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Internationale 
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Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde, 
Herausgeber: Norbert Ehrlich. 
17. Jahrgang. Wien, 15. Juni 1925. Nr. 12. 
‘Die ‘Versteigerung der SRtßertina-Dußfetten. 
Aus Leipzig wird uns geschrieben: 
Die Versteigerung der Werke von vierzig Haupt 
meistern alter Graphik aus den Dublettenbeständen 
der Wiener „Albertina" und des Kupferstich- 
m kabinetts des Britischen Museums in London, die vom 
™ 26. bis 27. Mai bei C. G. Boerner stattfand, hatte ein 
ausserordentliches Ergebnis Trotz der schweren wirt 
schaftlichen Depression, die über Mitteleuropa lagert, 
war die Beteiligung eine sehr rege; neben den Ver 
tretern des internationalen Handels sassen die Leiter 
vieler Kabinette, und auch zahlreiche deutsche Sammler 
und Händler waren erschienen. Da in dieser Saison 
an keiner anderen Stelle eine Auktion alter Graphik 
von so allgemeiner Bedeutung abgehalten wurde, schien 
vor allem der grosse internationale Handel sehr waren 
hungrig zu sein und suchte möglichst viel von den 
grossen Qualitäten an sich zu reissen. Dass es trotz 
dem den deutschen Museen und Sammlern gelungen 
ist, sich kostbare Blätter zu sichern, ist ein erfreuliches 
Zeichen für den starken Willen unserer Museums 
direktoren und Sammler, denen die ausländische Kon 
kurrenz mit überlegenen Geldmitteln diese Erwerbungen 
oft recht schwer machte. Das Germanische Museum 
und die Leipziger Graphische Sammlung vollbrachten 
das Kunststück, sich die teuersten und vielbegehrten 
Landschaften von Hirsch vogel zu verschaffen ; 
auch München und Dresden bereicherten ihren Schatz 
an Blättern dieses Meisters aufs glücklichste. Das 
Dresdner Kabinett erkämpfte sich dann z. B. auch einen 
Schongaue r, Leipzig zwei Blätter von Lucas van 
L e y d e n. Ungemein stark interessierten sich die ein- 
zelnenMuseen für verschiedene kleinere deutsche Meister, 
für Aldegrever, Lorch, Ladenspelder usw. Das Berliner 
Kabinett war ein heftiger Bieter auf die seltenen Probe 
drucke der Holzschnitte Springinklees, ln diesem Zu 
sammenhang sei auch erwähnt, dass das Antwerpener 
Kabinett acht der interessanten Blätter von Dirk 
Vellert erwarb, die wegen ihrer Seltenheit und Ori 
ginalität sehr umstritten waren und zum Teil das Viel 
fache der Schätzungen einbrachten. 
Gleich die erste halbe Stunde der Auktion wies 
einen Rekordpreis auf: „Die Versuchung des Einsiedlers“ 
von Altdorfer wurde von einem englischen Händler 
— gegen das Gebot von Professor W e i g m a n n aus 
München, — für 4600 Mark erstanden. Nun wusste 
man, dass die Spitzen der Auktion enorme Preise bringen 
wmrden. Bei Dürer zahlte man für den „heiligen 
Georg zu Pferde" über siebentausend Mark und für 
das erstklassige Totenkopfwappen über sechstausend 
Mark. Die teuersten Landschaften von Hirschvogel 
gingen bis an die dreitausend Mark Von Lucas van 
Leyden blieb „Die grosse Hagar" mit 4200 Mark 
nur wenig unter der hohen Taxe, die herrliche Folge 
der „Randen Passion" erzielte 6200 Mark bei einer 
Schätzung von 5000 Mark. Auch bei Meckenem 
lagen die Preise — entsprechend der vorzüglichen aus- 
gebotenen Qualität — durchschnittlich recht hoch. Der 
Hauptpreis für Rembrandt war 10.500 Mark für 
den mit 80.0 Mark geschätzten Clement de Jonghe. 
Von Schongauer erstand Colnaghi (London) 
das teuerste Blatt, eine Querfüllung mit Ranken, die 
nur in sieben Exemplaren bekannt ist, und auf die 
Dresden bis 4000 Mark mitbot. Die gleichfalls sehr 
seltene „Beweinung Cihristi“ von Zwott ersteigerte 
dieselbe Firma für 4200 Mark gegen das Gebot eines 
Schweizer Händlers. 
Der höchste Zuschlag in der Albertina-Dubletten- 
Auktion blieb dem frühesten vertretenen Meister Vor 
behalten: das untadelige Exemplar des Johannes vom 
Meister E. S. wurde um 13.800 Mark losgeschlagen 
und gelangte in die berühmte Sammlung des Baron 
Rothschild in Paris. Gegenbieter war ein englischer 
Händler. Den höchsten Preis der gan zen Versteigerung 
erzielte aber der erste Zustand des Jan Lutma von 
Rembrandt, der mit anderen ausgewählten Blättern 
aus einer Privatsammlung im Anschluss an die Haupt 
auktion zum Ausgebot kam. Dieser wundervolle Ab 
druck brachte fast das Doppelte der Schätzung und 
erzielte mit 24.500 Mark einen wirklich ausserordent 
lichen Preis, der von umso grösserer Bedeutung ist, 
als es sich hier um ein Stück von anonymer Proveni 
enz handelte, bei dem also ausschliesslich die Qualität 
bezahlt werden konnte. Ersteher war Herr Colnaghi. 
Neben den Hauptblättern der Auktion fanden auch 
die vielen brillanten Abdrucke der Meister zweiten 
Ranges reges Interesse und erzielten Preise, die meist 
erstaunlich hoch über dem Vorkriegsniveau lagen. 
Mittlere Druckqualitäten dagegen, die in der Inflation 
und selbst noch vor einem Jahre fast ebenso gesucht 
waren, wie jene beste Qualität, war diesmal infolge 
des Ausscheidens vieler kleinerer Sammler weniger ge 
fragt, immerhin war selbst für diese Mittelware die 
Preislage noch weit über dem Vorkriegsdurchschnitt 
Der gesamte Umsatz betrug rund eine halbe 
Million Mark, wovon 320.000 Mark auf die 
„Albertina" fallen. Dieses Ergebnis, das etwa der Ge-
	        
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