Internationale
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Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde,
Herausgeber: Norbert Ehrlich.
17. Jahrgang. Wien, 15. Oktober 1925. Nr. 19.
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Unsere Leser werden sich sicherlich noch des
Aufsatzes des Herrn Dr. Franz Ottmann erinnern,
der unter dem Titel „Ein Pantheon des menschlichen
Geistes" in Nr. 20 der „Internationalen Sammlerzeitung“
vom 15. Oktober 1924 erschien. Dr. Ottmann schilderte
da die einzigartige Bibliothek des bekannten Kultur
philosophen Prof. Robert S a i t s c h i c k, die in Gefahr
stand, unter den Hammer des Auktionators zu kommen.
Die Gefahr ist damals abgewendet worden, in letzter
Stunde noch wurde dem Gelehrten die Möglichkeit
geboten, die Bibliothek vor der Auflösung zu retten.
Die Hoffnung aber, daß die Bibliothek dauernd im
Besitz Prof. Saitschicks bleiben oder als geschlossene
Sammlung an eine öffentliche Bibliothek übergehen
werde, hat sich leider nicht erfüllt.
Wie uns aus Stuttgart gemeldet wird, hat das
dortige Antiquariat Oskar G e r s c h e 1 die Bibliothek
Saitschick erworben und gedenkt sie, falls nicht ein
Liebhaber sie im Ganzen ankauft, partienweise zu ver
steigern.
Ueber die Bibliothek, die rund 25.000 Bände
115.000 Nummern) umfaßt, macht der Direktor des
Leipziger Buchmuseums, Herr Professor Dr. Schramm,
in einem Aufsatz folgende interessante Mitteilungen:
Aus der ersten Hauptgruppe (bibliophile Seltenheiten
aus fünf Jahrhunderten) sollen voraussichtlich noch
Ende November dieses Jahres Auktionen in Stutt- -
gart stattfinden.
Aus der zweiten Hauptgruppe wird zunächst ein
Katalog über die Gruppe „Deutsche Literatur",
die ganz nach geistigen Gesichtspunkten Saitschicks
zusammengetragen wurde, und die ebenfalls viel Erst
ausgaben, Widmungsexemplare und Seltenheiten enthält,
veröffentlicht werden.
Die deutsche Literatur (etwa 43C0 Bände) ist von
den Anfängen bis auf die neueste Zeit mit einer fast
erschöpfenden Vollständigkeit vertreten, ebenso die
französische (etwa 2500 Bände', italienische (etwa
1000 Bände', englisch-amerikanische (etwa 1500 Bände);
von den anderen Literaturen sind jedenfalls die klas
sischen Werke darin zu finden (spanische, portugiesische,
slawische usw.)
ln dem Abschnitt der Philosophie (etwa
2000 Bände) fehlt sozusagen kein einziger bedeutender
Denker von den Vorsokratikern bis auf Nietzsche und
bis zu den neueren Naturphilosophen.
Die besten Werke der A e s t h e t i k, beginnend
mit ihrem Begründer Baumgarten bis auf die Aesthetik
von Jean Paul, Friedrich Theodor Vischer und Fechner
sind vorhanden. In dieses Gebiet wurden auch die
besten Schriften über Musik aufgenommen. Daran
schließen sich über 1000 Bände über Kunstgeschichte
und dazugehörige Reisebücher an — alles in einer
Auswahl des Wesentlichen und Wichtigsten, also nur
originelle und maßgebende Werke.
Bei der Zusammenstellung der „Memoiren und
Briefwechsel“ war das Augenmerk des Sammlers
ebenfalls auf das psychologisch Wichtigste gerichtet.
Dasselbe gilt von der sorgfältigen Auswahl der Werke
auf dem Gebiete der Geschichte und Kulturgeschichte.
Etwa 1200 Werke aus der Sozial wi ssenschaft
bilden eine besondere Abteilung der Büchersammlung,
von den Utopien des Thomas Morus bis auf die neuesten
und besten Werke über die soziale Frage. Die klassischen
Vertreter der Nationalökonomie figurieren darin mit
ihren besten Werken, Sozialismus und Anarchismus
sind darin durch alle ihre bedeutenden Schriftsteller
(auch in vielen seltenen Erstausgaben) vertreten.
Ueber die sehr sorgfältig und liebevoll zusammen
gestellte Abteilung der Religion und der Mystik
sei gesagt, daß sich in ihr die heiligen Bücher der
Menschheit in den besten Uebersetzungen (Brahmanismus,
Buddhismus, Zoroaster, Confuzius und Laotse, Mosaismus
und Judentum, Gesetzbücher und Sagen) befinden. Das
Zeitalter der Reformation ist mit seinen geistigen
Führern in Originaldrucken reich vertreten.
Die Sammlung hat einen besonderen Wert durch
den durchweg prachtvollen Zustand der Exemplare.
Alle Bücher, die den Ansprüchen des Besitzers hin
sichtlich der Erhaltung nicht entsprachen, sind geschmack
voll neu gebunden. Das meiste ist aber in herrlichen
alten Einbänden der Zeit erhalten, die schon für sich
Wertobjekte sind.
Die Firma Oskar Gerschel in Stuttgart hat es
verstanden, die Bibliothek in ihren großen Ausstellungs
räumen im Graf-Eberhard-Bau würdig unterzubringen,
wobei sie das System erhalten hat, nach dem Professor
Saitschick selbst seine Bibliothek am Züricher See
aufgestellt hatte.