MAK
Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde, 
Herausgeber: Norbert Ehrlich. 
19. Jahrgang. Wien, 1. Jänner 1927. Nr. 1. 
Gleise um die c UDeft. 
£in fffofzschnittwerü für fKteine und Große. 
‘üon Friedrich Oppenheimer, ‘Wien, 
Diese. Reise um die Welt, von der nun die Rede 
sein soll, wurde nicht etwa, wie wahrwörtlich emp 
fohlen, mit dem Hute, sondern mit der Druckerpressc 
in der Hand angetreten und gleich vorweg soll betont 
werden, daß ihre Beginner auch damit ausgezeichnet 
durch das Land ihres künstlerischen Wollens kamen. 
Ein entzückendes winziges Büchel, das als Privatdruck 
aufgelegt wurde, trägt diesen Titel, und sein Bild 
schmuck ist durchwegs mit der Handpresse hergestellt, 
ln elf Holzschnitten ist von einer reizvollen Reise er 
zählt, die über Gebirge, Viadukte, Flüsse und durch 
Täler zu den Windmühlen Hollands führt, bei den 
Pyramiden' für die Zeit des Betrachtens und Umblät 
terns hält, um hierauf nach den Palmen Afrikas zu 
spähen, bei Indiens Tempeln zu rasten, am Meeresufer 
zu träumen und schließlich bei Amerikas Wolkenkrat 
zern endet. 
Die ausgezeichneten Holzschnitte sind Werk des 
jungen überaus begabten Malers Otto Rudolf 
Schatz, der sich als Graphiker von verblüffender 
Einmaligkeit erweist. Die Technik seiner Holzschnitte 
zeigt bei aller Schlichtheit der Darstellung jene künst 
lerische Meisterschaft, die in inniger Verknüpfung 
Komposition und dichterisches Fühlen aufs Wirk 
samste bestätigen. Schatz ist ein Jüngster, er zählt 
kaum siebenundzwanzig, dabei ein Fleißigster, schon 
rund vierhundert Blätter haben seine Werkstatt ver 
lassen, und der Superlative zur Schilderung seines 
künstlerischen Ichs wären eine Menge nötig. Das 
Revolutionäre seiner Mittel verleiht den Darstellungen 
zwingende Kraft und die Wege, die seine Technik hie 
zu wählt, waren noch unbegangen. Die Art, wie er 
die Dinge in den Raum stellt, sie in Bewegung aneinan 
der vorübergleiten läßt, ist ebenso neu wie köstlich. 
Der Dichter in ihm aber flieht das Reale, meidet dok 
trinäre Eindeutigkeit und geradezu verhöhnte Per 
spektive verhilft zu köstlichster Gestaltung, Neuer 
schaffung wie zum Beweis dafür, daß Schatz über 
scheinbare Nichtigkeiten in Vibration, in Paroxysmus 
gerät, was für alles Künstlerische so wichtig ist. 
Schatz ist Buchschmücker von außerordentlicher 
Kraft, dabei nicht etwa zünftiger Illustrator schlecht 
hin, sondern Mitschilderer, der im künstlerischen Er 
leben zum Interpreten wird. Der Buchschmuck ist ihm 
mehr als graphisches Beiwerk. So wird es verständ 
lich, daß seine einem Buche einverleibten Schöpfungen 
organisch zu dessen schönsten und wichtigsten Seiten 
werden. Er ist darin kein Neuling. Auch dieses intime 
Werkchen fügt sich in eine Reihe von Holzschnitt 
zyklen ein, wie Johannes von Saaz „Ackermann und 
der Tod“, ein Balladenbuch und vornehmlich ein 
durchweg geschnittener Band, nämlich Josefs Luit 
polds „Entwurzelter Baum“, worin beide das Schick 
sal eines Baumes erzählen. 
Schatz ist Neuerer und Stürmer. Die Abkehr vom 
Expressionismus, die sich in der Kunstbewegung 
immer mehr geltend macht, und das Wiederfinden zu 
künstlerisch-religiöser Gegenständlichkeit, zur „neuen 
Sachlichkeit“, erfaßte auch ihn. Der Weg, den er 
betrat, führt zu neuem Werden. Schatz ist ein Schöp 
ferischer. Kaum kann die Hand dem Wollen folgen. 
Er eilt seiner Zeit voran und ist mit ihr. Was er dem 
Tag ablauscht, erzählt er weiter: Auf Blättern, in 
Büchern, in Journalen. 
Diese knappen Feststellungen erhärtet nun das 
intime Werkchen, die „Reise um die Welt“. Ein flott 
hingeworfenes Frontispiz ist der Blätterfolge künst 
lerische Einleitung: ein Rundstrich, worauf die Lettern 
des Wortes „Reise um die Welt“ stehen, symbolisieren 
förmlich die Verheißung, es gehe rund um den Erd 
ball. Wie geistreich ist ein einsames Kreuzchen auf 
ein Brücklein gesetzt, das wenige Striche (Schnitte) 
über einen Gebirgsfluß spannen, um solchermaßen von 
seinem reißenden Wasser zu erzählen, wie brandrot 
die Pyramiden gefärbt, die von sengender Wüsten 
sonne berichten, wie bunt die Tempel Indiens mit 
ihren roten Säulen, gelbem Schnitzwerk, . grünen 
Dächern und blauem Gelände, und lächelnd betrachtet 
man das witzige Blatt „Amerika“, wo Schatz den Wol 
kenkratzern Häuserzwerge gesellt, die ihnen bloß zum 
Wadenmezzanin reichen. 
Zu diesen reizenden Bildern hat Kunstschriftstel 
ler Max R o d e n formvollendete Verse geschrieben. 
Gehaltvoll, gemütstief, geistreich. Schatz schnitt sie 
in erlesener Schrift, band Bilder und Verse vornehm 
in roten Maroquin; eine Köstlichkeit kam zustande. 
Sie verdient vollauf den Namen ihres graphischen 
Schöpfers.
	        
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