Nr. 18
Internationale Sammler-Zeitung
Seite 139
heroen neuerer Zeit, Bruckner und Brahms, stehen
an erster Stelle, und von diesen beiden ist es wieder
Bruckner, dem der breiteste Raum gewidmet wurde,
da im Rahmen der Ausstellung zugleich die hundertste
Wiederkehr des Meisters würdig begangen werden sollte.
In einer Reihe von Schaukästen gibt es da Doku
mente aus dem Leben Bruckners und Handschriften
von einzelnen seiner unsterblichen Werke. Nicht ohne
Rührung liest man das folgende Schriftstück aus dem
Jahre 1867: „Hochwohlgeborener Herr Decan! Ich wende
mich mit der ehrfurchtsvollen Bitte an Sie, bei dem
hochlöblichen Professorenkollegium meine Anstellung
als Lehrer der Musiktheorie an der k. k. Universität
günstig befürworten zu wollen.“ Neben dem Gesuch
Hegt in der gleichen Vitrine das Referat Hanslicks,
das Bruckners Gesuch — abschlägig erledigt. Aber
Bruckner hat nicht nur einen „hochwohlgeboren“ Herrn
Decan so devot und höflich angeredet. In einem Brief
an Hofkapellmeister Pius Richter wird dieser gleich
falls „Hochwohlgeboren Herr Hofkapellmeister“ tituliert.
„Da ich über das Hochamt als Verbannter kein Recht
besitze“ — heißt es in diesem Brief, „sind Hochderselbe
mein Diktator.“ Und in einem Brief an den Musik
schriftsteller Dr. Theodor Helm spricht Bruckner dem
„hochwohlgeboren Herrn Doktor den Dank und die
Bewunderung“ für seinen „genialen und herrlichen
Artikel“ aus, den „Hochseiber nicht verschmähen möge“.
Diese Briefe stammen aus dem Jahre 1890, aus einer
Zeit also, da Bruckners Bedeutung längst erkannt war;
nur er, der bescheidene Musikus selbst, war sich seiner
Größe nicht bewußt und nahm jedes Lob als unver
dientes Geschenk. Groß ist die Zahl der ausgestellten
Handschriften. Von* ganz frühen Kirchenkompositionen
angefangen, die Bruckners Art noch nicht einmal ahnen
lassen, führt der Weg bis zu den Gipfeln der Neunten
Sinfonie; Skizzen zum unvollendeten Finale dieses Werkes
sind in Handschrift zu sehen. Im ganzen sind dem
sinfonischen Schaffen des Meisters drei Schaukästen
gewidmet.
Der zweite Raum ist Hugo Wolf und Johannes
Brahms gewidmet. Aus den Schätzen der National
bibliothek sind eine große Anzahl von Musikhand
schriften Wolfs ausgestellt, angefangen von dem Liede
„Der Morgentau“ (1877) über Goethe- und Möricke-
Lieder, den Corregidor bis zu Manuel Venegas aus dem
Jahre 1897. Brahms tritt den Besuchern in zwei Schau
kästen als Instrumental- und Vokalkomponist entgegen,
insbesondere der Vergleich der Skizze und der Rein
schrift der Haydn-Variationen bietet Interessantes. Es
ist da die Skizze zu einer großangelegten Schlußfuge
zu sehen, die Brahms dann weggelassen hat; bekannt
lich schließt das Variationswerk mit einem sich der
Passacagliaform nähernden Schlußsatz. Ein Brief von
Brahms behandelt seine Ansichten über das Wesen der
Variationsform. In einem eigenen Schaukasten liegt die
Originalpartitur des „Deutschen Requiems“ mit dem
Autograph von Schumanns berühmtem Aufsatz „Neue
Bahnen“, der die Augen der gesamten Musikwelt auf
den jungen Brahms lenkte.
Handschriften von Grädener und Robert Fuchs
zeigen den Fortgang des Wiener musikalischen Schaffens.
Unter der großen Zahl der älteren Generation lebender
Tonkünstler, die im folgenden Saal in Handschriften
vertreten sind, seien die Professoren der Wiener Musik
akademie Josef Marx (Herbstsinfonie), Karl Prohaska,
Max Springer, Franz Schmidt (Fredegundis, Notre
Dame) hervorgehoben, Goldmarks „Königin von Saba“
und „Ländliche Hochzeit“ sind in der Originalhand
schrift zu sehen.
Kienzls „Evangelimann“ ersteht in den ausge
stellten textlichen und musikalischen Skizzen bis zur
aufliegenden Originalpartitur gleichsam vor den Augen
des Beschauers, Max Oberleithner, Felix Wein
gartner sind durch Handschriften vertreten, von Korn
gold ist die Partitur der „Toten Stadt“ da; Julius
Bittner ist durch die Handschriften von „Höllisch Gold“
und „Das Rosengärtlein“ vertreten. Dem Schaffen Richard
Strauß’ ist ein eigener Schaukasten eingeräumt. Mit
Karl Weigl wird der Uebergang zur jüngeren Gene
ration geboten, die vorerst in Hans Gal („Heilige Ente“
in Skizze und Partitur, „Arzt der Sobeide“), Bernhard
Paumgartner („Die Höhle von Saiamanka“), Rudolf
Kattnig und Rudolf Huber ihre Vertreter findet.
Der dritte, architektonisch von Architekt Legier
besonders ausgestaltete Raum, dessen Eingang von der
Mahlerbüste Rodins beherrscht wird, enthält vor allem
in reichem Ueberblick das Schaffen Gustav Mahlers.
Rührend ist ein aufliegendes Gesuch Mahlers um Schul
geldbefreiung am Wiener Konservatorium, den Hand
schriften der Lieder „Aus des Knaben Wunderhorn“,
„Der Kindertotenlieder“, des „Klagenden Liedes“ (im
ersten Entwurf Skizze und Endfassung), schließen sich
die einer Reihe von Sinfonien bis zur zehnten und des
„Liedes von der Erde“ an.
Eine eigene Nische des Saales ist Arnold Schön
berg eingeräumt, von dem eine Reihe seiner größten
Werke, von den „Gurre-Liedern“ bis zur „Glücklichen
Hand“ im Original zu sehen sind. An Schönberg reiht
sich sodann ein Kreis von Jüngern, der durch die Namen
Alban Berg, Egon Weilesz, P. A. Pisk, A. Webern,
R. Reti, H. Eisler vertreten ist.
In einem weiteren Schaukasten sind die Hand
schriften der großen Werke Franz Schrekers zu sehen,
ihnen folgen dann wieder W. Grosz, E. Kanitz, H. Kauders,
F. Petyrek und andere; Werke von H. Knödt, H. E.
Heller, F. Salmhofer sowie von E. Kornauth, O. Rieger,
0. Siegl, F. Ippisch vervollständigen endlich das Bild
modernen Wiener Musikschaffens, das insbesondere in
seiner radikalen Richtung auch durch Porträts von der
Hand künstlerisch verwandter Maler illustriert wird.
2)er Ronstantiniscfie Sflußef.
Aus dem Russischen von Leo Mark (St. Petersburg.)
Alte Münzen, die in einer mehr oder weniger weit
zurückliegenden Epoche geprägt wurden, haben ge
wöhnlich einen höheren als den Nominalwert. Doch
gibt es Münzen, deren Erwähnung schon allein das
Herz des Numismatikers laut schlagen läßt. Die Hälfte
seines Besitztums würde er für die von ihm gesuchte
Münze geben; ja es gibt sogar Sammler, die selbst
vor einem Einbruch nicht zurückschrecken würden, nur
um eine Münze zu erhalten, die längst außer Kurs gesetzt
und für die ihm der Krämer nicht einmal ein Päckchen
Zündhölzer geben möchte. Zu solch gesuchten Münzen ge
hört unstreitig der sog. „konstantinische Rubel“. Für einen
solchen Rubel wurden von Händlern und Sammlern
tausend Dollar geboten. Der Glückliche, in dessen
Besitz sich zehn solcher Rubelmünzen vorfinden würden,
wäre der Eigentümer eines sehr bedeutenden Vermögens.
Einen solchen Glückspilz aber gibt es nicht und kann
es nicht geben, da sich auf dem ganzen Erdboden keine
10 Exemplare dieses Rubels auffinden lassen, wenn
man freilich nicht die gefälschten mit in Betracht zieht,