Hummer 12.
Internationale Sammler-Zeitung.
Seite 181.
Die älteste Bildersammlung der U/elt.
Von Alfred Deutsch-German, Wien.
Ich roiifjte gar nichts so recht Österreichisches, als
dafj just eine grandiose, ITlillionenschätje bergende Kunst
galerie nach Amerika oerkauft roerden soll, ohne dafj irgend
einer unserer geschäfjten ITlitbürger oon deren Existenz
eine Ahnung hat.
Diese Galerie bietet sich allerdings nicht markt
schreierisch den Straljenpassanten, sie macht keine Reklame
und bringt keine irrsinnigen Plakate, sie ist für eine kleine
Gemeinde oon Wissenden berechnet und die oersteht die
Sammlung zu schälen. Ich spreche Don den Grätschen
niumienporfräts, die nun seit dem
Tode des farschers in der Wohnung
seines Schwiegersohnes, des Direktors
Schuttes in der Gumpendorfersfrafje,
untergebracht sind In der Welt der
Gelehrten kennt man diese Bilder; die
größten Denker haben sich mit ihnen
beschäftigt. Virchoro hat in ihnen die
alten Ptolomäer-Könige erkannt, £en-
bach hat die unoergleichlichste ITlal-
kunst an ihnen festgestellt und Georg
Ebers sah seine Träume oon den
egyptischen Königstöchtern und den
Ailbräuten zur Wahrheit roerden, da
ihm die wunderbaren Gemälde der
Grätschen Sammlung oor Augen kamen.
Interessiert die Sammlung, so mufj
ich oor allem des lilannes gedenken,
der sie mit oielen Opfern zusammen
zubringen oermachte. Herr Theodor
Graf war ein kunstbeflissener Expor
teur, ein Groljkaufmann, der oft nach
Egypten kam, um seinem Haus
größere Geschäftsmöglichkeiten zu
geben. Einmal brachte ihm ein Beduine
ein oon Sand überdecktes Holz
brettchen, auf dem man Spuren oon
Alalerei gewahrte. Graf reinigte es
und bekam ein schönes lllänner-
bildnis zu Gesicht. Er erkannte sofort,
dafj es sich um ein JTlumienporträt
handle und folgte dem Verkäufer zu
der Sfätte, wo er das Bild gefunden
hatte. Es war in der Tat eine Begräbnisstelle. Herr
Graf erhielt mit der Zeit oiele solche Bilder, die sich
die Beduinen allerdings immer besser bezahlen liefen.
ITlanche lagen tief im Sande oergraben und muijfen erst
zusammengestellt roerden, andere wieder waren wohl er
halten. Aller Wahrscheinlichkeit nach hatten plündernde
Beduinen die lAumien zerstört, weil sie reichen Schmuck
zu finden hofften, die JTlumienparfräts aber, die auf dem
Gesicht der Einbalsamierten lagen, als oollständig wertlos
wieder in den Sand geworfen.
Die ITlumienporträfs, die ältesten Bilder der Vorzeit,
erregten überall das gröfjte Aufsehen. Graf, der bereits
dadurch bekannt geworden war, dafj er den sogenannten
Papyrus Rainer (heute Besilj der Hofbibliothek) nach Wien
brachte, gelangte zu hohem Ansehen in der wissenschaft
lichen Welt. Erzherzog Rainer kaufte eine Reihe oon
diesen Bildern, aber seine mittel reichten nicht aus, die
ganze Galerie zu erwerben. Sonst fand sich kein Käufer
in Wien.
Die Bilder stellen, wie schon erwähnt, nach Virchoro
Ptolomäer-Herrscher dar. Einige der interessantesten seien
hier gezeigt.
figur 5 ist das Porträt eines leidenschaftlichen jungen
Klannes und wurde oon Tenbach als das grandioseste
der ganzen Sammlung bezeichnet.
figur 6 stellt eine egypfische
Prinzessin dar, die nun über zwei
tausend Jahre tot ist. Aber die Dame
könnte mit ihrem Schmucke und ihrer
Haartracht ganz ruhig auch heute auf
der Strafje promenieren, mit keinem
Zuge würde sie aus dem Rahmen
unserer Zeit fallen.
figur 7 zeigt wieder einen pracht-
oollen ITlännerkapf, der sicher die
Schöpfung eines grofjen lAeisters ist.
Der fundort der ITlumienparträts
ist das fayum, eine Oase in der
Rähe Alexandriens. Die reichen und
nornehmen Egypter (die IRaler der
Vorzeit waren fast unerschwinglich
teuer) liefjen sich in der Pracht und
Anmut ihrer Jugend malen und be
stimmten diese Gemälde für den Zweck,
dereinst ihre Grabstellen zu zieren.
Die Anoerroandten hefteten nach dem
Tode das Gemälde auf das Gesicht
der niumie und hatten so bei jeglichem
Besuch ihres lieben Toten den Reiz, diesen
in ooller Schönheit oor sich zu sehen.
Der Brief Tenbachs, den ich folgen
lasse, legt Zeugnis dafür ab, welch
hohe Wertschätjung die Grafsche Samm
lung in den Augen oon oersfändigen
Künstlern hat. Henbach schrieb:
„Sind nun die herrlichen Köpfe
in Berlin ausgestellt? Jch hätte sehr
gern laut Zeugnis abgelegt über
meine und meiner freunde Bewunderung der Schönheit
und Originalität Ihrer Sammlung, allein ich fürchtete,
damit Wasser ins Rleer zu tragen. Wäre eine Spur
Schönheitssinn im Getriebe der heutigen Kunst, so müfjte
Ihre Sammlung oon altegyptischen Porträts furore
machen unter den Künstlern und anregend und befruch
tend wirken.
Rlit herzlichem Grufj empfiehlt sich Ihnen bestens
Ihr dankbar ergebener
franz Lenbach.
Allerschönsten Dank auch für das höchst inter
essante Werk über den einzigen Teppich.“
Einen sehr lesenswerten Beitrag zur merkwürdigen
Geschichte der Bilder aus dem fayum hat der Dichter
Ebers gebracht; sein Buch über die JTlumienporträts hat
fig. 5.