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Sehe 46 
Internationale Sammler- Zeitung. 
Nr. 5 
„Vertrauen“ hatte nun Speil dazu ausgenützt, in die von 
ihm mit der Maschine niedergeschriebenen Expertisen über 
mäßige Schätzungswerte hineinzuschmuggeln, die dann der 
Belehnung bei Gerhold & Weirich zugrundegelegt wurden. 
Eine „Thronende Madonna“ und eine „Heilige Nacht“, die 
Speil von Rischl zusammen um 700 Schilling gekauft hatte, 
wurden in der von Ritschl unterschriebenen Expertise mit 
3000 bis 4000 Schilling belehnbar bezeichnet. Ein „Hoher 
Priester mit Jesuskind“ von dem holländischen Maler N i e li 
la n d t, das von den gerichtlichen Sachverständigen auf 
900 Schilling geschätzt wurde, erscheint auf der durch Speil 
gefälschten Expertise Ritschls mit 12.000 Schilling bewertet. 
Ein kleines Bild von Johann Knapp, Blumen darstellend, 
wurde statt mit 200 mit 2500 bewertet. 
Regierungsrat Ritschl verkaufte dem Angeklagten ein 
Bild von Peter Anton „Alkibiades und Lais“ um 2500 Schil 
ling, Später brachte Speil dieses Bild zwecks Restaurierung zu 
Ritschl und dieser bewertete es mündlich nach der Re 
staurierung mit 4000 Schilling. In der der Pfandleihanstalt 
vorgewiesenen maschinschriftlichen Expertise erscheint dieses 
Bild mit 1 4.0 0 0 Schilling bewertet und die Pfandleih- 
anstalt. hat darauf ein Darlehen von 1 1.5 0 0 Schilling ge 
währt. Die gerichtlichen Sachverständigen schätzten das Bild 
auf 8 0 0 Schilling. 
Regierungsrat Ritschl, der im Zuge des Strafverfahrens 
gegen Speil als Zeuge einvernommen wurde, sagte, daß er in 
den meisten Expertisen nur eine Beschreibung des betreffen 
den Bildes und nur in einigen Fällen eine Wertangabe vor 
genommen hatte. Im Vertrauen auf die Korrektheit des Speil 
habe er diesem sogar nur bianco unterschriebene 
E x p e r t i s en formulare übergeben, damit Speil auf die 
selben die handschriftliche Expertise mit der Maschine über 
trage. Ritschl gibt allerdings zu, daß er gesprächsweise 
in allem Fällen Wertangaben gemacht hat, und zwar 
solche, die die gerichtlichen Schätzungen des Kurswertes um 
ein Mehrfaches, in einem Falle um das Zwanzigfache 
übersteigen. 
Speil verantwortet sich damit, daß er diese Schätzungen 
des Regierungsrates Ritschl in die Maschinschrift dieser Ex 
pertisen übertragen habe und behauptet sogar, daß er nie 
einen höheren Wert als den von Regierungsrat Ritschl 
genannten in diese Expertise aufgenoinmen habe. Ritschl be 
streitet aber dies. Speil beruft sich auf Kunstsachverständige, 
die sich ihm gegenüber in dem Sinne äußerten, daß seine 
Bilder sehr wertvoll seien und daß er durch den Verkauf 
derselben zu hohen Preisen ein reicher Mann werden ward. 
Diese Kunstsachverständigen wurden als Zeugen einvernom 
men und konnten sich an solche Aeußerungen n i ch t erinnern. 
Im Gegenteil. Sie 'wiesen auf die flaue Tendenz auf dem 
internationalen Kunstmarkt hin. Die großen Wertdifferenzen 
in dem Gutachten von Ritschl und den gerichtlichen Sach 
verständigen haben ihren Grund darin, daß Ritschl die Bilder 
als Künstler bewertete, während die Gerichtssachverständigen 
die Preise im internationalen Kunsthandel ihren Gutachten 
zugrundelegten. Die Staatsanwaltschaft steht auf dem Stand 
punkt, daß der Angeklagte Speil bis zu der Grenze der Wert 
angaben des Regicrungsrates Ritschl in gutem Glauben ge 
handelt und die Pfandleihanstalt Gerhold & Weirich nur durch 
die eigenmächtige Erhöhung dieser Wertungen wissentlich 
irregeführt und geschädigt habe. 
Speil behauptet, es sei seine Absicht gewesen, die Bilder 
einstweilen günstig belehnen zu lassen, dann auszulösen und 
im Ausland im Versteigerungsweg zu verkaufen. Tatsache ist 
demgegenüber daß er den größten Teil der Bilder verfallen 
ließ, zumal er wissen mußte, daß er für die Bilder nie und 
nirgends so viel bekommen könne, als die Darlehenssummen 
ausmachten. 
Zeuge Ritschl. 
Im Verhör bei der Verhandlung sagte Regierungsrat 
Ritschl als Zeuge, daß Speil zwar fälschlich in seine 
Expertise eine überaus hohe Bewertung eingestellt habe; doch 
kann gesagt werden, daß die Pfandleihanstalten im Rahmen 
einer Auktion bei entsprechender Aufmachung höhere Be 
träte als die gewährten Belehnungssummen hätten erzielen 
können. Die Pfandleihanstalt hatte nur Schaden erlitten, weil 
sie keine günstige Verkaufsgelegenheit hatte. Die Bewertung 
von Kunstgegenständen sei überhaupt sehr relativ; so habe 
der Zeuge ein Bild von Lucas Cranach, das sich im Besitze 
des Angeklagten befand, mit 3000 Schilling bewertet, während 
Kunsthändler dasselbe Bild auf 30.000 Schilling schätzten. Bei 
anderen Bildern bestand eine ähnliche Diskrepanz in ent 
gegengesetztem Sinne. Die Bewertung des Zeugen war eine 
viel h ö.h e r e als die von Kunsthändlern. Der Zeuge bemerkt 
aber, daß es sich bei denjenigen Bildern, die der Angeklagte 
von ihm gekauft hat, um eine weitgehende Uebcrwer- 
tung handelt, die keinesfalls gerechtfertigt er 
scheint 
Bezüglich der bianco-Expertiseh sagte Regierungsrat 
Ritschl, es sei vielfach vorgekommen, daß er infolge Zeit 
mangels leere Formularien mit seiner ■ Unter 
schrift versah, die dann Speil nach Gutdünken aus 
füllte. 
Die Sachverständigen. 
Das Gericht nahm auch eine Besichtigung der belehnten 
Bilder in der Pfandleihanstalt vor, bei der die sachverständi 
gen Kunsthändler Dominik A r t a r i a und Dr. Hugo Haber 
feld an Ort und Stelle ihre Gutachten abgaben. Die Herren 
äußerten sich dahin, daß sie ihrer Schätzung keine fiktiven 
Liebhaberwerte, sondern nur die Verkehrs-, Handels- bezw. 
Marktwerte zugrunde legen konnten. Es erschien den beiden 
Sachverständigen unverständlich, wieso derart h o h e, 
nach ihrer Ueberzeugung ganz ungerechtfertigte 
und durch den Wert der Pfandobjekte bei weitem 
nicht gedeckte Beträge auf Grund von Expertisen 
welche der Darlehensnehmer beibrachte, von einer Pfandleih- 
anstalt gegeben werden konnten. Sache der Pfandleihanstalt 
wäre es gewesen, die Pfänder von ihren eigenen Experten 
oder durch ihre eigenen Vertrauensleute auf ihren Verkehrs 
wert genau prüfen zu lassen. Diese gebotene Vorsicht ist 
jedoch außer Acht gelassen worden. Die Sachverstän 
digen sprachen die Ansicht aus, daß der beschuldigte Speil die 
mangelnde Obsorge sich zu Nutze gemacht, indem er für 
Kunstwerke, die er teils selbst erworben, ja sogar von Ritschl 
teils zum Verkauf aus dem Besitz von anderen Agenten oder 
Privaten übernommen hatte, weit über den Wert verpfändete, 
die Pfänder verfallen ließ, aus der Belehnungssumme die 
Eigentümer befriedigte und trotz alledem ein sehr gutes 
G e s c h ä f t machte. 
Was die Expertisen betrifft, so sind sämtliche mehr oder 
minder von Regierungsrat Ritschl optimistisch, geradezu 
phantastisch verfaßt. Den Sachverständigen drängt 
sich die Beobachtung auf, daß die Art, wie die Expertisen 
sowohl in sachlicher Weise abgefaßt, als auch bezüglich der 
Bewertung sich wenig fachmännisch erwiesen. Außer 
dem erschien es den Sachverständigen durchaus verfehlt, daß 
Expertisen im Konzept hinausgegeben und die Herstellung 
der Reinschrift dein Angeklagten als Besitzer allein über 
lassen wurde. Auch die Uebergabe .von Expertisenformularien 
rn bianco begründete eine Leichtfertigkeit. Dies 
alles führt zum Schlüsse der Sachverständigen, daß die 
Schätzungen im Bewußtsein gemacht wurden, für eine 
Belehnung zu diene n, denn bei Gutachten und Schät 
zungen von Kunstwerken ist es sonst üblich und angemessen, 
den Handels- oder Liebhaberwert e i n z u s ch ä t z e n. 
Die Quote der Belehnung ist aber Sache der Pfandleihanstalt, 
nie aber die des Expertisen. Was die große Divergenz zwi 
schen den Schätzungen und Belehnungsvorschlägen der Ex 
pertisen betrifft, ist zu bemerken, daß in Bezug auf den Preis 
von Kunstwerken der Ziffernrausch der Inflation noch nicht 
immer und überall überwunden erscheint, was eine Ueber- 
wertung seitens des Regierungrates Ritschl erklären mag und 
seine Gutgläubigkeit nicht ausschließt. 
Sodann wurde Hofrat Dr. August Schestag, Direktor 
des Oesterreichischen Museums für Kunst und Industrie, als 
Zeuge einvernommen Er bemerkte, daß auf dem Kunstmarkte 
seit ungefähr einem Jahr ein derartiger Rückgang der 
Preise zu beobachten war, daß diese Preise heute bereits um 
4 0 Prozent niedriger zu stellen sind. Auch die übrigen 
europäischen Märkte weisen einen bedeutenden Rückgang der 
Preise auf, wenn auch nicht in dem bezeichneten Maße. Aus 
nahmen bilden nur Kunstwerke allerersten Ranges, Originale 
von Rembrandt, van Dyck und ähnliche. 
Bei der dann im Gerichtssaal durchgeführten Einver 
nahme der Frau des Angeklagten kam es zu einem heftigen 
Zusammenstoß zwischen ihr und Regierungsrat Ritschl, den 
der Vorsitzende mit den Worten beendete: „Herr Zeuge, ich 
glaube im Namen des ganzen Gerichtshofes zu sprechen, wenn 
ich Ihnen folgendes sage: Ich habe Sie, Herr Regierungsrat 
Ritschl, im Verdacht, daß Sie wenigstens eine der 
Expertisen über die Bianco Unterschriften noch vor 
der Ausgabe durchgelesen haben, und zwar die viermal ge 
änderte Expertise, über die hier so viel gesprochen wurde.“ 
Das Urteil. 
Der Gerichtshof sprach den Angeklagten frei und 
führte in der Begründung aus, daß Speil wegen Betruges nur 
dann hätte verurteilt werden können, wenn ihm nachgewiesen 
worden wäre, daß er die ihm von Regierungsrat Ritschl im 
Konzept übergebenen Gutachten bei der Abschrift auf die 
von Regierungsrat Ritschl in bianco unterschriebenen Bogen 
mit höheren Darlehensbeträgen versehen hätte. Die Mitteilun 
gen des Regierungsrates Ritschl über die von ihm gegebenen 
Schätzungen waren bei mehreren Bildern bei der Polizei und 
in der Verhandlung verschiedene. Die Vormerkbücher 
des Regierungsrates wiesen nur die in der Verhandlung vor 
gebrachten Ziffern aus. ln einem Fall behauptete Ritschl eine 
Expertise gegeben zu haben, während eine solche bei der 
Pfandleihanstalt n i c h t aufzufinden war. Die Verurteilung
	        
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