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Internationale Sammler-Zeitung
Nr. 1
zeug neben ihm und wollten gerne profitieren.^ Jahre
lang kam er in der Eigenschaft des Lehrers und Freundes
in das fürstliche Haus Esterhazy in der Wallnerstrasse.
Der damalige Erzieher des Prinzen, der spätere Erz
bischof von Kaschau, Sigismund von Bubiss, den er
in dieser Zeit kennen lernte, wurde der beste Freund
unseres Hauses und verkehrte nirgends lieber als in der
Protestantenfamilie So wie der Landschaftsmaler sich
in ein inniges Verhältnis mit der Natur einlassen muß,
die ihm in jedem Blütenbaum, in jeder Bergwiese ein
Stück von sich selbst schenkt, so muß der Porträtist
die Gesellschaft kultivieren und vor allem die Frauen.
Auf sie kommt es an, ob ein Künstler in Mode kommt
oder nicht. Ernest Lafite war ein Charmeur. Es war
ihm nicht schwer, die Gunst der Frauen zu erringen
und er huldigte ihnen durch die anmutigen Bildnisse, die
jede Frau schön erscheinen ließen. Vor allem waren seine
Bilder gefällig. Freilich, das, was man jetzt von einem
Porträt verlangt, das es das innere Wesen eines Menschen
zum Ausdruck bringt, nicht nur ein getreues Abbild
seiner Züge ist, das hatten diese Bilder nicht Ernest
war der Maler ä la Mode durch eine ziemlich lange
Zeit; er verstand es, der Eitelkeit der Frauen entgegen
zukommen und seine Bilder sind heute noch eine
Zierde vieler Salons. Man kümmerte sich damals weniger
um die Atmosphäre, die um einen Kopf herum ist, und
um die geistigen Emanationen, deren Geheimnis die
alten Heiligenmaler kannten und in einer von den
Stirne ausstrahlenden Helligkeit oder durch den Heiligen
schein symbolisierten. ■—
Ernest Lafite hatte die Passionen des Kavaliers: er
war Tänzer, Kartenspieler und vor allem leidenschaft
licher Jäger. Trotz seines unermüdlichen Fleisses fand
er Zeit allen diesen Passionen zu huldigen. Meistens
aber malte er, wenn er Jagdgast auf einem Schloß war,
die Dame des Hauses, so daß auch diese Tage seinem
Schaffen nicht verloren waren. In der Folge wurde
dann oft auch der andere Bruder berufen, um das be
treffende Schloß zu malen, z. B. Ernstbrunn des Fürsten
Reuß, die Schallaburg des Barons Tinti, daß Schloß des
Grafen Szecheny in Ungarn, Wilczek in Kärnten und
andere mehr. Aber auch die Sterne der Hofoper und
des Hofburgtheaters ließen sich von Ernest Lafite malen,
er war mit allen diesen Künstlern sehr befreundet, eben
so mit den Intendanten und Direktoren und es standen
ihm immer die besten Logen zur Verfügung. In späteren
Jahren hatte er eine herrliche Wohnung im Heinrichs
hof und führte ein sehr langes Leben, während unser
Vater sich immer mehr von der Welt zurückzog und
nur für das Haus und für seine heranwachsenden Kinder
lebte.
Von Ernest wußte man sich immer kleine Geschichten
zu erzählen. So erregte es einmal grosses Interesse,
als er zu Hofe berufen wurde, um die blühend schöne
Erzherzogin Mathilde, die Tochter des Erzherzogs
Albrecht, zu malen. Der erzherzogliche Vater war bei
den Sitzungen stets anwesend und glaubte es dem
französischen Namen des Künstlers schuldig zu sein,
die Unterhaltung in französischer Sprache zu führen.
Einmal erkundigte er sich um die persönlichen Daten
des Malers und als Ernest auf die Frage, wo er ge
boren sei, antwortete: ln Wien, kaiserliche Hoheit, sagte
der Erzherzog sichtlich erfreut: Aber da können wir
ja Deutsch miteinander reden. — Das sehr gelungene
Porträt der jungen Dame erhielt für die Familie durch
ihr bald darauf erfolgtes schreckliches Ende einen be
sonderen Wert. — Erzherzogin Mathilde stand einmal
eine Zigarette rauchend am Fenster. Da sah sie ihren
Vater, der das Rauchen streng verboten hatte, durch
den Hof kommen und zu ihrem Fenster hinauf sehen.
Sie beugte sich grüssend hinaus und hielt dabei die
brennende Zigarette hinter sich. Ihre ganz leichten, duf
tigen Kleider fingen sofort Feuer und sie stürzte, im Nu
in eine Flammensäule verwandelt, zur Türe hinaus, auf
den Korridor, laut um Hilfe schreiend. Aber die Diener
schaft, die sie so brennend laufen sah, stürzte davon.
Niemand hatte die Geistesgegenwart helfend einzugreifen.
Sie erklärten später, daß sie es nicht gewagt hätten,
die kaiserliche Prinzessin anzupacken. Die Unglück
liche war aufs schwerste verletzt und nach unsäglichen
Qualen, die sie noch erdulden mußte, erlag sie ihren
Wunden.
In den Sechziger-Jahren begeisterte sich Wien sehr
für die schöne Tänzerin La Mare, die hier grosse
Triumphe feierte. Ernest sollte ein Bild in Lebensgrösse
von ihr malen. Die sehr verwöhnte und anspruchs
volle Tänzerin kam in sein Atelier, um ihm zu einer
Studie zu sitzen. Es war im Winter, sie hatte den
Nacken und die Arme entblößt und fror nach kurzer
Zeit erbärmlich. Ernest war in Verzweiflung Er hatte
niemanden in der Nähe, der Feuer hätte anzünden
können, da kam er auf den Einfall, auf einem Spiritus
rechaud Tee zu kochen. Die La Mare war von dieser
Idee begeistert. Ihre Laune, die sich schon bedenklich
verschlechtert hatte, besserte sich sofort wieder und sie
wollte bei den Vorbereitungen helfen. Aus einem
Schränkchen kramte Ernest Bisquits und ein paar alte,
feine Porzellantässchen heraus. Die La Mare ordnete
alles auf einem kleinen Tisch. Plötzlich fing sie an, den
Maler zu necken und als er sie darauf haschen wollte,
lief sie ihm davon. Es kam nun zu einer tollen Jagd
im Atelier, bis das Unglück es wollte, daß die Tänzerin
dem Rechaud, auf dem das Wasser schon brodelte, zu
nahe kam und die Kanne umwarf. Das kochende Wasser
strömte ihr über die Arme und Beine und sie hatte so
fort rasende Schmerzen. Die verwöhnte, sich nicht be
herrschen könnende La Mare war ausser sich und
machte dem Maler die heftigsten Vorwürfe. Er war
zuerst ratlos und es dauerte lange, bis er die sich
rasend Geberdende so weit brachte, daß er sie in
einen Wagen packen und nach Hause führen konnte.
Die Verletzungen erwiesen sich als schmerzhaft, aber
weiter nicht gefährlich — aber doch, zu einer zweiten
Sitzung ist es nie gekommen und es blieb bei der sehr
anmutigen und flott gemalten Skizze, die sich in meinem
Besitz befindet.
Die Zeit von 1860 bis 1880 war für die Wiener
Künstler eine goldene Epoche. Wenn auch damals
schon von Cliquenwesen, von Kollegenintriguen die Rede
war und einzelne immer über Zurücksetzung klagten,
so hatten sie doch nicht annähernd so viel und schwer
zu kämpfen, wie die Künstler unserer Tage. Vor allem:
man kam Malern, Bildhauern und Architekten mit dem
wärmsten Interesse entgegen. Die Künstlergenossen
schaft spielte die größte Rolle in Wien, jede Ausstellung
war eine Sensation, zu der ganz Wien sich drängte,
die man unbedingt gesehen haben mußte, da sie wochen
lang den Gesprächsstoff bildete. Ein neuer Makart,
Canon, Gabriel Max, Blaas mit seiner Ninetta, Herkomer
mit dem Bildnis der Miss Grant, ein neues Portrait
von Angeli, ein Invalidenbild von Friedländer, das waren
Ereignisse, denen niemand kühl gegenüberstand. —
Durch die todestraurigen Bilder von Wereschtschagin
wurden die Wiener im tiefsten Herzen aufgewühlt.
Vielleicht war es das erstemal, daß den frohsinnigen
und leichtlebigen Bewohnern unserer Stadt soziales
Elend und die Grausamkeit der Naturgewalten künst
lerisch so zum Bewußtsein gebracht wurden. Unvergeß
liche Eindrücke hinterliessen die internationalen Aus
stellungen mit den herrlichen Bildern im französischen,
spanischen und belgischem Saal. Aber nicht nur die
vielbesuchten Ausstellungen, mit ihren sofort populär
gewordenen Meisterwerken, auch die geselligen Veran-