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Internationale Sammler-Zeitung
Nr. 2
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sie spielt immer die Krones und da die Krones immer
herzentzückende, lustentbindende, tatenverkündende Au
gen hatte und da die Krones die Ungebundenheit des
Gelüstes mit der Ungebundenheit aller Weiblichkeit zu
Freikugeln goß und sie mit aller Ungezähmtheit eines
Naturkindes ins Publikum schleuderte, so konnte die
Wirkung nicht ausbleiben. Sie war eine kostbare Er
scheinung als solche, sie traf fast immer das Rechte;
warum? Weil das Publikum in allen ihren Rollen nur
sie sah! Ihr Spiel war stets unbändig, aber diese Un-
bändigkeit erhielt von ihrer Persönlichkeit den Freibrief.
Sie war unwiderstehlich in ihrer krassen Ueberschreitung
alles Schicklichen und warum? Weil man ordentlich
erschrack und verblüfft war von der Keckheit, mit der
sie die derbsten und widerhaarigsten Ausdrücke und
Gesten balanzierte, ins Parterre warf, gleich als Eman
zipation ihrer selbst. Sie war von ungewöhnlicher Be
gabung, von einer instinktiven Penetration ihrer selbst
un. *1 die tiefsten Geheimnisse der Individualität des
Publikums, welches stets mehr durch den Sinnenreiz
als durch Natur zu packen war, eingeweiht. Sie gab
ihren Rollen gar nichts vom Dichter und alles von sich
und da das dem Beifalle zugute kam, so ließen es die
Dichter gut sein. Sie erwärmte nicht durch Innerlichkeit,
sie durchdrang nicht durch urwüchsige Laune, aber sie
zündete; sie war eine glückliche Brandstifterin, sie
legte Feuer an, die Flammen prasselten, die Funken
sprühten, aber — die Kunst — eine Asche!“
So weit Saphir, der es seiner Gewohnheit gemäß
nicht lassen konnte, so geistreich als nur immer möglich
zu sein. Wenn wir die Widersprüche ausscheiden, die
Paradoxen, in denen sich Saphir gefällt, auf das nor
male Maß zurückführen, so können wir aus der vorher
angeführten Charakteristik der Krones entnehmen, daß
sie, ohne vielleicht gerade eine Schönheit gewesen zu
sein, dennoch eine blendende Erscheinung, eine ausge
sprochene Individualität gewesen ist.
Alle diese Erinnerungen wurden neu bei mir
lebendig, wie ich vor einiger Zeit eine auf Elfenbein
gemalte, hühnereigroße Miniatur dieses Wiener Lieblings
erwarb. Das Bildchen dürfte um das Jahr 1824 ent
standen und vielleicht eine Jugendarbeit Josef Krie
hubers sein, der, 1800 in Wien geboren, um diese
Zeit aus Polen heimgekehrt war und für den Trentsens-
kyschen Kunstverlag lithographierte, für den bekanntlich
auch V. v. Schwind in seiner Jugendzeit arbeitete.
Kriehuber fing um die Mitte der Zwanziger-Jahre an,
Personen in Aquarell zu porträtieren. Anfangs unterließ
er es häufig diese Arbeiten zu signieren. Später gehörte
er zu den bedeutendsten Porträtisten mit dem Litho
graphenstifte.
Vor Jahren gingen mir aus einer Familie, die mit
Krones verwandtschaftlich verbunden war, einige Re
liquien zu, die aus dem Besitze der Krones stammen.
So ein paar seidene Spitzenstrümpfe, die im damaligen
Wien als besonders galant und auch vornehm galten,
Strumpfbänder mit vielsagenden Versen in französischer
Sprache, eine Halskette aus dem blonden Haar der
Künstlerin geflochten, eine Schachtel für Kämme, ein
paar Kastagnetten aus Ebenholz nnd noch einige Kleinig
keiten, deren Wert nur in dem unzweifelhaften, ehe
maligen Besitz der Krones besteht. Diese Gegenstände
sind inzwischen zum Teil in das J. Böhm’sche Theater
museum übergegangen, denn authentische Kronesreli-
quien sind ebenso wie alle Krones-Autogramme heute,
wo sich alles spezialisieren will, seltene und gesuchte
Sammlungsobjekte geworden. Auf der Hohen Warte bei
Wien wurde vor ca. 26 Jahren sogar ein kleines Krones-
Museum begründet und zwar in demselben Häuschen,
in dem die Künstlerin zwei Sommer hindurch wohnte.
An der Außenwand des Hauses Hohe Warte Nr. 37
hat liebevolle Pietät vor 22 Jahren eine Marmortafel
gestiftet mit folgender Inschrift:
„Dieses Häuschen bewohnte Therese Krones in
den Sommermonaten 1824 und 1826.“*)
Die Krones war in Freudenthal in Schlesien ge
boren (am 7. Oktober 1801) als Tochter eines Schau
spielers, der mit seiner Truppe in den Ortschaften
herumzog. Von ihrer Geburt an kannte unsere Therese
nichts anderes als das Theater. Einige Jahre hindurch
wirkte sie in Olmütz, Brünn, Graz, Laibach und Agram,
ohne jedoch irgendwo zu einer künstlerischen Bedeu
tung durchzudringen. Erst als sie im Herbste 1821 an
das Leopoldstädter Theater in Wien verpflichtet wurde,
entfaltete sich ihr Talent. In kurzer Zeit war sie der
erklärte Liebling des Residenzpublikums.
Die damalige „Theater-Zeitung“, welche t Adolf
Bäuerle herausgab, dann die „Iris“ und die „Blätter
für die elegante Welt“, die alle nur mehr oder weniger
Theaterberichte brachten, beschäftigten sich an hervor
ragender Stelle mit der Krones, aus deren Privatleben
sie allerhand rührende Geschichten und Klatsch brachten.
Unübertrefflich war die Künstlerin als „Jugend“ in
Raimunds Zaubermärchen „Der Bauer als Millionär“.
Eine Lithographie in Folio, die um das Jahr 1825 ent
standen ist, stellt die Krones in einem sehr pikanten
Kostüm in einer Hosenrolle als „Mädchen aus der Feen
welt“ dar. Die Krones wäre sicher einer schönen, künst
lerischen Zukunft entgegen gegangen, wenn nicht ein
Ereignis eingetreten wäre, das auf ihr frühes Lebens
ende ein.en düsteren Schatten warf. Es ist das schon
früher erwähnte Verhältnis mit dem „Grafen“ Jaros-
zynski, der dann seinen gewesenen Hofmeister, den
Priester J. K. Blank ermordet und beraubt hat. Dieses
grauenvolle Ereignis zu erzählen, würde hier zu weit
führen. Der Wiener Landesgerichts-Präsident Dr. Ludwig
Altmann hat den „Fall Blank“ aus den Archiven aus
gezogen und in fesselnder Weise beschrieben. Das Er
eignis spielte sich im Jahre 1826 ab. Die Krones krän
kelte durch zwei Jahre, konnte sich nie mehr erholen
und starb am 28. Dezember 183U an Lungenentzündung
in Wien.
Hofrat A. M. Pachinger.
*) Auf diese Gelegenheit wurde auch eine Medaille geprägt.
Gottfried Sißfer.
Nach mehrwöchigem Leiden starb am 25. v. in
Wien der als Kenner und Sammler von Kunstgegen
ständen weit über Oesterreich hinaus bekannte Herr
Gottfried E i ß 1 e r itn 63. Lebensjahre.
Gottfried Eißler, der bei Wickhoff und Dworak eine
gründliche Ausbildung in der Kunstgeschichte genossen
hatte, war ein Bruder des Dr. Hermann Eißler, mit
dem er den Sinn für alles Schöne und eine un
bändige Sammellust teilte.
Die beiden Qrüder, die nebeneinander und mit
einander sammelten, schufen denn auch im Laufe eines
Menschenalters eine Sammlung, die zu den Sehens
würdigkeiten Wiens zählt und auch von Kunstlieb
habern aus aller Herren Ländern besucht wird.
Die Sammlung Eißler ist von einer außerordent
lichen Vielseitigkeit. Neben Gemälden moderner und
alter Meister sind da hervorragende Werke der Plastik,
Glasmalereien, Altwiener-Porzellan, Holzschnitte, Kupfer-