Internationale
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Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde
Herausgeber: Norbert Ehrlich
21. Jahrgang Wien, 15. Oktober 1929 Nr. 20
Die Sammlung J'ritz
Die Galerie Hugo Helbing in München
hat nun endgültig die Versteigerung der Sammlung
Fritz August von Kaulbach auf den 29. und 30,
Oktober festgesetzt. Die Sammlung wird in der
prächtigen, von Gabriel von Seidl erbauten Villa
Kaulbachs aufgelöst werden, deren Inhalt sie bildete.
Villa und Einrichtung repräsentieren jene Peri
ode der Kunstentwicklung Münchens, die um die
Wende des Jahrhunderts den Typus des Maler
fürsten wieder neu in Erscheinung gestellt hatte.
Diese Männer, zu denen auch Lenbach und Stuck
gehörten, griffen in ihren Geschmack wieder zu
rück auf die Vorbilder der Renaissance, so daß ihr
Sammlerstreben sich fast ganz auf jene Zeit konzen
trierte. Wir finden daher in der Sammlung Kaul
bach sehr schöne antike Skulpturen, Götterdarstel
lungen und Porträtkölpfe, unter den wir den Torso
einer Venus, eine hervorragende griechische Arbeit
des vierten Jahrhunderts, einen bärtigen Götterkopf,
der gleichfalls als griechische Arbeit des vierten
Jahrhunderts anzusprechen ist und eine ausdrucks
volle römische Porträtbüste, die als eine, kurz vor
Christi Geburt entstandene Schöpfung gilt, hervor
heben möchten.
Dazwischen stehen auf prächtigen Konsolen
Bildwerke der christlichen Epochen, so zwei eigen
artige, oberitalienische Steinreüefs, musizierende
Fabelwesen vom Ende des vierzehnten Jahrhunderts,
ein venezianischer Wappenhalter, holzgefaßt, vom
Ende des Quatrocento, Dr. P 1 a n i s c i g zufolge aus
der Werkstatt des Rizo, und ein ganz hervorragen
der spanischer Bronzekruzifixus, wohl vom Anfang
des achtzehnten Jahrhunderts; von deutschen Ar
beiten eine trauernde Maria, holzgefaßt, wohl
schwäbisch - bayrisch, um 1500, eine hl. Margarete
in sehr schöner, alter Fassung von Jörg Lederer,
Allgäu, um 1520 und eine niederrheinische Wand
konsole vom Anfang des sechzehnten Jahrhunderts,
mit der Marter einer Heiligen,
An den Wänden zieht vor allem eine Reihe
italienischer Arbeiten des Trecento und Quattro
cento unsere Aufmerksamkeit auf sich, voran ein
„Hl, Leonhard mit Gefangenem", eine sehr qualitäts
volle Arbeit, die man mit beachtenswerter Begrün
dung den Werken des Pietro Lorenzetti zugezählt
hat und eine sehr fein gemalte, koloristisch reizvolle
Golgatha-Szene, eine sienesische Arbeit um 1350,
die von Memmi wie von Ambrogio Lorenzetti beein
flußt ist. Ein charakteristisches Werk des Sienesen
«August von JCaulbach.
Francesco Di Vannucci ist eine weitere Kreuzigungs
darstellung. Aus nächster Nähe des Giovanni da
Milano stammt ein hübsches Triptychon mit der Ma
donna und Heiligen, Verkündigung, Geburt und Kreu
zigung. Ein bärtiger Heiliger mit einem Kirchen
modell ist, van Marie zufolge, eine Arbeit aus den
Marken (Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts), wahr
scheinlich von Giovanni di Antonio da Pesaro. Ein
reizvolles Täfelchen mit dem Täufer Johannes ist
eine charakteristische venezianische Trecento - Ar
beit, nach van Marie, wahrscheinlich von dem soge
nannten „Meister des Pirano-Altars". Bei einer Pre
dellentafel mit der Darstellung Mariä im Tempel, hat
van Marie starke Verwandtschaft mit den lombardi
schen Trecentofresken in S. Abondio zu Como be
merken wollen.
Kunsthistorisch etwas rätselhaft sind die beiden
dekorativen Tafeln mit den Heiligen Blasius und
Albertus Magnus. Sie sind wohl eher ferraresisch als
florentinisch, sie besitzen etwas Nordisches, was so
vielen ferraresischen Bildern eigen ist. Zweifellos
florentinisch, aus der Nachfolge des Nicolo di Pietri
Gerini ist die Madonna, die, wie van Marie beob
achtet hat, am meisten an die Madonna mit den
musizierenden Engeln, Nr. 1314 im Louvre erinnert.
Technisch und künstlerisch fesselnd ist die große
„Anbetung der Könige“ aus dem Kreise des Vincenzo
Foppa, mit Leimfarben auf Leinwand gemalt, wie ein
Fresko wirkend, und die, Professor S u i d a zufolge,
cremonesische, in gleicher Technik ausgeführte „Ver
kündigung", Als eigenhändiges Werk Tizians aus
den Sechzigerjahren des sechzehnten Jahrhunderts
wird von Kennern, vor allem von G. Gronau, das
sehr stattliche Porträt des Erzbischofs Querini an
gesprochen, das auch von F i s c h 1 in die neue Auf
lage des „Klassiker der Kunst"-Bandes aufgenommen
ist. Sehr dekorativ ist ein Männerporträt des Do
menico Tintoretto, ebenso ein unter Van Dycks Ein
fluß entstandenes Damenporträt des genuesischen
Malers Carboni.
An frühen deutschen Bildern enthält die Villa
eine kunsthistorisch recht wichtige bayrische Tafel
um 1470, mit einer Anbetung der Könige (auf der
Rückseite: Die Darbringung im Tempel) und eine
kleinere, etwas von niederländischer Kunst inspi
rierte oberrheinische Tafel mit einer Golgatha-Dar
stellung und dem Salvator Mundi auf der Rückseite.
Unter den niederländischen Gemälden verblüfft
die sehr frische Studie Van Dyks zu dem Engelkopf