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INTERNATIONALE SAMMLER - ZEITUNG
Nr. 15
wie von Pacher, bis jetzt kein Porträt bekannt ist.
Dörnhöffer bezeichnet dieses Bild »als einen Höhe
punkt der deutschen Bildniskunst, als die vollendete
Darstellung der deutschen Frau jener Zeit von un
übertrefflicher Wahrheit und Freiheit. Perlen der alt
deutschen Kunst sind ferner das Doppelbildnis von
Coloman Helmschmid und Agnes Breu, das gemein
same Werk von Hans Burgkmair und Jörg
Breu, die Porträts von Barthel Bruyn, »Adam
und Eva« von B a 1 d u n g, gen. Grien oder Grün,
der sich unter dem Einfluß seines Freundes Albrecht
Dürer gebildet hat.
In der Abteilung der frühen Niederländer nimmt
unser Interesse vor allem das Bildnis eines Herrn
(Pierre de Beffremont, Comte de Charny) von Roger
van der W e y d e n gefangen, das bis vor kurzem
noch den Stolz der Sammlung Kaufmann (Berlin)
gebildet. Man wird aber gewiß auch nicht an den
anderen Werken Rogers achtlos vorübergehen, wie
denn diese Abteilung dem Forscher und Sammler
noch viel des Studiums werten bietet.
Unter den Flamen des 17. Jahrhunderts ragt
van Dycks Bildnis des Jacques Le Roy, des ehern.
Präsidenten der Handelskammer von Brabant, her
vor, das aus der Sammlung des Lord Brownlow sei
nen Weg zu Thyssen gefunden hat. Adriaen Brou-
w e r scheint mit fünf kleineren Gemälden auf, unter
denen man den »Leiermann in der Dorfstraße«, den
»Muschelesser« und den »Guitarrespieler« findet,
David Tenier der Jüngere ist mit dem »Ländliches
Fest« gut vertreten.
Die holländische Malerei des 17. Jahr
hunderts kulminiert in Rembrandt und Frans
Hals. Von Rembrandt sind da: Bildnis eines Krie
gers, nach Bode eines der frühesten Werke des
Meisters, noch während der Lehrzeit bei Lastman
um 1627 entstanden, der »Ruhende Amor« (1634),
die Landschaft mit dem Landhaus des Goldwägers
(um 1650/51), das Bildnis eines alten Mannes (1667)
und eine »Flachlandschaft«. Frans Hals ist repräsen
tiert durch die Werke »Geizender Fischer am
Strande von Zandvoort«, »Bildnis des Theodor
Schrevelius, Rektors der Universität Leiden«, »Bild
nis eines jungen Mannes« und »Bildnis einer jungen
Frau«, Und neben diesen Göttern eine schier un
übersehbare Menge von Halbgöttern, wie Adriaen
und Izaak von O s t a d e, Jan Vermeer van
Haarlem d. Ae., Gerrit Berckheyde, Jacob
van Ruisdael, Hercules S e g h e r s, Thomas de
K e y s a r, Pieter de C o d d e, Ferdinand Bol,
Philipps de Köninck, Pieter H o o c h, Meindert
H o b b e m a, Jan Steen, Gabriel M e t s u, Frans
van M i e r i s, Allbert C u i j p, Aert de Gelder,
Gerard Terborch, Hendrik van Averkamp,
Jacob Ochtervelt etc. Man merkt es, für alle
Richtungen der Malerei hat Thyssen Interesse und
Verständnis, seine große Liebe aber gehört unstrei
tig den großen Niederländern. In dieser Abteilung
ist, wie die angeführten Namen zeigen, nahezu eine
Lückenlosigkeit erreicht, um die sie manche altbe
rühmte öffentliche Sammlung beneiden darf.
Unter den frühen Italienern begegnen
wir einem der .bedeutendsten Werke Correggios
aus seiner frühen Zeit, einem männlichen Bildnis,
das zuletzt in der Sammlung des Konsuls Weber
in Hamburg prangte, wo es allerdings als G r e c o
geführt wurde. Von Tizian sahen wir das Bildnis
des Dogen Francesco Venier, der von 1554 bis 1556
seine Würde bekleidete; von Paolo V eronese die
»Verkündigung«, ein Werk aus der mittleren Periode
des Künstlers, und das Bildnis, einer Dame (Mitglied
der Familie Muselli). Die Schule Leonardo ist durch
Andrea Solaris (Bildnis eines blonden Mannes)
und Bai tr aff io (Bildnis der Jolante Balbiani)
vertreten. Von den großen Venetianern finden wir
außer dem schon genannten Tizian noch T i n t o -
retto (Apollo und Minerva, Lukrezia und Tar-
quinius, Bildnis eines Senators), Giovanni B e 11 i n i
(St. Sebastian ' in Landschaft), C a n a 1 e 11 o (Die
Riva degli Schiavone und die Piazetta von der Mee
resseite) u. a.
Die spanische Schule vertreten Haupt
werke von Muri 11 o (Die hl. Justa, Johannes der
Täufer als Kind), Velasquez (Mann mit Lanze,
Bildnis des Generals Spinola oder des Comte de
Benevent), Greco und Goya. Die französi
sche Schule Watteau (Vertumnus und Pomona,
Jupiter und Antiope und die für den berühmten eng
lischen Arzt und Sammler Dr. Richard Meal gemal
ten »Italienischen Komödianten«), Fragonard
(Bildnis der Mdme Duthe, L’education fait tout),
Antoine P e s n e, Jean Baptiste G r e u z e, Hubert
Robert, Vigee le Brun, Boucher u. a.
Der Gesamtplan der Sammlung umfaßt auch die
Kunst des 19. Jahrhunderts, die vorläufig noch einen
relativ geringen Raum einnimmt. Immerhin sind auch
da Werke von hervorragender Qualität, wie von
Descamps (Hirte und Herde), Anselm Feuer
bach (Brücke von Terni, Kopf eines Römers),
Israels (Mädchen am Fenster), Knaus (Tochter
des Malers), Leibi (Bildnis Willy Dalimeyer, Ju
gendfreund Leibis), Maler Haider, Strickende Bäue
rin, die Bildnisse Trübners und des Jägers Kareba-
cher), Lenbach (Bismarck und Bildnis der Lilian
Sanderson), Hans von Marees (Selbstbildnis),
Menzel (Bildnis seines Bruders Richard), Mun-
kacsy (Der junge Trommler), Moritz von
Schwind (Egmont-Fidelio), Spitz weg (Selbst
bildnis von 1836, Der abgefangene Liebesbrief, Der
Drachentöter, Das Ständchen), Hans Thoma (Fei
erabend im Schwarzwaldgärtchen, Kinderreigen,
Rheinlandschaft), Wilhelm Trübner (Blumenstil
leben, Balkonzimmer am Starnbergersee), Wald-
m ü 11 e r (Bad Ischl 1836, Seifenblasen), Zügel
(Schafherde im Schatten) u. a.
Plastik und Kunstgewerbe, zusammen
88 Nummern, füllen einen Raum. Da sind schon die
Neuerwerbungen an Wandteppichen, die Ba
ron Thyssen kürzlich bei der ersten Figdor-Auktion
in Wien gemacht hat: der Wandteppich mit Wap
pendarstellungen, Arras (?) um 1400, der Bildteppich,
Franken, 1. Drittel 15. J., der Bildteppich, deutsch,
um 1450, das Tapisserie Antependium mit der Szene
aus der Legende der hl. Ursula, deutsch, 15. J., der
burgundische Wandteppich mit der Falkenjagd, um
1485, der flandrische Wandteppich aus dem Anfang
des 16. Jahrhunderts, der eine Episode aus einem
mittelalterlichen Liebesroman darstellt, und das Ta
pisseriebild von Seger Bombeck mit dem Luther-
Porträt. Dann die Stoffe und Stickereien aus der
Sammlung Figdor: Die niederländ. Stickerei um 1440,
der Samtstoff, Venedig um 1480, der Kaselstreifen,
Florenz um 1480, die italien. Samtstoffe aus dem
15. J., die kleine Mitra aus dem 16. J., die italien.
Goldspitze um 1600, der Streifen Goldbrokat, ital.
Ende 16. J., die Kasel, Italien nach 1600, der persi
sche Kniipfteppich aus dem 16. J. und die Decke
aus der Sefidenzeit.
Die übrigen Teile der kunstgewerblichen Abtei
lung sind aus Erwerbungen gebildet, die Thyssen
ebenfalls bei Auktionen der jüngsten Zeit gemacht
hat, bei den Versteigerungen der Sammlungen Graf