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Internationale Sammler-Zeitung
Nr. 21
alten Meister wandelnde Wiener Canon. Von den
Realisten Trübner, Maries, Lenbach und
Leibi sind nur wenige und nicht besonders bezeich
nende Bilder da; stärker ist der Freund Leibis und
Trübners, Karl Schuc h, vertreten, der wie so viele
erst nach seinem Tode zur verdienten Anerkennung
gelangt ist. Von den Franzosen kann die Galerie die Namen
D a u m i e r (Sancho Pansa und Zirkusszene), Delac
roix, David (Napoleon auf dem großen Sankt Bern
hard), Gericault, Courbet, Corot, Millet,
Pisarro, Renoir aufweisen, von französischen Bild
hauern R o d i n mit zwei in seiner Art die Charakte
ristik bis aufs äußerste treibende Büsten (Gustav Mahler
und Henri Rochefort).
Von sonstigen Künstlern, die der Galerie das Ge
präge geben, seien noch Rahl, Amerling, Karl
Haider, Lampi, Daffinger, der Tiermaler
Gau ermann und zuletzt, nicht als letzter, der treff
liche Maler des Morgenlandes Karl Leopold Müller
erwähnt.
2Die C C0lener Hifderfätscfiungen.
Ein Schöffensenat hat sich mit den Wiener Bilder
fälschungen befaßt, über die wir seinerzeit unsere Leser
informiert hatten. Angeklagt waren der nach Polen zu
ständige Bilderhändler Philipp Überall und der aus
der Tschechoslowakei zugewanderte Johann M a r k y-
t a n, zahlreiche Personen durch den Verkauf falsch
signierter Bilder geschädigt zu haben. Unter anderen
zahlte Herr Gustav Schlumberger für einen
falschen Pettenkofen, „Zigeunerzelt“ betitelt, 30
Millionen, Otto L i e b e r tn a n n für einen falschen
Danhauser, „Dichterliebe“ 34 Millionen und Samuel
Tugendhat für einen anderen, unechten Danhauser,
„Schusterwerkstätte“, 30Mill. Kronen. Einige geschädigte
Käufer hatten sich nicht gemeldet. Ueberdies hatten die
Angeklagten den Kunsthändlern Paul Engel und S.
Kende elf Kopien als Zeichnungen von der Hand
Straßgschwandtners, eine wertlose Kopie als echtes
Kriehuberbild, eine andere Kopie als echtes Ranftlbild
zum Kaufe angeboten und dem Kunsthändler Anton
Hrdlischka einen falschen Kriehuber zum Verkauf
übergeben, doch sind ihnen die Händler nicht herein
gefallen.
Ueber die Entlarvung der Fälscher erzählt die An
klage: Im Herbst 1923 schlossen Ueberall und Marky-
tan einen Vertrag dahingehend, als sie künftighin den
Bilderhandel auf gemeinsame Rechnung betreiben.
Ueberall sollte an dem erzielten Gewinn mit 70 Prozent,
Markytan mit 30 Prozent beteiligt sein. Am 24. Jänner
d. J. wurde Markytan auf Veranlassung des Antiquitäten
händlers S p i r a, dem er ein falsch signiertes Bild von
Alt als echt angeboten hatte, angehalten und gleich
dem ihm auf der Straße erwartenden Ueberall verhaftet.
In der Wohnung Markytans fand die Polizei zahlreiche
Fälschungen, darunter falsch signierte Waldmüller-
Kopien und mehrere fälschlich als Pettenkofen signierte
Zeichnungen vor. Alsbald kam zutage, daß die beiden
gewerbsmäßig falsch signierte Bilder als echt abgesetzt
hatten. Die Täuschung gelang ihnen deswegen so gut,
weil Markytan bei vielen Bildern sich Gutachten von
namhaften Sachverständigen, in denen die Echtheit
dieser Bilder bestätigt wurde, zu erschleichen wußte,
indem er sich als kriegsinvalider Oberleutnant einführte
und ihnen vorspiegelte, daß die Bilder im langjährigen
Besitz von Privatpersonen gewesen seien. Mit den
Käufern der Bilder trat Markytan in der Regel nicht
selbst in Verbindung, sondern durch Mittelspersonen,
die er veranlaßte, die Bilder in ihre Wohnung zu
nehmen und als ihr langjähriges Besitztum auszugeben.
Die Bilder waren teils von minder geschätzten Malern,
teils auf seine Bestellung hergestellte Kopien. Die
falschen Straßgschwandtnerbilder ließ Ueberall vom
akademischen Maler Schuster nach Lithographien
des Originals herstellen. Schuster lieferte die Kopien
unsigniert. Den falschen Pettenkofen, ein „Zigeunerzelt"
darstellend, hatte Ueberall zum Kustos der Gemälde
galerie Dr. Bai daß gebracht und von ihm ein Gut
achten über die Echtheit des Bildes erwirkt. Trotzdem
zweifelte der Kunsthändler K e n d e an der Echtheit
und holte ein Gutachten der Sachverständigen Doktor
Weixlgärtner und Dr. H a b e r f e 1 d ein 4 die er
klärten, daß das Bild nicht von Pettenkofen herrühre. Um
das wertlose Bild loszuwerden, brachte es Markytan
zum Wäscheerzeuger Herz, der die ihm bekannte
Generalsgattin Prohaska darauf aufmerksam machte.
Sie übernahm das Bild zum kommissionsweisen
Verkauf, veräußerte es wirklich an die Inhaberin der
Kunsthandlung Lebel, Frau Lucie Spitzer, um 25
Millionen und diese wieder an Herrn Schlumberger
um 33 Millionen. Bei einem Besuche des Direktors
der akademischen Gemäldegalerie Dr. Eigenberger
in der Wohnung Schlumbergers wurde das- Bild als
unecht erkannt. Auch Dr. Baldaß zog sein Gutachten
als irrig zurück. (Bei der Verhandlung erklärte er
übrigens, daß er noch heute zweifle, ob das
Bild unecht sei.) Ueberall gab Herrn Schlumberger
zur teilweisen Schadensgutmachung ein Alt - Bild, das
sich später ebenfalls als unecht herausstellte. Beim
Verkaufe des falschen Danhauser, „Dichterliebe“, be
diente sich Ueberall eines Gutachtens des Professors
Maurer. Als das Bild bei der Firma Schidlof zur
Auktion kam, wurde es von dem Kunsthändler Julius
Lichtblau als eine wertlose Kopie wiedererkannt,
die er einige Monate vorher ohne Signatur um einige
hunderttausend Kronen hatte verkaufen lassen.
Die Angeklagten wurden nach viertägiger Ver
handlung des vollbrachten und versuchten Betruges
schuldig erkannt und Ueberall zu achtzehn Monaten
schweren Kerkers und zur Landesverweisung, Markytan
zu sechs Monaten schweren Kerkers verurteilt. Man
hat aus den Zeitungen nicht erfahren, ob den beiden
Schwindlern Milderungsgründe zugebilligt wurden, ein
erheblicher Milderungsgrund wären aber zweifellos die
— Experten, die ihnen Handlangerdienste geleistet
haben.
Giovanni und Goiiardo Segantini.
Gottardo Segantini muß um die Autor
schaft eines seiner Bilder kämpfen, das einfach im
Kunsthandel seinem Vater Giovanni zugeschrieben
und unter dieser falschen Flagge verkauft worden ist.
Die Angelegenheit ist so seltsam und für gewisse
Experten kennzeichnend, daß wir den Ausführungen
Gottardo Segantinis, die die „Frankl Ztg.“ (in ihrer
Nr. 753 vom 8. Okt.) veröffentlicht, auch an dieser
Stelle Raum geben.
Gottardo schreibt: „Vom größten Sammler der Werke
Giovanni Segantinis bekomme ich den Katalog Nr. 105
von Rudolf Bangel G. m. b. H. Frankfurt a. M. zuge-