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Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde 
Herausgeber: Norbert Ehrlich 
21. Jahrgang Wien, 1. März 1929 Nr. 5 
&ürst Johann Ciechtenstein als Sammler. 
«Aus den Erinnerungen eines alten JCunsthändlers. 
Von Dominik Artaria (Wien). 
Mit dem verstorbenen Fürsten Johann L ie c h- 
t e n s t e i n ist ein großer und wahrer Kunstfreund 
dahingegangen, ein Grandseigneur alten Stiles, dem 
die Kunst und das Sammeln ein Herzensbedürfnis 
waren, dabei ein großer Kenner mit feinster Empfin 
dung für Qualität. Von Jugend an von erlesener 
Kunst umgeben, durch Begabung und viele Reisen, 
aufmerksames Sehen und den Verkehr mit den her 
vorragendsten Vertretern der Kunstwissenschaft und 
von Sammlern gebildet, hat der Fürst sich größtes 
Kunstverständnis angeeignet, Kein Gebiet der Kunst 
blieb ihm fremd. 
Die ererbte, schon berühmte Gemäldegalerie hat 
er durch viele ausgezeichnete Kunstwerke vermehrt 
und ausgestaltet, selbst die jetzige geschmackvolle 
Aufstellung durchgeführt und aus den reidhen Be 
ständen seiner eigenen Sammlungen einen Saal alter 
Skulpturen und kunstgewerblichen Werke einge 
richtet, ebenso der Galerie die schöne Abteilung mit 
neuerer Kunst angegliedert. Da sieht man vor allem 
die Bilder seines Lieblings S p i t z w e g, reich wie 
sonst wohl nirgends vertreten, dann die alten Wie 
ner, Rudolf A11, den er auch sehr liebte, Wald 
müller, Fendi u. v. a. Der Fürst war selbst in 
seiner Jugend ein Schüler Josef Högers, von dem 
er mir wiederholt mit Verehrung sprach, da er 
wußte, daß mein Vater und auch meine Brüder und 
ich dessen Unterricht genossen hatten. Von Höger 
waren auch in der fürstlichen Familie ganze Serien 
reizender Landschaftsaquarelle vorhanden. Und wie 
vieles hat der Fürst verschenkt! Man denke nur an 
die Waklmüller-Spende an die Städtische Gemälde 
sammlung, die Widmungen an die Galerie der Aka 
demie der bildenden Künste, bei Gelegenheit von 
Wohltätigkeitsveranstaltungen und an das Troppau- 
er Museum, dessen Protektor er war. 
Auf Auktionen des. In- und Auslandes trat der 
Fürst oft als Bieter auf, und hatte bei seinen reichen 
Mitteln die Möglichkeit, Gutes und Seltenes zu er- 
werben. Da ich das Glück hatte, oft die fürstlichen 
Aufträge zu vertreten, ist es mir eine werte Erinne 
rung, mit welchem Interesse der Fürst sich der Aus 
wahl widmete und mit welcher Spannung er dem 
Resultate entgegensah. Für die herrliche Kupferstich 
sammlung durften wir Vieles erwerben, natürlich 
waren es seltene und erlesene Stücke, die in der 
reichen Sammlung noch nicht vorhanden waren, bei 
welchen ich die Konkurrenz großer ausländischer 
Sammler, wie des Barons Edmond Rothschild 
und anderer zu überwinden hatte. In der Auktion 
der Rembrandt—Dürer-Sammlung aus dem Nachlaß 
meines Vaters im Jahre 1896 wurde ich beauftragt, 
das Rembrandt-Werk der fürstlichen Sammlung 
durchzusehen und wünschenswerte Ergänzungen zu 
bezeichnen. Der Fürst erwarb dann u. a. eines der 
Hauptblätter, Remlbrandts Hundertguldenblatt in 
einem wundervollen Druck. 
Wie großmütig der Fürst war, beweist, daß er 
trotz der eigenen Sämmlerleidenschaft zurücktrat, 
wenn ein Objekt für eine öffentliche Sammlung von 
besonderem Werte war. So erhielt ich auf Bitte des 
Direktors des Germanischen Museums in Nürnberg 
vom Fürsten den Auftrag, die Dürer-Zeichnungen der 
Kron-Insignien des Heil. Römischen Reiches, die er 
kaufen wollte, diesem Museum gegenüber nicht zu 
steigern, das sie auch erwerben konnte. Im Jahre 
1898 war auf einer Kölner Auktion ein Selbstbildnis 
Hans Baidung Grien s, das ich für den Fürsten er 
warb. Kaum war es in Wien, trat Geh, Rat Bode 
in Berlin an den Fürsten heran, man habe das Bild 
für das Museum in Straßburg, die Vaterstadt des 
Künstlers, erwerben wollen. Der Fürst hat es ge 
schenkt. 
Nur zweimal halbe ich bedauert, den Fürsten 
nicht zu einem größeren Gebot hinreißen zu können. 
Im Jahre 1892 war der Fürst in London, wo die Ver 
steigerung der berühmten Gemäldesammlung des 
Earl of Dudley stattfand. Unter vielen wunder 
vollen Bildern von Rembrandt, Hobbema, Mieris, 
Osta.de, Peruglino und mehreren Canalettos, war 
eines von Raffael, eine große Kreuzigung Christi, 
wohl ein Jugendbild, aber doch ein herrliches Werk 
von unbestrittener Echtheit, Der Meister war ja in 
Wien in der ehemaligen kaiserlichen Galerie ver 
treten, aber nicht in der fürstlichen. Der Fürst 
wollte aber nicht heran. Der Sammler Sir Mond 
kaufte es für 11.000 Pfund Sterling. 
Im selben Jahre war in der Nachlaßauktion des 
Sammlers Messe faert van Vollemho ven in 
Amsterdam ein herrliches Werk des großen Jan 
V e r m e e r van Delft „Der Liebesbrief“, für das 
sich der Fürst sehr interessierte und es kaufen
	        
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