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Internationale Sammler-Zeitung 
Nr. 10 
komposition wählt aber auch die Romantik noch die 
strenge Bindung, wie das bekannte Blatt S c h w i n ds 
in dieser Sammlung „Der Traum des Ritters" zeigt, 
während die Phantasie des zu wenig gekannten Düssel 
dorfers M i n t r o p freier mit der Linie umgeht, um in 
Busch wieder, der mit zwei vollständigen Serien zu 
„Der Elefant und der Neger“ und zum „Eispeter“ ver 
treten ist, zur Linie und ihrer graphischen Zweck 
bestimmung zurückkehren. 
In dem letzten Nazarener, in G e n e 11 i, der 
besonders reich in der Sammlung auftritt, protestiert 
die abstrakte Linie noch einmal gegen alle malerischen 
Freiheiten, welche aber schon lange den Stillwillen der 
Zeit gezwungen hatten, und drängt in dem großen 
Blatt der „Prometheusbefreiung“ die Farbe in die 
Flächenwirkung des Fresko hinein. Als nach der Mitte 
des Jahrhunderts, durch die Deutsch-Römer sich 
der künstlerische Ehrgeiz auf das monumentale Malwerk 
wirft, verliert die Zeichnung von ihrer graphischen Selb 
ständigkeit und wird wie bei den alten italienischen 
Meistern Atelierangelegenheit und Vorbereitung zum 
Gemälde. So strebt Feuerbach in der monumentalen 
Zeichnung zur „Venus Anadyomene“ von der Wiener 
Akademiedecke dahin restlos die Vorstellung zu klären, 
um sich frei der Ausführung hinzugeben. Nach 1870 
verwirren sich die Stimmen in der Dezentralisation der 
einzelnen führenden Kunststädte. Berlin hält noch am 
meisten auf seine durch Chodowiecki gelegte, in 
Krüger gepflegte, in M e n z e 1, der mit fünf Arbeiten 
auftritt, erweiterte und in Lieber mann vollendete 
Tradition der offenen Kreidezeichnung fest, die an ihrem 
Ende in der breiten, lichtumfassenden Technik wieder eine 
graphische Schönheit gewinnt, die in Liebermans Kohle 
zeichnungen führend für die Generation sich herausstellt. 
Weniger isoliert sich in Frankreich die Zeichnung 
des 19. Jahrhunderts. Immer steht sie in lebendiger 
Wechselbeziehung zum Malwerk der Künstler, ohne 
aber die Wirkungen der Palette vorauszunehmen. Immer 
ist auch hier fühlbar, wie die jeweilige Technik sich 
aus eigener Anschauung ihre Form prägt. Wenn 
Rousseau, M i 11 e t, und selbst die bildmäßig fertigen 
Zeichnungen J a c q u e s sich mehr in der Nähe ihrer 
Graphik bewegen, gewinnt in Toulouse-Lautrec, 
Monet und R o d i n, die mit kostbaren Stücken ver 
treten sind, die selbständige Formgebung eine Note, 
die die Vorstellung des Malwerks nicht enthält, während 
die Formen Whistlers, Bones und Zorn’s sich 
wieder mehr ihrem graphischen Repertoire nähern, das 
in der Federzeichnung Zorn’s auch hier seine 
bedeutende Wirkung nicht verfehlt. 
2)as DofRstümficße ‘Wiener Sl'ieciter. 
Von den Expositionen, die im Rahmen des Wiener 
Musik- und Theaterfestes veranstaltet wurden, wird den 
Sammler außer der Musikausstellung, von der wir in der 
letzten Nummer berichteten, die am 21. September eröff- 
nete Ausstellung „Das volkstümliche Wiener 
Theater seit löOJahren" interessieren. 
Diese von den Wiener städtischen Sammlungen arran 
gierte Ausstellung hat den Zweck, einen Ueberblick 
über die volkstümliche Wiener Theaterkunst seit der 
Verbannung des Hanswurst durch Sonnenfels und dem 
Siege des regelmäßigen Schauspieles in Wien zu geben. 
Das Material der Ausstellung beginnt mit der Zeit der 
Gründung der Wiener Vorstadtbühnen, des Leopold 
städter, Josefstädter und des Wiedner Theaters und führt 
sodann über Joachim P e r i n e t, dessen musikalische 
Zauberkomödie „Kasperl oder die Zauberzither" den 
eigentlichen Anlaß zur heutigen Gestaltung der Mozart- 
Schikanederschen „Zauberflöte" gab, zu Ferdinand 
Raimund, Therese Krön es und Antonia Wagner. 
Hier sind in großer Anzahl Szenenbilder und Manu 
skripte Raimundscher Werke und anderes bezügliches 
Material vorhanden. Umfangreiches Material ist von 
Johann N e s t r o y ausgestellt, darunter in erster Reihe 
auf schon vergilbten Blättern das Manuskript zu 
„Lumpazivagabundus". Auch Nestroys Zeitgenossen, 
sein Mitdirektor Karl am alten Wiener Leopoldstädter 
Theater, Wenzel Scholz, Karl Treu mann und 
G r o i s sind vertreten und schließlich kommen die 
Wiener Volksdichter Kaiser, Berla, Haffner, Langer, 
0. F. Berg, Flamm und Nikola. Von Josefine Gail- 
m e y e r ist der berühmte kleine Galgen zu sehen, auf 
dessen an der Schlinge hängenden Zettel sie die Namen 
aller ihr Mißliebigen verewigte. Die Operette beginnt 
mit Offenbach, an den sich Suppd, Millöcker 
und Johann Strauß jun. reihen. Von Partituren sind 
S u p p € s „Fatinitza", Millöckers „Bettelstudent" 
und Joh. Strauß’ „Indigo“ zu sehen. Unter anderem 
ist auch das Spitzentuch ausgestellt, das Marie Geist- 
i n g e r bei der Premiere „Das Spitzentuch der Königin“ 
getragen hat. 
ln der Abteilung der modernen Operette sind Lehar, 
Oskar, Straus, Eysler, Kalman, Fall, Benatzky u. Granich- 
staedten, somit die jüngste Gegenwart vertreten. Von Alex 
ander G i r a r d i ist derHobel zu sehen, den er bei seinem 
letzten Auftreten im „Verschwender" als Valentin ge 
brauchte, weiter eine Reihe bekannter Schauspielergestalten 
Knaack, Matras, Blase I, Schweig hofer, 
Eisenbach und von den lebenden unter anderen 
Karl Streitmann u. Hansi Niese. Das Volksstück 
ist mit dem Schrifttum von A n zengruber bis S ch ö n- 
herr vertreten und sind die Manuskripte zum „Pfarrer 
von Kirchfeld" und dem „Meineidbauer" ausgestellt. 
Seseffscfiaft der 33. 
Wir erfahren von einer interessanten, neuartigen 
Gründung. 
Von der Erwägung ausgehend, daß sich auch in 
der heutigen Zeit ein kleiner Kreis von Sammlern finden 
werde, der sich Interesse für inhaltlich und bibliophil 
wertvolle Publikationen bewahrt hat, hat der Verlag 
der Johannes-Presse (Neue Galerie Otto Niren- 
stein in Wien) eine „Gesellschaft der 33“ ins 
Leben gerufen, durch die ermöglicht werden soll, jedes 
Jahr wenigstens zwei interessante Publikationen heraus 
zugeben. Das Unternehmen, das rein künstlerisch ge 
dacht ist, soll ohne Gewinn arbeiten, der Verlag behält 
sich lediglich das Recht vor, drei Exemplare jeder Pub 
likation für sich zu reservieren. Es werden also die 
Herstellungskosten der 33 Exemplare auf 30 Mitglieder 
verteilt, so daß die Preise für die einzelnen Publika 
tionen, die als originalgraphische Mappen hervorragender 
Künstler, als Einzelblätter oder als literarische Publi 
kationen, Vorabdrucke usw. gedacht sind, trotz der ge 
ringen Auflage keinesfalls über die heutigen Preise 
solcher Luxusdrucke hinausgehen, oft aber tief darunter 
bleiben werden.
	        
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