MAK
Seite 20 
Internationale Sammler-Zeitung 
Nr. 3 
In Wien hat der Kunsthändler Heinrich Friedrich 
Müller von 1811—1848 Wien an die führende Stelle 
gebracht. Er war aus Deutschland nach Wien gekommen, 
erwarb die Hohenleitnersche Kunsthandlung am Kohl 
markt Nr. 1218 und schuf im Verlaufe der Zeiten eine 
Reihe von mehr als dreitausend Stickmustervorlagen, 
die nicht nur im Inland, sondern bis nach Rußland 
reissenden Absatz fanden. Sie waren künstlerisch, wie 
technisch tadellos hergestellt und Müller erhielt für 
diese Vorlagen auf der Gewerbeausstellung im Jahre 
1839 die silberne Medaille. Leider ist es nicht möglich, 
den Schöpfer dieser Blätter zu ermitteln. Die Müllerschen 
Vorlagen erschienen in der Zeit der himmelblauen Emp 
findsamkeit und der zartesten Romantik. Verduren aus 
Epheu, Eiche und Weinlaub, die beliebten Rosenbuketts 
mit Vergißmeinnicht, der Typus Altwiens. Neben 
botanischen Motiven aber auch Liebesgötter mit Pfeil 
und Bogen, Lyren und Spielkarten, alles mit zarten, 
sinnigen, beziehungsreichen Sprüchen, „Aus Liebe", 
„Aus Freundschaft“, „So schön wie Deine Taten ver- 
fliesse auch Dein Leben“ etc. geschmückt. 
Die Stickereien wurden auf feinem Kanevas aus 
Seide und Wolle, in den Schulen und Klöstern aber 
auf dem feinen, aber billigen und durchsichtigen Beutel 
tuch gestickt, das die Müller bis auf den heutigen Tag 
verwenden. Und die zahlreichen Damen, die heute auf 
Müllergaze Petit Point-Stickereien unter Gefährdung 
ihres Augenlichtes mit Leidenschaft ausführen, haben 
keine Ahnung, daß der Stoff, auf dem sie arbeiten, die 
Müllergaze, ihre Bezeichnung von einem so kommunen 
Handwerk herleitet. Man nähte auch vielfach auf Stoffe 
Stramin, stickte darauf und zog die Fäden nach Fertig 
stellung der Arbeit heraus, um so den Anschein zu 
erwecken, daß die Stickerei auf dem Stoffe selbst aus 
geführt worden sei. Auch zu jenen Zeiten schon er 
leichterte man arbeitslustigen eleganten Damen ihr Werk 
dadurch, daß man, wie auch heute noch, die Stickerei 
auszählte und vorzog, so daß den Damen die Mühe 
waltung des Einrichtens erspart blieb. 
Der Kreuzstich war der beliebteste unter allen 
Sticharten, da er technisch am bequemsten herzustellen 
ist. Schon im alten Aegypten war der Kreuzstich als 
primitiver Füllstich die beliebteste Methode. Gottfried 
Semper stellt ihn in Gegensatz zu dem Plattstich, den 
die Assyrer und auch heute noch Chinesen und Inder 
für ihre Stickereien verwenden. Der halbe Kreuzstich 
wurde schon im 13. Jahrhundert stark verwendet und 
für die Kathedrale von Angers wurden 1599 zwei Kor 
porale in Gold- und Silberstickerei auf Petit Point aus 
geführt. 
Die Sticker, keine Frauen, spezialisierten sich bald 
und wir hören von Fayette, daß er nur Figuren, von 
Bailand, daß er nur Landschaften stickte. Unter 
Ludwig XIV. gehörte die Stickerei zur „Manufacture 
royale des meubles de la couronne“. 
Als in böhmischen Glasschleifereien die farben 
prächtigen und billigen Perlen hergestellt wurden, bür 
gerten sich diese an Stelle der Müilergaze in Bürgers 
kreisen ein und noch heute bewundern wir die Stick 
muster, die unsere Groß- und Urgroßmütter auf Papier 
aus Venetianer- und böhmischen Perlen hergestellt 
haben. Später stellte man sie auch auf Kanevas her. 
Die schmiegsamsten Arbeiten aus Perlen aber sind die 
durch Stricktechnik erzielten Perlenbeutel, deren Her 
stellung nur dadürch sehr kostspielig wurde, daß sie 
mühevoll herzustellen waren. Denn man muß das Muster 
erst auszählen, die Perlen auffassen und kann erst 
nachher mit dem Stricken beginnen. Hat man sich aber 
beim Zählen geirrt, so ist das ganze Muster wegen 
eines kleinen Irrtums verschoben und die Arbeit muß 
von Neuem beginnen. 
Fleißige Frauen verfertigten die Bezüge für Ohr 
fauteuils, Fußbänkchen, ja, ganze Teppiche in Groß 
point, die heute zu Biedermeiereinrichtungen ungemein 
gesucht werden. 
Die Biedermeierzeit ist wieder zu neuem Leben 
erwacht. Alle Damen fahnden heute emsig nach Stick 
mustern aus dieser Zeit und arbeiten sie mit viel 
Geschick nach, und das schon erklärt das Bedürfnis nach 
dem Buche der Frau Frieda Pollak-Sorer, dessen Fort 
setzungen wir mit Interesse entgegensehen. 
Else Ehrlich-Fränkel. 
6fironik. 
BIBLIOPHILIE. 
(Ankauf der Francev’schen Bibliothek für die 
Brunner Universität.) Aus Prag wird gemeldet: Das Unter 
richtsministerium hat die Bibliothek des Prof. V. A. Fraticev 
für das slavische Seminar der Brünner Masaryk-Universität an 
gekauft. Die Bibliothek repräsentiert eine reiche wertvolle sla 
vische Kollektion aus allen slavischen Sprachen und Literaturen. 
Nach einer Entscheidung des Unterrichtsministeriums fallen die 
Duplikate der Francev’schen Bibliothek der Landes- und Univer 
sitäts-Bibliothek in Brunn zu. 
BILDER. 
(August Strindberg alsMaler.) In Stockholm 
wurde eine Ausstellung eröffnet, die weit über die Grenzen 
Schwedens hinaus des Interesses wert ist. Der Kunsthändler 
Karl Gummesson hat den Plan gefaßt, alles, was von August 
Strindbergs Gemälden erreichbar ist, zu einer Gesamtschau zu 
vereinigen. So wird neben dem Dichter Strindberg, den alle 
Welt kennt, fortan auch der Maler Strindberg stehen, der ein 
Lebenswerk von über hundert Gemälden hinterlassen hat. Die 
Stockholmer Zeitung „Dagens Nyheter“, die in diesen Tagen 
eine Reihe von Strindbergs Werken reproduziert, schreibt: „Wäre 
er nicht als Dichter geboren, so wäre er Maler geworden. Und 
zw r ar wohl auch ein Maler des Durchbruchs, bei dem aus jedem 
Pinselstrich die Persönlichkeit leuchtet.“ Auch als Bildhauer hat 
Strindberg sich versucht. „Dagens Nyheter“ veröffentlicht jetzt 
zwei plastische Arbeiten des Dichters — die einzigen, die be 
kannt sind. Sie befinden sich im Besitz der Familie Sven 
Palme, in der Strindberg sehr viel verkehrte, als er in dem 
Stockholmer Villcnvorort Djursholm sein Heim aufgeschlage-n 
hatte. Beide sind in Ton gefertigt; das eine stellt Frau Palme, 
das andere einen ihrer drei Söhne dar. Strindberg hat selbst 
genau gewußt, daß die Aehnlichkcit nicht sehr groß war, darum 
hat er, als er die Werke der Familie zum Geschenk machte, 
die Bitte ausgesprochen, sie möchten niemals von vorn gezeigt 
werden. Die Familie Palme hat das vor so langer Zeit gegebene 
Versprechen unverbrüchlich gehalten und so können „Dagens 
Nyheter“, das diese Arbeiten des Dichters zum erstenmal re 
produziert, von der Porträtbüste auch nur die Rückansicht geben. 
(Ein Bilderdieb.) Aus Berlin wird gemeldet: Hier 
wurde der 31jährige Kaufmann Poppenberg, ehemaliger 
Reserveoffizier und Sohn einer angesehenen Familie, verhaftet, 
als er gerade im Begriffe war, in einer Kunsthandlung ein kost 
bares Bild aus dem Rahmen herauszuschneiden. Er gestand, 
Bilderdiebstähle in einer Berliner Kunsthandlung sowie in der 
Berliner Kunstausstellung und im Potsdamer Museum verübt 
zu haben. Er wird außerdem beschuldigt, in zahlreichen Museen 
des Deutschen Reiches wertvolle Bilder gestohlen zu haben. 
HANDSCHRIFTEN. 
(Ein neuer tschechischer Handschriftenstreit in 
Sicht.) Wie der „Prazky Vec.“ meldet, beweist Prof. Saucek 
von der tschechischen philosophischen Fakultät in einer wissen 
schaftlichen Schrift, daß das tschechische Exulanten-Kind „Nichts 
haben wir gerettet, nur die Grulicher Bibel, das Labyrinth der 
Welt“ gefälscht und nicht unter den Exulanten entstanden sei.
	        
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