vaterland.
	        
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