Internationale Sammler-Zeitung
Nr, 9
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und dies macht ihn, wie ich schon sagte, zum er
regendsten von allen. Von Tag zu Tag wird er
schwieriger, jeder neue Tag vermehrt die Möglich
keiten, getäuscht zu werden. Welche Befriedigung
aber, wenn man Sieger bleibt, wenn man alle Gefahren
überwunden, alle Listen durchschaut hat und wenn
man mit einem untadeligen, an einwandfreiem Orte
gefundenen Stück nachhause zurückkehrt.
Persien bietet ein gutes Jagdgebiet, in dem ich
jetzt schon heimisch bin. Zum drittenmal halte ich
hier Treibjagden ab. Heute kenne ich schon die Oert-
lichkeit, die Schlupfwinkel, in denen sich das Wild
verbirgt, die günstigsten Orte es zu belauern, die
Stellen, an denen es vorbeistreicht. Mit dem zahllosen
Volk der Jäger, der Treiber, der Wilddiebe stehe ich
in Verbindung; und mit den großen Herren, deren
Jagdgebiete der Allgemeinheit unzugänglich sind,
verknüpfen mich freundschaftliche Beziehungen.
Man darf weder Ermüdung, noch endlose Wege
fürchten, von denen man mit leeren Händen heim
kehrt. Mit Geduld muß man sich wappnen, die nicht
nachläßt, Stunden, Tage und Wochen muß man zu
warten verstehen, und niemand darf man barsch ab
weisen. Die Dellals werden Dinge vor euch ausbreiten,
die keine Farben und keine Form zeigen, nachge
ahmte Fayencen und falsche Miniaturen. Aergert euch
nicht: es kommt der Tag, an dem'plötzlich aus ihren
schmierigen Kleidern das „schöne Stück“ auftaucht.
Man macht lange und scheinbar zwecklose Be
suche bei einigen großen Herren, die, wie einem ver
sichert wurde, einen Familienschatz von alten Manu
skripten und Miniaturen verwahren. Man wechselt
die schmeichelhaften Nichtigkeiten mit ihnen, wie
persische Höflichkeit sie vorschreibt, leert unendlich
viele Tassen überzuckerten Tees, berührt mit dem
Ende seines Löffels das gefährliche Vanille-Eis, das
ein Diener in Socken, doch ohne Schuhe, einem vor
setzt; und nach endlosen Einleitungen darf man dann
den Wunsch aussprechen, die Bücher zu besichtigen,
die zu verwahren Seine Exzellenz so glücklich ist.
Seine Exzellenz erwidert, daß diese Schätze in Kisten
verschlossen seien, daß es Zeit brauche, sie herbei
zuschaffen, daß diesbezügliche Aufträge erteilt wer
den sollten und daß sie sich glücklich schätzen würde,
euch in drei Tagen zur selben Stunde wieder zu emp
fangen.
Zur bestimmten Zeit findet ihr euch wieder ein.
Seine Exzellenz trefft ihr aber diesmal nicht an, nicht
etwa, weil sie die Absicht gehabt hätte, die Verein
barung nicht einzuhalten, doch Seine Exzellenz ist bei
Hof zurückgehalten worden. Und läßt sich denn ein
Perser zum Sklaven der Zeit machen? Außer dem
Aufgang und dem Untergang der Sonne gibt es ja in
Persien keine Zeitbestimmung. Exzellenz meinte zwei
Stunden vor Einbruch der Nacht; man merkt wohl,
wie unbestimmt eine solche Angabe ist.
Endlich erscheint der hohe Herr. Wieder werden
lange blumenreiche Höflichkeiten getauscht; Thee
und Eis wird gereicht. Endlich, über euren neuer
lichen Wunsch, erhält der Diener einen Auftrag. Er
entfernt sich und kehrt mit einem in alten Stoff ge
hüllten Paket zurück. Das Herz beginnt euch heftiger
zu pochen. Was mag sich unter dem alten Brokat,
der in so schönen Farben leuchtet, verbergen? Seine
Exzellenz reicht euch ein Manuskript in altem schad
haft gewordenem Einband. Das Buch ruht geschlossen
in euren Händen . . .
Und nun — wenn ihr die blauen, schwarzen und
goldenen Malereien leidenschaftlich liebt, ihre Ver
zierungen, so fein wie Haare und mit einer solchen
Sicherheit gezeichnet, daß es kaum möglich scheint,
daß Menschenhand dies imstande war; wenn ihr die
Miniaturen liebt, auf denen in amarantfarbenen Bro
kat gekleidete Liebespaare an den blütenreichen Ge
staden eines Flusses im Schatten von Platanen wan
deln, die Herbststimmung golden färbt — oder Reiter,
die auf Pferden sitzen, deren Beine überschlank sind,
die den feinen Kopf auf langem Halse vorstrecken
und auf mattem Wüstensand über Büschel wilder
Nelken springend Gazellen verfolgen, während Zu
seher sie betrachten, deren Köpfe allein den Hügel
überragen, der ihre Körper verdeckt und sich von
dem tiefen Blau eines Himmels abheben, auf dem nach
chinesischer Manier stilisierte Wolken schweben;
wenn ihr die Betrachtung eines Kampfgetümmels
liebt, mit zahllosen Waffen, die auf zerspaltenc
Schädel niedersausen, mit glitzerndem Gold der Sturm
hauben, gespannten Armbrüsten, sich bäumenden
Pferden . . . Oder auch ruht ein König auf einer Wiese;
um ihn vor den Strahlen der Sonne zu schirmen, die
auf orangefarbenem Himmel dem Horizont zusinkt,
ist ein herrlicher Teppich über ihn gespannt; Diener
bereiten abseits das Abendmahl. Einer schöpft Wasser
aus dem Bach, der zwischen den Gräsern rieselt, ein
anderer röstet ein Lamm über der Glut; der König
ist müde, er langweilt sich ... Da naht auch schon ein
Herr seines Gefolges in tief niederfallendem hoch
rotem Gewand und führt ihm, ya Allah, ein wunder
volles Mädchen zu. Ach, dieses Antlitz voll Liebreiz,
der herrliche Schwung der Augenbrauen, dieser
winzige Mund! Weich ist die Hüfte wie eine junge
Weide und gerade wie eine Zypresse! Die Füße
gleichen denen eines Kindes und zarte braune Locken
umrahmen die jugendlichen Wangen! Ihr Kleid ist
mit Zobelmarder besetzt und auf seiner grünen Seide
sieht man goldene Vögel, trunken vor Liebe, sich
Schnäbeln . . . Wenn ihr die Meisterschaft, die Ge
schmeidigkeit, die Offenbarungen und die Verschleie
rungen einer verfeinerten Kunst liebt, Rhythmus der
Formen, mögen sie lieblich oder düster gehalten sein,
Reichtum der Farben — dann werdet ihr diesen
Augenblick in höschter Erregung durchleben. Ihr
zögert. Wird es ein Behzad, ein Sultan Mohammed
oder ein noch wertvollerer unbekannter Meister aus
dem vierzehnten Jahrhundert sein?
Ihr schlagt das Manuskript auf und laßt es sofort
wieder zuklappen. Ein einziger Blick von der Kürze
eines Blitzes auf eine der Miniaturen hat alle eure
Hoffnungen vernichtet. Nichts ist es damit; eine
minderwertige Kopie, die aus den Zeiten der Deka
denz stammt, ein wertloses Buch, unbrauchbar-, ganz
unbrauchbar. Hich, laich nist — wie die Perser sagen.
Sollte aber der seltene Glücksfall eintreten, daß
das Buch gut wäre, solltet ihr endlich das Meister
werk in euren Händen halten, nach dem ihr seit langer
Zeit forscht, dann seid auf eurer Hut! Euch gegen
über sitzt ein aufmerksamer Beobachter, ein kluger,
schlauer Mann, dem die orientalische Verstellungs
kunst, mit der verglichen die eure nur Kinderspiel ist,
in Fleisch und Blut übergegangen ist. Er spielt den
Gleichgültigen; er spricht mit seinem Diener, doch
ohne es sich merken zu lassen, durchbohrt er euch mit
seinen Blicken und sucht er auf dem Grund eurer
Seele zu lesen. Verlöscht den Freudenstrahl, der einen
Augenblick in euren Augen aufblitzte; behaltet eure
Stimme und eure Gesten in der Gewalt; durchblättert
das Manuskript ohne Hast, doch auch nicht zu lang
sam; reicht es seinem Besitzer zurück und nehmt die
Unterhaltung wieder auf.
Ihr erklärt Seiner Exzellenz, daß ihr wohl alte
Werke sucht, doch daß ihr eigentlich außerstande seid