Nr. 7
Internationale Sammler-Zeitung
Seite 63
Chronik.
AUTOGRAPHEN.
(Der Nachlaß Wilhelm Heyer.) Am 9. und 10.
Mai kommen im Geschäftslokal des Antiquariats Leo Liep-
mannssohn in Berlin Musikbücher, praktische Musik
und Musiker-Autographen aus dem Nachlaß von Wilhelm
Heyer (Köln) zur Versteigerung. Die Auktion erfolgt unter
Leitung des Herrn Leo Liepmannssohn durch die Firmen
Liepmannssohn und Karl Ernst H e n r i c i.
BIBLIOPHILIE.
(Die Lobkowitz-Bibliothek.) Aus Prag wird
uns gemeldet: In nächster Zeit wird die Entscheidung über
den Ankauf der Lobkowitz-Bibliothek durch den
Staat fallen. Die Bibliothek wurde ihm zum Preise von fünf
Millionen Kronen angeboten. Der Abverkauf ins Ausland
wurde nicht gestattet, weil sie wertvolle U n i k a enthält, von
denen eines auf eine Million geschätzt wurde.
(Eine pietätvolle Bücherfälschung.) Ein
Brüsseler Blatt frischt eine Anekdote auf, die an das tragische
Geschick der kürzlich verstorbenen Kaiserin Charlotte von
Mexiko anknüpft. Wie inan weiß, hat die Verstorbene nie
etwas von der Hinrichtung ihres Gemahls erfahren, der am
19. Juni 1867 in Queretaro unter der Salve eines Exekutions
kommandos endete. Sie hielt sich bis zu ihrem Tode für die
Gattin ihres in Mexiko sich befindenden Gemahls, und um sie
in diesem Glauben zu belassen, hatte man den Gothaischen
Hofkalender entsprechend geändert. In der Aus
gabe des Jahres 1868 wurde in einigen Exemplaren ein be
sonderes Blatt eingelegt, auf dem die belgische Prinzessin
noch mit dem Titel der Gattin Maximilians aufgeführt war,
während sie in der übrigen Auflage als Witwe Maximilians
verzeichnet war. Da die Kaiserin Charlotte bald darauf in
völlige geistige Umnachtung verfiel und keinen Anteil mehr
an den Geschehnissen der Welt nahm, erübrigte sich dieser
fromme Betrug. Von den gefälschten Exemplaren des Gothai
schen Hofkalenders vom Jahre 1868 befinden sich noch einige
Exemplare in Brüssel.
(Neue Kleist-Dokumente.) Nachdem von den
Herausgebern der kritischen Kleist-Ausgabe Erich Schmidt
und Reinhold Steig nicht mehr unter den Lebenden weilen, hat
Georg Minde-Pouet die Neubearbeitung der Ausgabe, die
wieder beim Bibliographischen Institut in Leipzig erscheint,
allein übernommen. Zuerst wird der Briefband neu heraus
kommen. Dieser wird, wie Minde-Pouet in der Berliner Ge
sellschaft für deutsche Literatur mitteilte, um etwa zwanzig
Stücke vermehrt sein. Von den meisten Briefen konnten die
Besitzer, die seit 1905 vielfach gewechselt haben, festgestellt
und so durch Vergleichung mit den Originalen zahlreiche
Lesarten berichtigt werden. Besonders bemerkenswert ist
der Fund eines stichwortartig angelegten Entwurfs zu der
Einleitung der Tieckschcn Kleist-Ausgabe; er ist von Wilhelm
von Schütz’ Hand geschrieben, der also offenbar der Ver
fasser dieser Einleitung war, die in ihren Grundlagen auf
Marie von Kleist zurückgeht. Auch dies spricht dafür, daß
die Beziehungen Tiecks zu Kleist nur sehr lose waren, ein
weiterer Beweis gegen die unwahrscheinliche Scher ing-
sche Hypothese, nach der Kleist der eigentliche Dichter der
Vittoria Accorombona sein soll.
(Ein literarisches Selbstbildnis Stend-
h a 1 s.) Den Verehrern Stendhals bringt Emilie Henriot
im „Temps“ die erfreuliche Kunde von der baldigen Publika
tion eines bisher unedierten Romanfragments, das den Titel
trägt: „Une Position sociale“. Es ist im Herbst 1832 verfaßt
worden, das heißt, während Stendhals Konsulatszeit in Civi-
tavecchia, und bietet, wie es scheint, ein amüsantes und leben
diges Bild von der französischen Botschaft in Rom um 1830.
Das Manuskript, das 90 Seiten umfaßt, gibt in den Randbemer
kungen wertvolle Aufschlüsse über Stendhals Arbeitsmethode,
Selbstkritiken usw. In einer dieser Anmerkungen nimmt er
sich vor, seinen Stil zu „brillantieren“ und „gelbe Handschuhe
anzuziehen“, denn er ist zur folgenden Einsicht gekommen:
„Der Abscheu vor dem Geschwätz, vor der diffusen Schreib
art, welche die Unfähigkeit in Paris in Mode gebracht hat, hat
mich zu weit getrieben.“
BILDER.
(Ein echter Do natello inUebersee.) Wie aus
München berichtet wird, soll sich im Besitze des Malers
Feinleit n er aus Uebcrsee bei Traunstein ein echter
D o n a t e 11 o im Werte von fast drei Milliarden Mark be
finden. Ein italienisches Museum soll sich für das Werk
interessieren.
(2 5 unbekannte Dürer-Zeichnungen.) Die
Dürer-Wissenschaft wird sich in nächster Zeit mit einer
wichtigen Entdeckung beschäftigen, die in Lemberg ge
macht worden ist. In der dortigen Galerie des Fürsten L u-
b o m i r s k i hat S. Reitlinger eine Serie von fünfund
zwanzig Zeichnungen Dürers gefunden, die bisher
unbekannt waren, und in deren Zahl sich, wie er im „Bur
lington Magazine“ mitteilt, das Selbstbildnis des vicrund-
zwanzigjährigen Dürer befindet. Die übrigen Handzeichnungen
sind Entwürfe für die Madonnen des Meisters und seine
graphischen Zyklen.
(Austeilung von M u s s o 1 i n i - P o r t r ä t s.) ln
Mailand wird demnächst eine ganze Spezialausstellung von
Porträts des Duce veranstaltet werden, die auch für inter
nationale Beteiligung offensteht. Von Mailand aus soll sie noch
nach mehreren anderen Städten Italiens wandern. Es dürfte
die erste Ausstellung sein, in der alle Bilder den gleichen
Gegenstand behandeln.
NUMISMATIK.
(Die zürcherische Pestalozzidenkmünze
von 1 846.) Anläßlich des 100. Todestages Pestalozzis
erinnert die „N. Z. Z.“ an die zürcherische Pestalozzi-
denkmünze von 1846. Das Blatt schreibt: Diese Medaille
ist in mehr als einer Hinsicht ein bemerkenswertes Stück. Sie
ist einmal als Arbeit des tüchtigen Winterthurners Friedrich
Aberli (1800- 1872) eine sehr ansehnliche Leistung, dann
aber auch wegen ihrer Entstehung interessant. Der Auftrag
zui Anfertigung der Denkmünze ging nämlich von zwei zür
cherischen Numismatikern aus, Gerold Meyer von Kno-
ri a u und Heinrich Landolt; das Stück ist also gewisser
maßen eine Privatprägung. Exemplare in Silber, Bronze und
Zinn liegen heute im Schweizerischen Landesmuseum, eine
silberne Ausprägung ist in der Pestalozziausstcllung vorhan
den. Der Avers zeigt das wohlgelungene Profilbild Pestalozzis,
der Revers eine in zwei . Varianten vorhandene Legende:
Henrico Pestalozzi populi ad veram humanitatem instituendi
duci prirnario hoc grati animi rrionumentum dicutum esto.
Ao. viri immort. secul. MDCCCXLVI. — Die zweite Fassung
des Textes nennt die Urheber der Münzprägung: Henrico
Pestalozzio concivi immortali H. Landolt et G. Meyer de
Knonau grato animo dicaverunt. Ao. MDCCCXLVI.
Heinrich Landolt (1792—1847), Spitalamtskassier und
Stadtsäckelmeister in Zürich, war wie sein Vater sehr ge
schätzt als Direktor des Münzkabinettes der Stadtbibliothek.
Seine reiche Privatsammlung wurde nach seinem Tode auf
gelöst, kam aber als Bestandteil einer anderen zürcherischen
Sammlung 1916 ins Landesmuseum. Die Landoltsche Samm
lung enthielt eine beträchtliche Anzahl seltener und tadellos
erhaltener Münzen und Medaillen. Gerold Meyer von
Knonau (1804—1858), Gründer und Neuordner des zürche
rischen Staatsarchivs, ausgezeichneter und geschätzter Ge
schichtskenner hat den Anstoß zur Herausgabe des Züricher
Taschenbuchs gegeben und 1852 die Münzsammlung des
Staatsarchivs begründet. Als private Sammlung erwarb er die
schweizerischen Stücke der Kollektion Isenschmid von Bern,
die eine große Zahl merkwürdiger und höchst seltener Exem
plare enthielt. Durch seinen Sohn, Prof. Gerold Meyer von
Knonau, ist diese Sammlung im Jahre 1919 ebenfalls dem
Landesmuseum geschenkt worden und wird dort unter der
Bezeichnung „Isenschmid-Meyer von Knonausche Sammlung"
aufbewahrt.
PHILATELIE.
(Ausstellung „W i e n und die Wiener.) Auf der
Ausstellung „Wien und die Wiener“, die im Juni d. J. in
W i e n stattfindet, wird die österreichische Postverwaltung
eine Uebersicht über die Entwicklung der Post in Oesterreich
bieten. Das Illustrationsmaterial wird den Beständen des Post-
museums entnommen w'erden.
VERSCHIEDENES.
(Dr. Edgar v. U b i s ch f.) Aus Berlin wird gemeldet:
Der ehemalige Direktor des Zeughauses, Gcheimrat Dr. Edgar
v. U bisch, ist gestorben. Als erster kunstwissenschaftlich
vorgebildeter Leiter der bis dahin im wesentlichen noch im
Geiste des alten Artilleriedepots militärisch verwalteten Samm
lungen wird mit seinem Namen die Umwandlung des Zeug
hauses in ein waffengeschichtlich, kunst- und kulturhistorisch
gleich bedeutsames Museum immer verknüpft bleiben. Ubischs
Verdienst um die sachgemäße Konservierung und Aufstellung
der kostbaren Waffen und Trophäen, Fahnen und Uniformen