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Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde.
Herausgeber: Norbert Ehrlich.
18. Jahrgang. Wien, 15. November 1926. Nr. 21.
c Der ‘Bifderrahmen, seine Geschichte und ‘Verwendung.
c üon T)r, (Kies fing er (Wien).
Unseren Zeitgenossen erscheint die Verwendung
eines Bilderrahmens als etwas Gegebenes und Selbst
verständliches. Nicht immer ist es so gewesen. Es
hat erst einer gewissen Einstellung der Kunst bedurft,
daß sie solchen Zielen nachging, die letzten Endes die
Erfindung, Durchbildung und Variation des Bilder
rahmens zur Folge hatte. Erst in nahem historischen
Zeitraum stellt sich die Kunst das Problem, einen be
stimmten und umgrenzten Raum als Ziel ihrer Dar
stellung zu wählen. Den ersten Spuren jenes Strebens
begegnen wir um die Mitte des 14. Jahrhunderts. In
jener Zeit tauchen in allen flächenbildnerischen Dar
stellungen Ansätze einer Perspektive auf, die erst nur
eine Bereicherung oder ein Erleben des Gefühles der
Raumtiefe sein wollen. Nach zwei Generationen, etwa
um das Jahr 1400, ist das Prinzip soweit durchgebil
det, daß nunmehr die Figuren in einem Tiefenbezie
hung auf weisenden Gehäuse leben und von da ab ist
es wenige Schritte bis zur wissenschaftlichen, organi
schen Durchkonstruktion des Bildfeldes, wie sie noch
heutzutage die nüchterne, klare Perspektive eines
Architektcn-Entwurfes aufzeigt. Die Gegenforderung
dieser Perspektivendurchbildung war die Forderung,
die Bildgrenze eindeutig und ästhetisch gegen die
Umwelt abzuschließen.
Zwei Motive waren hier fördernd. Das eine ist
die Einstellung der ganzen Darstellung gleichsam in
ein Gebäude, dessen vorderste Fläche fehlt, in eine Art
Guckkasten, der in seinem Ursprung in der Geschichte
der Menschheit durch viele Jahrhunderte zurückzuver
folgen ist. Letzten Endes ist es nur eine unwesent
liche Wandlung, die vom Giebelfelde des antiken Tem
pels zur Reliefbegrenzung der griechischen Grabstel
len führt. Es ist immer eine strenge Architektur, die
den Raum bildet, der nach architektonischen Gesetzen
gegliedert wird. Diese Grund- und Hauptidee durch
flicht fast die ganze Geschichte des Bilderrahmens bis
in unsere letzte Gegenwart.
Das zweite Motiv ist die Ausbildung des Rahmens
in gleichsam rein technischer Hinsicht. Die Kunst des
Tischlers hat dazu geführt, Rahmen und Füllungen
zu scheiden und auf diese Weise handlichere, technisch
sichere und materialsparende Möglichkeiten zu schaf
fen, Erhöhung der Festigkeit bei gleichzeitiger Ver
ringerung des Gewichtes, des Materialaufwandes, der
Holzstärke u. dgl. Im Grunde genommen ist unser
heutiger Bilderrahmen eine Fortbildung jener Rand
leiste, die die Holztafel der Gotik verhinderte, sich
zu werfen und die in ganz untergeordneter und be
scheidener Weise das 14., 15. und 16. Jahrhundert
durchdauert hat. In jener Zeit war die Begrenzung
des Bildfeldes eine einfache glatte Leiste, im besten
Falle durch eine Schräge oder gar durch eine Kehle
vom Bildfelde abgesondert. Leuchtende und starke
Farben: rot, grün, blau oder schwarz kontrastierten
gegen die ebenso bunten Bilder. Das Relief der Rah
menleisten war ein ganz flaches. Italien in seiner
Renaissance hat diesen Typus bereits früher durch
plastisch architektonisch bereicherte Bildungen er
setzt. Immer wieder ist es die phantastisch berei
cherte antike Aedicula, die das Grundmotiv des italie
nischen Rahmens bildet. Daneben, statistisch weit sel
tener, ist der kreisrunde Rahmen, der seine Herkunft
und Verwandtschaft mit dem Spiegelrahmen selten
verbirgt. Auch dieser zuweilen überaus reich ausge
staltet. Jene Ineinanderklitterung von Ornamentmoti
ven, wie sie die römischen Prachtbauten etwa im
2. Jahrzehnt unserer Zeitrechnung in zahlreichen Bei
spielen hinterlassen haben, hat gerade auf die Phan
tasie des 15. Jahrhunderts einen unauslöschlichen Ein
druck gemacht. Die gleiche Richtungskonstante, ein
dekorativer Naturalismus, lag zu Grunde und wurde
durch wissenschaltlich antiquarische, gewiß auch
sehr oft snobistische Neigungen unterstützt. Man
fühlte sich antikisch, als eine Art Nachkomme der
herrlichen alten Römer. Auch manche politische Ten
denz hat dabei mitgesprochen.
Es kann aber unser Hauptthema nicht sein, von
jenen so fern liegenden Zeiten ausschließlich zu spre
chen; kaum einer von uns wird je über wirklich
gotische' oder Frührenaissance Rahmen hoher
Qualität verfügen können. Die Formen, die um jene
Zeit gebildet wurden, haben sich im breiten Gebrauch
im Laufe des 17. Jahrhunderts vereinfacht und neutra
lisiert. Gar zu üppige Rahmen sind nur in ganz ge
ringer Anzahl von Fällen für Bilder berechnet gewe
sen. Viel eher darf man bei solchen die ursprüngliche
Verwendung für Spiegel annehmen. Im 17. Jahrhun
dert hat man einen neuen und überaus fruchtbaren
Typ erfunden, den wir konventioneller Weise den
Holländer- oder Rippleistenrahmen nennen. Es ist
aber gewiß, daß dieser Rippleistenrahmen auch in Ita-