MAK
Internationale Sammler-Zeitung 
Nr, 9 
Seite 164 
und dies macht ihn, wie ich schon sagte, zum er 
regendsten von allen. Von Tag zu Tag wird er 
schwieriger, jeder neue Tag vermehrt die Möglich 
keiten, getäuscht zu werden. Welche Befriedigung 
aber, wenn man Sieger bleibt, wenn man alle Gefahren 
überwunden, alle Listen durchschaut hat und wenn 
man mit einem untadeligen, an einwandfreiem Orte 
gefundenen Stück nachhause zurückkehrt. 
Persien bietet ein gutes Jagdgebiet, in dem ich 
jetzt schon heimisch bin. Zum drittenmal halte ich 
hier Treibjagden ab. Heute kenne ich schon die Oert- 
lichkeit, die Schlupfwinkel, in denen sich das Wild 
verbirgt, die günstigsten Orte es zu belauern, die 
Stellen, an denen es vorbeistreicht. Mit dem zahllosen 
Volk der Jäger, der Treiber, der Wilddiebe stehe ich 
in Verbindung; und mit den großen Herren, deren 
Jagdgebiete der Allgemeinheit unzugänglich sind, 
verknüpfen mich freundschaftliche Beziehungen. 
Man darf weder Ermüdung, noch endlose Wege 
fürchten, von denen man mit leeren Händen heim 
kehrt. Mit Geduld muß man sich wappnen, die nicht 
nachläßt, Stunden, Tage und Wochen muß man zu 
warten verstehen, und niemand darf man barsch ab 
weisen. Die Dellals werden Dinge vor euch ausbreiten, 
die keine Farben und keine Form zeigen, nachge 
ahmte Fayencen und falsche Miniaturen. Aergert euch 
nicht: es kommt der Tag, an dem'plötzlich aus ihren 
schmierigen Kleidern das „schöne Stück“ auftaucht. 
Man macht lange und scheinbar zwecklose Be 
suche bei einigen großen Herren, die, wie einem ver 
sichert wurde, einen Familienschatz von alten Manu 
skripten und Miniaturen verwahren. Man wechselt 
die schmeichelhaften Nichtigkeiten mit ihnen, wie 
persische Höflichkeit sie vorschreibt, leert unendlich 
viele Tassen überzuckerten Tees, berührt mit dem 
Ende seines Löffels das gefährliche Vanille-Eis, das 
ein Diener in Socken, doch ohne Schuhe, einem vor 
setzt; und nach endlosen Einleitungen darf man dann 
den Wunsch aussprechen, die Bücher zu besichtigen, 
die zu verwahren Seine Exzellenz so glücklich ist. 
Seine Exzellenz erwidert, daß diese Schätze in Kisten 
verschlossen seien, daß es Zeit brauche, sie herbei 
zuschaffen, daß diesbezügliche Aufträge erteilt wer 
den sollten und daß sie sich glücklich schätzen würde, 
euch in drei Tagen zur selben Stunde wieder zu emp 
fangen. 
Zur bestimmten Zeit findet ihr euch wieder ein. 
Seine Exzellenz trefft ihr aber diesmal nicht an, nicht 
etwa, weil sie die Absicht gehabt hätte, die Verein 
barung nicht einzuhalten, doch Seine Exzellenz ist bei 
Hof zurückgehalten worden. Und läßt sich denn ein 
Perser zum Sklaven der Zeit machen? Außer dem 
Aufgang und dem Untergang der Sonne gibt es ja in 
Persien keine Zeitbestimmung. Exzellenz meinte zwei 
Stunden vor Einbruch der Nacht; man merkt wohl, 
wie unbestimmt eine solche Angabe ist. 
Endlich erscheint der hohe Herr. Wieder werden 
lange blumenreiche Höflichkeiten getauscht; Thee 
und Eis wird gereicht. Endlich, über euren neuer 
lichen Wunsch, erhält der Diener einen Auftrag. Er 
entfernt sich und kehrt mit einem in alten Stoff ge 
hüllten Paket zurück. Das Herz beginnt euch heftiger 
zu pochen. Was mag sich unter dem alten Brokat, 
der in so schönen Farben leuchtet, verbergen? Seine 
Exzellenz reicht euch ein Manuskript in altem schad 
haft gewordenem Einband. Das Buch ruht geschlossen 
in euren Händen . . . 
Und nun — wenn ihr die blauen, schwarzen und 
goldenen Malereien leidenschaftlich liebt, ihre Ver 
zierungen, so fein wie Haare und mit einer solchen 
Sicherheit gezeichnet, daß es kaum möglich scheint, 
daß Menschenhand dies imstande war; wenn ihr die 
Miniaturen liebt, auf denen in amarantfarbenen Bro 
kat gekleidete Liebespaare an den blütenreichen Ge 
staden eines Flusses im Schatten von Platanen wan 
deln, die Herbststimmung golden färbt — oder Reiter, 
die auf Pferden sitzen, deren Beine überschlank sind, 
die den feinen Kopf auf langem Halse vorstrecken 
und auf mattem Wüstensand über Büschel wilder 
Nelken springend Gazellen verfolgen, während Zu 
seher sie betrachten, deren Köpfe allein den Hügel 
überragen, der ihre Körper verdeckt und sich von 
dem tiefen Blau eines Himmels abheben, auf dem nach 
chinesischer Manier stilisierte Wolken schweben; 
wenn ihr die Betrachtung eines Kampfgetümmels 
liebt, mit zahllosen Waffen, die auf zerspaltenc 
Schädel niedersausen, mit glitzerndem Gold der Sturm 
hauben, gespannten Armbrüsten, sich bäumenden 
Pferden . . . Oder auch ruht ein König auf einer Wiese; 
um ihn vor den Strahlen der Sonne zu schirmen, die 
auf orangefarbenem Himmel dem Horizont zusinkt, 
ist ein herrlicher Teppich über ihn gespannt; Diener 
bereiten abseits das Abendmahl. Einer schöpft Wasser 
aus dem Bach, der zwischen den Gräsern rieselt, ein 
anderer röstet ein Lamm über der Glut; der König 
ist müde, er langweilt sich ... Da naht auch schon ein 
Herr seines Gefolges in tief niederfallendem hoch 
rotem Gewand und führt ihm, ya Allah, ein wunder 
volles Mädchen zu. Ach, dieses Antlitz voll Liebreiz, 
der herrliche Schwung der Augenbrauen, dieser 
winzige Mund! Weich ist die Hüfte wie eine junge 
Weide und gerade wie eine Zypresse! Die Füße 
gleichen denen eines Kindes und zarte braune Locken 
umrahmen die jugendlichen Wangen! Ihr Kleid ist 
mit Zobelmarder besetzt und auf seiner grünen Seide 
sieht man goldene Vögel, trunken vor Liebe, sich 
Schnäbeln . . . Wenn ihr die Meisterschaft, die Ge 
schmeidigkeit, die Offenbarungen und die Verschleie 
rungen einer verfeinerten Kunst liebt, Rhythmus der 
Formen, mögen sie lieblich oder düster gehalten sein, 
Reichtum der Farben — dann werdet ihr diesen 
Augenblick in höschter Erregung durchleben. Ihr 
zögert. Wird es ein Behzad, ein Sultan Mohammed 
oder ein noch wertvollerer unbekannter Meister aus 
dem vierzehnten Jahrhundert sein? 
Ihr schlagt das Manuskript auf und laßt es sofort 
wieder zuklappen. Ein einziger Blick von der Kürze 
eines Blitzes auf eine der Miniaturen hat alle eure 
Hoffnungen vernichtet. Nichts ist es damit; eine 
minderwertige Kopie, die aus den Zeiten der Deka 
denz stammt, ein wertloses Buch, unbrauchbar-, ganz 
unbrauchbar. Hich, laich nist — wie die Perser sagen. 
Sollte aber der seltene Glücksfall eintreten, daß 
das Buch gut wäre, solltet ihr endlich das Meister 
werk in euren Händen halten, nach dem ihr seit langer 
Zeit forscht, dann seid auf eurer Hut! Euch gegen 
über sitzt ein aufmerksamer Beobachter, ein kluger, 
schlauer Mann, dem die orientalische Verstellungs 
kunst, mit der verglichen die eure nur Kinderspiel ist, 
in Fleisch und Blut übergegangen ist. Er spielt den 
Gleichgültigen; er spricht mit seinem Diener, doch 
ohne es sich merken zu lassen, durchbohrt er euch mit 
seinen Blicken und sucht er auf dem Grund eurer 
Seele zu lesen. Verlöscht den Freudenstrahl, der einen 
Augenblick in euren Augen aufblitzte; behaltet eure 
Stimme und eure Gesten in der Gewalt; durchblättert 
das Manuskript ohne Hast, doch auch nicht zu lang 
sam; reicht es seinem Besitzer zurück und nehmt die 
Unterhaltung wieder auf. 
Ihr erklärt Seiner Exzellenz, daß ihr wohl alte 
Werke sucht, doch daß ihr eigentlich außerstande seid
	        
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