Internationale
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Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde,
Herausgeber: Norbert Ehrlich.
18. Jahrgang. Wien, 15. März 1926. Nr. 6.
c Die vierte JTlax Strauß-Auktion.
Mit der Bildersammlung, die am 22. und 23. März
im Wiener Ktinstlerbause unter den Hammer kommt,
schließt die Reihe der Max Strauß-Auktionen ab,
von denen drei von der Firma Glückselig allein
durchgeführt wurden, während die letzte von Glück
selig und C. J. W a w r a gemeinsam veranstaltet wird.
Was Dr. Max Strauß an Bildern besaß, ist weite
sten Kreisen durch das prachtvolle Strauß-Werk bekannt
geworden, das S. Glückselig herausgegeben hat:
für die Auktion haben Direktor Dr. Robert Eigen
berge r und Dr. Otto Bene sch die Abteilung „Alte
Gemälde," die einen wesentlichen Teil der Sammlung
ausmacht, neu bearbeitet. Sie sind dabei gründlich vor
gegangen und haben alle Zuweisungen der Bilder, auch
jener, die bereits in die kunstwissenschaftliche Literatur
Eingang gefunden haben, vom Standpunkt der modernen
Forschung aus stilkritisch überprüft. Das Ergebnis war
vorauszusehen. Alle, alle wurden „gerecht befunden,"
keines, das vor den strengen Richtern nicht bestanden
hätte.
Im ganzen enthält die jetzt zur Versteigerung kom
mende Sammlung 78 Bilder alter und moderner Meister;
die restlichen 173 Nummern verteilen sich auf Minia
turen, Aquarellbildnisse, Handzeichnungen und Kupfer
stiche. Der Gesamtwert der Sammlung beträgt ca. 500.000
Schilling. An der Tete marschiert das mit 40.000 S be
wertete „Familienporträt Giersters" von Waldmüller.
Das Bild, das vom Meister signiert und von 1838 da
tiert ist, zeigt Josef Gierster in der Uniform eines Haupt
mannes des Bürgergardekorps, zu seiner Rechten steht
seine Tochter. Links sitzt Frau Katharina Gierster in
weißem, spitzenbesetztem Seidenkleid vor einem dunkel
roten Vorhang, vor sich einen Knaben in violettem
Samtkleidchen mit schwarzem Gürtel. Der Jüngste, ein
hübscher, blondgelockter Junge, steht neben seiner Mutter
am Lehnstuhl. Hinter dieser Gruppe sieht man die Köpfe
eines jungen Mädchens und eines Knaben. Auf einem
Tischchen steht das Bild zweier verstorbener Kinder
Giersters und eine Vase mit Blumen. Außer diesem Ge
mälde weist die Sammlung auch von Waldmüller „Das
Porträt einer Wiener Bürgersfrau" auf, das im Rößler-
Werk erstmalig abgebildet wurde. Schätzwert 8000 S.
Dem Familienporträt Gierster zunächst rangiert an
Wert die „Ländliche Kirmeß“ von Isaak van O stade,
die mit 30.000 S taxiert ist. Es ist ein charakteristisches
Werk des Künstlers, das 1872 bei der Versteigerung
J. Gillott in London in den Besitz Charles Sedelmeyers
gelangte und von dort in die Sammlung Dr. Strauß
kam. An den verwitterten, von Gesträuch überzogenen
Umgrenzungsmauern einer Ortschaft hat ein Quacksalber
seinen Stand mit Podium und Vorhang aufgeschlagen,
Kinder und Erwachsene sehen zu, wie der Besitzer der
Bude die Bauern beschwatzt. Jakob van R u i s d a e 1
ist durch eine felsige Landschaft vertreten. Das stellen
weise kraftvoll pastös gemalte Bild, das eine Gegend
von Berntheim darstellt, muß am Anfang der fünfziger
Jahre des 17. Jahrhunderts entstanden sein. Es befand
sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts in der Sammlung
Baron Weber in Wien, kam dann in die Sammlung
Grlinauer, hierauf in die Sammlung K. Henckel, aus der
es 1858 von W. Koller gekauft wurde. Jan David de
Hee m erscheint in der Sammlung mit einem „Still
leben", das aus der ersten Antwerpener Zeit des Mei
sters um 1650 stammt. Vor dem Mauerhintergrund einer
Nische liegt auf einer Tischplatte die malerische Fülle
des Stillebens: Mit seinem leuchtenden Karminzinnober
beherrscht ein Hummerkrebs farbig die Mitte, links ein
in bleichen Silbertönen liegender Aufsatz, herabhängend
das hellblaue Band einer Uhr, daneben der farbige
Obstaufsatz mit samtigen Tönen. Von T i e p o 1 o finden
wir die „Apotheose des Herkules“, eine Skizze für ein
Deckenfresko im Palazzo Canossa zu Verona. Vier Zen
tauren mit einer Gruppe von Putten, die die von Her
kules in der Wiege erdrückte Schlange tragen, bilden
den Mittelpunkt der Szene. Daneben die Siegesgöttin
mit dem Ruhmeskranz. Vorn Mars, dessen zinnoberroter
Mantel auf dunklem Gewölk glüht. Ein Canal etto
zeigt eine venezianische Vedute, die in ganz ähnlicher
Fassung in der Wallace-Kollektion in London vorhanden
ist, von Jan Steen kommt das aus den Reproduktionen
bekannte Bild „Der Wyn is een Spötter" (Der Wein
ist ein Spötter) zur Versteigerung. Vor einem Wirtshause
wird eine trunkene Frau von einem Burschen und einem
Mann auf einen Schubkarren geladen. Kinder stehen
spöttisch herum und aus Fenster und Tür herausblik-
kende Leute, sowie eine Magd am Ziehbrunnen links
im Hintergründe füllen die Szene.
Unter den Miniaturen ragt ein von Daniel
Saint auf Elfenbein gemaltes Porträt des Königs Lud
wig Bonaparte von Holland hervor, das auf 2500 Schil
ling geschätzt ist. Der König trägt die Uniform der Gre
nadiere der königlichen Garde, dazu das Großkreuz der
Ehrenlegion. I s a b e y figuriert mit dem Porträt einer
Dame in weißem Atlaskleid, ein Porträt von Robert