Seile 174
INTERNATIONALE SAMMLER - ZEITUNG
Nr. 16
Die geschickte eines JYionet.
Auch Bilder haben ihre Schicksale, und die sind
nicht selten sehr interessant. Da wurde dieser Tage
bei einer Versteigerung im Versatzamt in Prag
ein Bild einem Händler um die Bagatelle von 400
Tschechokronen zugeschlagen, das sich dann als
ein echter Monet erwies. Es wurde die Signatur
sowohl wie die Datierung 1877 freigelegt. Das Sujet:
Eine Dame auf einer Chaiselongue hingestreckt.
Die Kunde von diesem Bilderverkauf drang auch
nach Paris, der Heimatstätte Claude Monets, und
der Kunstkritiker der „Temps", Herr Thiebault-
S i s s o n erinnerte sich an die Entstehungsgeschichte
dieses Bildes, die er denn auch seinen Lesern nicht
vorenthielt,
Herr Thiebault-Sisson erzählt: ,,Es scheint wohl,
daß diese Frau auf der Chaiselongue das Porträt der
Gattin eines Reeders von Havre ist, wovon mit mir
der Meister gesprochen und mir eine in seinen Kar
tons befindliche gleichfalls in Pastell ausgeführte
Skizze gezeigt hatte. Die roten Töne des Diwans
bildeten eine äußerst geschmackvolle Symphonie,
und ich sprach mich über den Reiz dieses kleinen
Stückes mit solcher Bewunderung aus, daß mir Mo
net dessen Geschichte erzählte,
Die Dame war sehr schön, und der Gatte, ein
vornehmer JVlann, war sehr eifersüchtig. Man hatte
den Künstler emgeladen, zur Ausführung des Por
träts auf das Landgut zu kommen, das das Ehepaar
im Sommer bewohnte, und Monet hätte in der ihm
gebotenen Gastfreundschaft alle Genugtuung gefun
den, wenn der Hausherr nicht allen Sitzungen bei
gewohnt und hiebei großartige Zigarren geraucht
haben würde, deren Duft so stark war, daß der
Künstler sich über das Aroma beklagte.
Um ihn zu beruhigen, wurde nun ihm selbst eine
Schachtel ihm passender Zigarren zur Verfügung ge
stellt, die Claude Monet im Laufe seiner Arbeit voll
ständig bis auf die letzte ausrauchte.
Durch welche Umstände“, schließt der Pariser
Kritiker, ,,das schöne Bild nach Prag gelangte, um auf
dem dortigen Versatzamt zu scheitern, wird man
wahrscheinlich nie erfahren. Jedenfalls ist seine Ge
schichte pikant."
Chronik.
BIBLIOPHILIE.
(Die Bibliothek Otakars Brezinas,) (Einem Bericht E, Cha
in p n y s in der Prager „Presse" über den Nachlaß Otakar
Brezinas entnehmen wir, daß die Bibliothek des Dichtens be
reits katalogisiert ist und 4500 Bände umfaßt. Im Sinne des
letzten Willens Brezinas wird die Bibliothek aufgeteilt: ein
Teil fällt der Universitätsbibliothek iin Brünn zu,
{Die Pürglitzer Schloßbibliothek Staatseigentum der
Tschechoslowakei.) Die Prager Regierung hat eines der be
rühmtesten historischen Schlösser Böhmens, die bisher der Fa
milie F ü r s t -e n b e r g als Fideikommiß gehörige Burg P ü r g-
1 i t z, zum Staatseigentum erklärt. Weithin bekannt ist
die Pürglitzer Schloßbibliothek, in der sich über 20.000 Bände,
darunter wertvolle Manuskripte von Haydn, Kreutzer u. a.
befinden,
(Wiedereröffnung der Bibliothek von Löwen.) Die große
Bibliothek der Universität Löwen, die im Kriege zerstört
wurde, ist wieder eröffnet worden. Dank freiwilliger Gaben
aus einer großen Anzahl von Ländern, ist es gelungen, die
verbrannten Schätze durch gleichwertiges Material zu er
setzen. Deutschland hat zum Ersatz der zerstörten
Bücher und Dokumente 300.000 Bände — darunter dreihun
dert- wertvolle Pergamentmanuskripte aus dem fünfzehnten
und sechzehnten Jahrhundert — beigesteuert. Obwohl die
Löwener Universität von Deutschland nur die im Besitze
seiner Universitätsbibliotheken befindlichen Abschriften for
dert, hat die Reichsregierung vier Millionen Mark zum An
kauf von Büchern für die Löwener Bibliothek zur Verfügung
gestellt, Das übrige Ausland hat 350.000 Bände beigesteuert,
davon England 55.000 und Frankreich 33.000 Bände. In Japan
wurden 400.000 Mark für den Wiederaufbau der Löwener
Bibliothek gesammelt. Eine Amerikanerin hat eine eigene
Sammlung von seltenen und wertvollen Büchern gestiftet, dar
unter das Tagebuch des Franzosenkönigs Heinrichs III.
(Daumiers Autorrechte,) Aus Paris wird gemeldet: Vor
der dritten Zivilkammer in Paris wurde soeben ein Prozeß
entschieden, dessen Ausgang nicht nur in Frankreich inter
essieren wird. Die indirekten Erben Daumiers hatten ihn
gegen den Pariser Verlag Rieder & Cie, angestrengt, da dieser
einer (übrigens bescheidenen) Daumier-Monographie von
Arsene Alexandre eine Anzahl Reproduktionen beigege
ben hatte, ohne vorher ihre Genehmigung dazu einzuholen.
Die Frage war sehr heikel. Um so mehr, als Daumiers Autor
recht in diesem Jahr abläuft und das besagte Bändchen vor
kurzem erst erschienen ist. Die Dauer des französischen Autor
rechts war 1866 auf fünfzig Jahre verlängert worden. Es han
delte sich nun darum, zu entscheiden, ob seine Nutznießung
bei Werken, die damals bereits verkauft waren, ihren ander
weitigen Besitzern oder vielmehr den Erben ihres Schöpfers zu
gute kommen soll. Das Gericht hat sich zugunsten letzterer
ausgesprochen und dem Kläger auch im vorliegenden Fall trotz
der besonders prekären Umstände recht gegeben. Dem Ver
lag wurde eine Buße von 6000 Francs als Entschädigung auf
erlegt. ;
BILDER.
(Landschaftsbilder für die Prager Moderne Galerie.) Aus
Prag wird gemeldet: Das Unterrichtsministerium will eine
Reihe von Landschaftsgemälden für die Moderne Galerie be
stellen, die charakteristische Landschaften der Tschechoslova-
kei im Bilde festhalten sollen. Den Künstlern wurde die Wahl
des Landschaftsmotivs freigestellt,
(Raczynskis Botticelli bleibt in Berlin.) Aus Berlin wird
uns gemeldet: Das Reichsgericht hat eine Klage des Grafen
Racrynski gegen den preußischen Staat abgewiesen, mit
welcher der Kläger die Herausgabe des im Kaiser-Friedrich-
Museum in Berlin befindlichen und zum Raiczynskischen Fami-
lienfideikommis gehörigen Gemäldes „Maria mit dem singenden
Engel“ von Botticelli verlangte. Graf Raczynski hatte durch
einen Vertrag im Jahre 1903 dem preußischen Staat die Nutz
nießung über das Bild eingeräumt. Die übrige Sammlung befin
det sich im Museum in Posen, Als nach dem Weltkrieg da^
Museum zu Polen kam, versuchte der Graf auch die Madonna
von Botticelli aus dem Besitz des Berliner Museums herauszu
bekommen. iNach diplomatischen Verhandlungen, die fruchtlos
blieben, wurde ein Prozeß geführt, der nun das erwähnte Er
gebnis hatte.
(Prozeß um einen Raffael.) Vor dem Gerichtshof in Brüs
sel wurde ein aufsehenerregender Prozeß verhandelt, in dessen
Mittelpunkt ein Werk Raffaels, und zwar die „Madonna
von Siena", steht, Das Bild befand sich im Besitz einer russi
schen Dame, der Frau St eichen, die in der ersten Revo
lutionszeit aus Rußland fliehen konnte und später in Brüssel
wohnte. Frau Steichen übergab das Bild einem Brüsseler Kunst
händler namens Lamberti, zum Verkauf, der ihr auf den
Raffael ein Darlehen von 12,000 Franken gab. -Lamberti ver
kaufte dann das Bild ohne Wissen der Frau Steichen 1928 an
einen amerikanischen Sammler für den Betrag von 175.000
Pfund und behauptet, der Raffael sei für 12.000 Franken in sei
nen Besitz übergegangen. Die Dame fordert die Zurückgabe
des Raffael oder Zahlung von 26 Millionen Franken. Die Ange
legenheit wurde aus formellen Gründen bis Mitte Oktober ver
tagt,
(Fresken von Dell’ Abbate.) Bei Erneuerungsarbeiten im
Palast Zucchini-Solimei in Bologna wurden wertvolle Wand
fresken des Modeneser Spätrenaissancemeisters Niccolo Dell'
Abbate (Abbati 1509—1571) freigelegt, die Szenen aus Ariost
darstellen. Mit Francesco Primaticcio begründete Dell’ Abbate
die Schule von Fontainebleau, in dessen Schlosse er das Leben
-des Odysseus malte.