Internationale
$ammler-2ßifunf|
Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde
Herausgeber: Norbert Ehrlich
21. Jahrgang
Wien, 15. Jänner 1929
Nr. 2
Zwei Sammler.
Ferdinand Srcgori. — Peter Mtenberg.
Ferdinand Gregori ! Peter Altenberg!
Der Zufall nur reiht hier diese beiden Namen anein
ander, der Zufall, daß Ferdinand Gregor! in Berlin
gestorben ist und sich eben der Todestag Peter
Altenbergs zum zehntenmale jährt. Im Leben gingen
sie aneinander vorüber, ohne sich vielleicht zu ken
nen, der Tod bringt sie einander nahe. Aber es be
stand doch etwas Gemeinsames, das den Menschen
darsteller und den Dichter hätte verbinden können,
das ist die tiefe Erkenntnis von dem Werte des
Sammelns, dem beide auch praktisch oblagen.
Gregoni war ein hervorragender Bibliophile, der
besonders nach Erstausgaben deutscher Dichter aus
spähte und wie jetzt bekannt wird, auch eine große,
wertvolle Sammlung von Erstdrucken zusammen
brachte, Altenberg, dem die Mittel fehlten, um
kostbare Objekte zu erwerben, sammelte nur An
sichtskarten, aber er zog aus dieser Betätigung das
Glücksgefühl, das jeden echten Sammler erfüllt.
Wie Ferdinand Gregori und Peter Altenberg
über das Sammeln dachten, haben sie auch gelegent
lich in der „Internationalen Sammler-Zeitung“ zum
Ausdrucke gebracht. Auf eine Rundfrage unseres
Blattes, an der sich prominente Persönlichkeiten
aus verschiedenen Berufskreisen beteiligten, schrieb
uns Gregori, der damals als Hofburgschauspieler
und Professor an der Akademie für Musik und dar
stellende Kunst in Wien wirkte*), den folgenden
schönen Brief:
Ferdinand Gregori,
„Wenn nur der ein Sammler genannt wird, der
für eine Liebhaberei morden und stehlen kann, der
keine ruhige Stunde hat, bis er den höchsten Ge
genstand seiner Sehnsucht errungen hat und nur mit
Neid auf die Schätze seiner Mitsammler blickt, so
bin ich ganz gewiß keiner.
Ich habe Hunderte von schönen und geschmack
losen E x 1 i b r i s-Blättern und möchte gerne noch
Tausende besitzen, aber ich tue eigentlich nichts
dazu. Ich lebe auf diesem Gebiete von der Sammel
wut der anderen, die, um mein Exlibris zu bekom
men, mir das ihrige zusenden. So kostet meine
hübsche Sammlung weder Geld, noch Zeit, noch
Mühe, Sie vollständiger zu machen, wird vielleicht
*) Siehe „Internationale Sammler-Zeitung", Jahrgang
1909, Nr. 13.
die Aufgabe meines Alters sein; dann auch werde
ich an eine sorgsame Gruppierung gehen können.
Nachdem ich mir die zeitgenössische
Lyrik in sehr reicher Ausdehnung angeschafft habe,
weil ich ein vollendetes kleines Gedicht inniger
liebe, als ein dilettantisches Drama, fing ich an, mir
die lyrischen Schätze anzueignen, die in einer mo
dernen Buchhandlung nicht käuflich sind: verschol
lene Dichter zweiten Grades, wie Karl B © c k,
S o 1 i d a i r e, David Friedrich Strauß. Die haben
Reclam, Meyer, Hendel, Daberkow nicht neu und
wohlfeil gedruckt. Die muß man in Antiquariaten
oder in alten Katalogen suchen. Das aber ist der
Weg zu den Erstausgaben überhaupt.
Es liegt ein großer Reiz in dem Besitze eines
Buches, das seinerzeit nur in 76 Exemplaren ver
kauft wurde — wie die anonym erschienene erste
Sammlung der Annette von Droste-Hülshoff
aus dem Jahre 1838 — und heute zu den Kostbar
keiten einer großen lyrischen Kultur gehört. Aber
auch dabei bleibe ich gern ruhig und drücke den
Aerger nieder, wenn mir ein anderer das seltene
Stück vor der Nase wegschnappt und mich dazu
verurteilt, das Zehn- und Zwanzigfache aufzuwen
den, wenn ichs ihm wieder abspenstig machen will.
Die Kataloge gehen einem zu, ohne daß man
sich darum bemüht, weil die Antiquare unterein
ander die Adressen der Bücherliebhaber austau-
sch‘*n. Kaufe ich bei dem einen, so unterrichtet mich
auch der ande. e von seinen Beständen, Setzt man
sich selbst eine bestimmte Summe aus, die man all
jährlich auf Erstausgaben verwenden kann, ohne
daß man sich ruiniert oder am Leibe abdarbt, so
lebt man ganz gut und behaglich als Sammler, Hat
man außerdem eine glückliche Hand, bezahlt man
nicht heute hundert Mark für Hölderlins Ge
dichte, die man morgen für fünfzig Francs bekommt,
so schafft man sich eine vorzügliche Heimsparkasse,
die den Nachkommen gute Zinsen trägt. Denn das
Werk eines echten Dichters in erster Auflage wird
für alle Zeit Wert behalten. Die wenigen Exemplare,
die davon existieren, können sich nie vermehren,
wohl aber vermehren sich die Liebhaber, die dar
nach jagen und treiben den Preis in die Höhe.
Ein rechter Sammler bin ich dennoch nicht, weil
ich nur dann eine Summe an ein Buch wage, wenn
der Dichter die Summe wert ist. Für M ö r i -