MAK
Internationale 
gammler-Hßi'funfl 
Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde 
Herausgeber: Norbert Ehrlich 
21. Jahrgang Men, 15. Juli 1929 Nr. 14 
Freigabe der Sammlung figdor. 
Die weltberühmte Sammlung des verstorbenen 
Dr. Albert F i g d o r gelangt zur Auflösung. 
Der Bund hat sich, woran wir wahrlich keinen 
Augenblick gezweifelt hatten, entschlossen, die 
Sammlung für diesen Zweck freizugeben. 
Es wäre gewiß reputierlicher gewesen, wenn 
das Bundesdenkmalamt statt unentwegt zu leugnen, 
daß Verhandlungen nach dieser Richtung geführt 
werden, offen gesagt hätte: Ja, das Gesetz ist auf 
unserer Seite, wir haben die Macht, zu verhüten, 
daß die Sammlung geteilt und ausgeführt werde, 
aber was nützt es, da wir doch keine Handhabe be 
sitzen, den Eigentümer zu zwingen, daß er die 
Sammlung der Oeffentlichkeit zugänglich mache. 
Wir mußten ruhig zusehen, wie Frau Walz, die 
Erbin des Dr. Figdor, nach dessen Ableben die 
einzigartigen Schätze in Kisten und Koffer verpackte 
und vor aller Welt abschloß und wir hätten sie auch 
nicht hindern können, wie es ja als ihre Absicht ver 
lautete, irgendwo in der Provinz ein Gut zu kaufen 
und dort die Sammlung zu vergraben, Oesterreich 
ist nun einmal, Gott sei es geklagt, ein arm.es Land, 
das sich nicht den Luxus gönnen kann, wie Herr 
N e b e h a y und dessen Hintermänner siebzehn 
Millionen Schilling für eine Sammlung herzugeben; 
die Mäzene sind gestorben — retten wir, was zu 
retten ist, indem wir uns die Freigabe der Samm 
lung, so teuer wie möglich, abkaufen lassen. Das 
wäre männlich gewesen, das hätten wir von den 
Persönlichkeiten erwartet, in deren Hände die Ob 
hut über unseren Kunstbesitz gelegt wurde. Statt 
dessen wurde die Dementierspritze bis zur Lächer 
lichkeit abstrapaziert und das Facit? Oesterreich 
erhält vom neuen Besitzer nichts Wesentliches 
mehr, als was seinerzeit Dr, Figdor und später Frau 
Walz angeboten hatten. 
Erfreulich ist, daß für die „Schenkung" die 
Form einer „F i g d o r-Stiftung" gewählt wurde, 
die natürlich nur ihre Berechtigung hat, wenn der 
Großteil der dem Staate zufallenden Objekte in 
einem Museum vereinigt wird. Am wenigsten darf 
man daran denken, die Serien zu zerreißen, von 
denen jede eine Sammlung für sich darstellt, eine 
Sammlung von einer Vollständigkeit, wie sie noch 
einmal zusammenzubringen ein Ding der Unmöglich 
keit wäre. Es sind dreizehn solcher Serien: 
Die mathematischen und astronomischen Instrü- 
mente, meist aus der Renaissancezeit, die Ofen 
kacheln und Fliesen, die Gläser, die Taschen, 
Kissen und Kostüme, die Ringe, die Fächer, die 
Pulverkörner, die Werkzeuge, die berühmte Samm 
lung gotischer Model, die antiken Fibeln, die Be 
stecke (Löffel, Gabel und Messer, vorwiegend aus 
der Gotik- und der Renaissancezeit), die Schmiede 
eisensammlung und die unvergleichliche Sammlung 
von Schlössern und Schlüsseln. Daneben eine große 
Anzahl von Einzelstücken, gegen deren Verteilung 
an die verschiedenen Museen schon weniger einzu 
wenden wäre. Hier allem voran ein Rarissimum, 
das altdeutsche Puppenhaus, das in vier 
Kammern etwa tausend Gebrauchsgegenstände, fast 
ausschließlich in alten Stücken des sechzehnten 
Jahrhunderts, aufweist. Man vermißt nicht den 
kleinsten Gegenstand, nicht einmal das Bügel 
eisen und die M i s t s c h a u f el. In der Wohn 
stube sind Türen und Möbel, mit wirklichen Ein 
legearbeiten versehen, und in den Kästen und Betten 
liegt die buntfarbige Leinenwäsche, wie sie heute 
noch in Bauernstuben im Gebrauche ist. aber fein 
säuberlich eingesäumt. 
Nennenswerte Stücke sind ferner; Die beiden 
Glasscheiben aus Maria-Straßengel bei Graz, das 
kleine Brustbild vom Meister R. F. (Rueland Früh- 
auf), das in der Versteigerung Falkenhayn erwor 
ben wurde, die Bilder der Oswald-Legende, die 
Herzheimer Madonna, die berühmten gotischen 
Möbel aus Annaberg, die Feldkircher Decke aus 
dem Jahre 1518, der Feldkircher Sakristeischrarfk 
und die krainische Tür, die anbetende Maria aus 
dem Salzburgischen, die Figur eines heiligen Königs 
aus dem Kreise Pachers, der Christus an der Säule 
von Adrian de Vries, die Krippe vom Meister des 
Oelbergs im Michaelerdurchgang, der Böckchen- 
träger von Raphael Donner, das Schreibpult des 
Erzherzogs Ferdinand, endlich die Herzheimer- und 
die Khevenhüller-Chronik. Dazu kommen noch die 
„Viennensia", die nach einer besonderen Ab 
machung in das Eigentum der Stadt Wien übergehen, 
so vier Bilder von Waldmüller (darunter ein Selbst 
porträt und ein Aquarell mit zwei Knaben von 1833), 
ein Porträt von Füger, Bilder von A g r i c o 1 a, 
Danhauser, Pettenkofen (Porträt des Samm 
lers Indry) und anderen Malern des neunzehnten 
Jahrhunderts, vor allem aber sechzehn Miniaturen 
von Füger. 
Alles in allem gibt Herr Nebehay ungefähr 2500 
Stücke ab, ihm verbleiben viertausend, deren 
Wert in keinem Verhältnis zu den Stücken steht, die
	        
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