MAK
Internationale 
$ammler-2cifunß 
Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde, 
Herausgeber: Norbert Ehrlich. 
19. Jahrgang. Wien, 1. Mai 1927. Nr. 9. 
2)/e Hfliniaturensammfung SJloriz JTlayr. 
Die Versteigerung der Miniaturensammlung 
Moriz Mayr, die am 16. Mai bei C. J. Wawra in 
Wien erfolgt, lenkt die Aufmerksamkeit der Samm- 
lerwelt auf einen Kunstbesitz, der sich seit langem 
eines ausgezeichneten Rufes erfreut. Gewährt er doch 
einen Ueberblick über ungefähr drei Jahrzehnte euro 
päischer Bildniskunst und führt gleichsam in einem 
Reigen internationaler Kunstbetätigung Miniaturen 
holländischer, englischer, französicher, italienischer 
und österreichischer Herkunft 
vor. 
Zu dem prachtvollen, mit 
zahlreichen Illustrationen (dar 
unter 3 farbigen) geschmückten 
Katalog hat Dr. Leo Grün 
stein, einer unserer besten 
Miniaturen-Kenner, ein Vor 
wort geschrieben, das der er 
lesenen Kollektion in vollstem 
Maße gerecht wird. Wir entneh 
men den Ausführungen Doktor 
Grünsteins folgende Daten: In 
einigen Oelbildnissen treten uns 
gleich mehrere der namhaften 
holländischen Porträt 
maler des 17., bez. ein flämi 
scher Künstler noch aus der 
Wende des 16. Jahrhunderts 
(Paul Vansomer) entgegen. 
In einem anonym gebliebenen 
Hüftbild eines 34jährigen hol 
ländischen Patriziers, welches 
die Datierung 1612 trägt und 
durch eine wohlabgewogene, 
wenn auch etwas nüchtern er 
scheinende Wirklichkeitsnach 
bildung auffällt, wären wir ge 
neigt, die künstlerische Handschrift eines Theodor de 
Keyser zu vermuten. Wir sehen weiters vom Delf 
ter Palamedes ein feindurchgebildetes Porträt 
eines holländischen Offiziers und vor allem das Brust 
bild eines blondgelockten Knaben, auf dessen wei 
chem Gesichtsoval das zärtlich aufschimmernde Licht 
Frans Halsscher Malkultur zu ruhen scheint. Auf 
die Art eines M i e r e v e 11 verweist das Bildnis eines 
jungen Mannes mit dunkelblondem Haar und röt 
lichem Schnurr- und Spitzbart. Eine Miniatur von 
Pieter Quast, dem gewiegten Schilderer abenteuer 
licher, grotesker Gestalten, zeigt uns einen der derb 
wüchsigen, von brutaler Lebensgier erfüllten Lands 
knechte, wie sie der Künstler auf seinen Pürschgän- 
gen im Zeichen Ostades des öfteren aufgelesen haben 
mag. Ein lebenskräftiges, überraschend gut gemaltes 
Brustbild eines alten Herrn mit virtuos hingesetzter 
Allongeperücke rührt von Quinkhardt her, dem 
geschickten Amsterdamer Miniaturisten und vielbe 
schäftigten Perückenmacher. Einen ragenden Gipfel 
der Mayrschen Sammlung be 
deuten die Miniaturen eng 
lischer Herkunft. Es befin 
den sich unter ihnen Stücke, die 
nicht nur durch ihren künst 
lerischen Gehalt, sondern auch 
durch ihren Seltenheitswert auf- 
fallen. So etwa unter den Klein 
bildnissen aus der ersten 
Hälfte des 18. Jahrhunderts: 
eine nicht sehr häufige Oel- 
miniatur von H o g a r t h, die 
in eindringlicher Charakteri 
stik die männlichherben Züge 
der Gattin des Künstlers wie 
dergibt, oder eine Elfenbein 
miniatur des geistreichen Illu 
strators und Radierers J. H. 
M o r t i m e r, welche den 
lebensklugen, ein wenig mali 
ziösen Gesichtsausdruck eines 
jungen Mannes von Welt zur 
Darstellung bringt. Wir be 
merken ferner aus der soge 
nannten zweiten klassischen 
Periode der englischen Minia 
turkunst ein Damenbildnis von 
Richard C o s w a y, das noch 
ganz vom Hauch eines überfeinerten Rokokoempfin 
dens getragen ist und mit zartem, fast überzärtlichem 
Pinsel auf den Deckel einer zeitüblichen Schildpatt 
dose hingehaucht wurde, ebenso das stilverwandte, 
nur um einige Nuancen kräftigere Damenporträt, das 
von der Hand seiner nicht minder begabten Gattin 
Maria herstammt. Unter den Vertretern der Cos- 
way-Schule tritt hier Andrew Plimer in bedeut 
samer Weise hervor. Der unermüdliche Dolmetsch 
modischer Elegance und Grazie legt in zwei delikat 
ausgeführten, fast ins Feminine gerückten Herren- 
Fig. 1: Daffinger, Selbstporträt des Künstlers.
	        
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