Nr. .15
Internationale Sammler-Zeitung
Seite 115
londoner ERudtionen.
Man schreibt uns aus London:
Die jüngsten Auktionen stehen sozusagen im Zeichen
des Silbers. Es vergeht kaum eine Woche, daß nicht
Silberschätze zur Versteigerung kommen. Der alte Adel
entäußert sich, der Not gehorchend, nicht dem eigenen
Triebe, seiner silbernen Hausgeräte, die neuen Reichen,
vornehmlich aber Amerikaner, sind die Käufer.
Die erste hervorragende Silber-Auktion war die
der Sammlung des Lords Swaytling. Hier war die
Hauptattraktion das Ausgebot von zwei Georg-II.-Kande-
labern, die den Namen Paul Lamerie (1731) tragen
und für die nicht weniger als 3003 Pfund Sterling
erzielt wurden. Das ist der überhaupt höchste Preis
dieser Silber-Auktion im Hause Christi es gewesen.
Außerdem zahlte man für 4 Tafelleuchter derselben
Epoche 1134 Pfund, für eine Terrine 377 Pfund, für
2 Saucieren 256 Pfund. Da aber kurz nach dieser Ver
steigerung, auch bei Christies, eine große Perlenschnur
aus dem einstigen Besitz der Marquise von Lavalette
für 20.500 Pfund verkauft wurde, sprach London nicht
mehr von dem alten Silber des Lords, sondern von
dem teueren Perlenschmuck der Marquise.
Silber in stattlicher Zahl und wieder altenglisches
Silber brachte weiters die Versteigerung der Kollektion
des Colonel H. H. Mulliner, die in den Händlerkreisen
wohlbekannt war. Es trafen sich denn auch hauptsäch
lich die Händler bei dieser Versteigerung und wieder
waren es großenteils Amerikaner, die die Hauptstücke
an sich brachten. Zwei Pilgerflaschen (William III) von
John Boddington, 1699 signiert, gingen auf 1000 Pfund,
und für zwei 7*/ a Zoll hohe silbervergoldete Leuchter
(1665, Charles II) bot man 760 Pfund; sie haben vor
fünf Jahren 565 Pfund gekostet.
Wenn aber die Amerikaner in London sind, dann
nutzen sie natürlich die Zeit gut aus. Man findet sie
in allen Antiquariaten, sieht sie überall in den Bücher
auktionen, die ihre populärste Stätte bei Sotheby
haben, und es ist darum nicht verwunderlich, daß die
Bücherpreise, selbst wenn es sich um Exemplare han
delt, die von Haus aus nur den Engländer angehen,
ziemlich rasch anwachsen. So wurden in diesen Tagen
hohe Preise für Erstausgaben des englischen
Humoristen Will. M. Thackeray (1811—1863) ge
boten. Die Erstausgabe von „Vanity fair“ („Jahrmarkt
des Lebens“) im Originaleinband ergab 385 Pfund, die
Erstausgabe von „The Second Funeral of Napoleon“ 94
Pfund. Zwischendurch aber konnte man sich bei So
theby für Zeichnungen von P e r u g i n o, dem
Lehrer Raffaels, begeistern, unter denen „Die 4 Apostel“
auf 315 Pfund stiegen, während ein Männerbildnis des
umbrischen Meisters, eine Silberstiftzeichnung, mit 140
Pfund wegging.
Eine der glänzendsten Versteigerungen der Londoner
Saison war die Auktion der Gemälde des Herzogs
von Westminster. Diesmal brachten Christies bloß
60 Bilder der berühmten Gallery zum Verkauf, aber es
ist kein Geheimnis, daß schon in früheren Jahren manche
ganz große Nummern der Sammlung den Weg über
den großen Teich genommen haben, wie der „Blue boy“
von Gainsborough und die „Sarah Siddons als
tragische Muse“ von Reynolds, für die dem Herzog
zusammen das Sümmchen von 200.000 Pfund zuge
flossen ist.
Auch der neueste Verkauf bringt ihm ein schönes
Stück Geld ein. Seine Rüben s-Bilder fanden aller
dings keine Bieter, und das Zwei-Männer-Bild von
Rembrandt erreichte einen sehr niedrigen Preis,
nämlich 2300 Pfund, hingegen ist ein P o u s s i n (Ruhe
der heiligen Familie) mit 6200 Pfund bezahlt worden,
was geradezu ein Rekordpreis für Poussin ist. Ferner
erlegte man für einen van Dyck (Maria und heilige
Katharina) 3000 Pfund, für einen M u r i 11 o (Johannes)
1250 Pfund. Ein kleiner Memling brachte es auf
1750 Guineas. In der Holländerreihe der Westminster-
kollektion erreichte ein Jan van Goyen (Flußland
schaft) den schönen Preis von 780 Guineas, ein Thomas
de K a y s e r 380 Guineas. Für zwei Miniaturbilder
von Watteau wurde die hohe Summe von 3100 Pfund
gezahlt. Die Hauptkämpfer um diese Bildchen waren
französische Händler, auf deren Rechnung wohl
auch der Rekordpreis für Poussin zu setzen ist.
Ein 3 y a{ma- Ueccfiio in ‘Ungarn.
Die Budapester Polizei stellt — wie uns aus
Budapest geschrieben wird — seit einigen Tagen
in Angelegenheit eines kostbaren Palma-Vecchio
Ermittlungen an, zu denen sie durch diplomatische
Schritte der italienischen Regierung veranlaßt wurde.
Das wertvolle Gemälde, ein Altarbild des heiligen
Johannes, das von einem ungarischen Soldaten, offenbar
als Kriegsbeute, aus einer italienischen Dorfkirche entführt
wurde, ging in Ungarn durch eine lange Kette von
Händlern — man spricht von zwanzig Personen —
die es zu immer höherem Preise Weitergaben. Der
jetzige Besitzer hat das Bild um einige hunderttausend
Kronen erstanden. Er brachte den Ursprungsort des
Bildes in Erfahrung und setzte sich nichtsahnend mit
den dortigen Behörden wegen Rückkaufes des
Bildes in Verbindung. Da über den Preis keine Einigung
erzielt wurde, ließ der Besitzer das Bild in Paris ab
schätzen und hörte zu seiner hohen Ueberraschung,
daß es sich um einen echten Palma-Vecchio im Werte
von 50.000 Dollar handle. Natürlich wollte die italienische
Ortsgemeinde von der ungeheuren Summe nichts wissen,
sondern wandte sich an die italienische Regierung,
die auf Grund des Trianoner Friedensvertrages die
Auslieferung des Bildes von der ungarischen Regierung
forderte. Auf die behördlichen Schritte erklärte der
Besitzer, der inzwischen das Bild ins Ausland geschafft
hatte, er sei nur bereit, das Bild zu einem Preis von
30.000 Dollar herauszugeben.
Die ungarischen Behörden befinden sich nun in
einem Dilemma. Es ist Tatsache, daß ein Paragraph
des Friedensvertrages von Trianon die ungarische
Regierung verpflichtet, eventuell verschleppte Bilder
herauszugeben, es besteht aber keine Norm dafür, ob
gegen den Besitzer des Bildes gerichtlich vorgegangen
werden kann, wenn er das Bild, offenbar in gutem
Glauben, aus zwanzigster Hand erworben hat.