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Internationale 
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Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde 
Herausgeber: Norbert Ehrlich 
22. Jahrgang Wien, 15. September 1930 Nr. 18 
Die zweite tfigdor-JUiktion. 
An den zwei letzten Septembertagen findet die 
zweite Figdor-Auktion statt. Der Schauplatz ist 
diesmal nach dem Marmorsaal des Hotels Esplanade 
in Berlin verlegt; die Durchführung obliegt, wie 
bei der ersten, den Kunstauktionsfirmen Paul Cas- 
s i r e r (Berlin), Artaria & Co, und G 1 ü c k- 
selig G. m, b. H. (Wien), Die Leitung hat Geheim 
rat Hugo H e 1 b i n g inne. 
Das Material der zweiten Auktion, diesmal 
numerisch geringer, als bei ihrer Vorgängerin —- bei 
der ersten Versteigerung gab es 810 Nummern, 
während ihre Zahl jetzt 572 beträgt — ist auf drei 
Kataloge verteilt, die in Druck und Ausstattung den 
beiden früheren gleichen. Der erste, beziehungsweise 
dritte Band umfaßt die Gemälde, Die Katalogi 
sierung besorgte Dr, Grete Ring, die sich im we 
sentlichen auf die von Dr. Figdor hinterlassenen 
Notizen stützen konnte; Geheimrat Dr. M. J. 
Friedländer weist in einem kurzen Vorwort auf 
Figdors Art, zü sammeln, hin, „Albert Figdor lebte 
durch Jahrzehnte in und mit seiner Sammlung, emp 
fing oft kenntnisreiche Gäste, zeigte und erklärte 
die 1 unendliche Fülle der Gegenstände, verstand cs 
auch zu fragen, sich zu erkundigen und zu hören. 
Er erforschte, merkte sich und notierte alles, was 
irgendwie zur Aufklärung in bezug auf Ort und Zeit, 
auf Sinn und Bedeutung eines jeden Kunstwerkes 
beitragen konnte, Mit enthusiastischem. Gefühle für 
Kunstwerke verband er eine ernste Neigung zu anti 
quarischer Gelehrsamkeit," 
Daß Figdor kein Bildersammler im eigentlichen 
Sinne des Wortes war, ist bekannt. Das Bild inter 
essierte ihn nicht an sich, sondern nur soweit es sich 
auf die Kulturperiode bezog, auf die sein Sammler 
sinn gerichtet war, „Die Gemälde galten ihm nicht", 
wie Friedländer hervorhebt, „als Mittel der Dekora 
tion, auch nicht als Schöpfungen berühmter Meister, 
vielmehr fügten sie sich bescheiden ein in den Or 
ganismus seines Besitzes, berichteten und zeugten, 
wie die Bildwerke, wie der Hausrat, von dem Leben 
der Vergangenheit — nicht nur mit Form und Farbe, 
sondern auch mit dem Inhalt. Ein gemütvolles, drol 
liges oder drastisches Motiv, selbst ein dargestelltes 
Möbel oder Gerät konnte ihm ein Gemälde be 
gehrenswert machen. Wie er Speisegeräte und 
Trinkgefäße sammelte, freute er sich, in einer bild 
lichen Darstellung zu sehen, wie die Menschen in 
jener Zeit und in jenem Lande die Gefäße ergriffen, 
das Gerät benutzten. So beseelten sich ihm die 
toten Ueberbleibsel," 
Diese Einstellung Figdors zum Bilde macht es 
begreiflich, daß die Gemälde seiner Sammlung zum 
größten Teile namenlos sind. Von den 116 Gemäl 
den, die der Katalog registriert, kennt man bei gut 
der Hälfte nicht die Künstler, die sie geschaffen, 
andere sind nach der Schule gekennzeichnet, der sie 
anzugehören scheinen. Wir sagen scheinen, denn die 
Zuschreibungen sind in vielen Fällen unsicher. So 
heißt es z. B. bei einer „Maria mit dem Kinde" 
(Nr. 4 des Kataloges): „Leo Planiscig bringt den 
Namen des Jacobello del Fiore in Vorschlag , 
bei einem männlichen Bildnis (Nr. 29) läßt man dem 
.Sammler die Wahl zwischen drei Schöpfern — 
Lorenzo Lotto, Pietro L uzzi und Pietro D u j a 
— offen, bei der „Versuchung eines Bischofs" 
(Nr. 57), die im Titel als „Südfranzösisch um 1470" 
angeführt ist, heißt es merkwürdigerweise am 
Schlüsse der Beschreibung: „Wohl eher der 
spanischen Schule zuzuschreiben" u. dgl. m. 
Immerhin sind in der Sammlung eine Reihe erst 
klassiger Bilder, deren Urheber sichergestellt sind - , 
Hervorheben möchten wir Hieronymus B os c h‘ Ge 
mälde „Der verlorene Sohn", das früher in der 
Sammlung Theodor Schiff in Paris prangte. 
Quentin M a s s y s ist durch Brustbilder zweier 
klagender Frauen von einer Beweinung Christi 
vertreten. Zu den Llauptstücken zählt der soge 
nannte Meister der Figdorschen Kreuzabnahme, 
früher auch Meister der Luciamarter genannt, ein 
Schüler des Geertgen tot Sint Jans, der am Ende 
des 15. Jahrhunderts in Haarlem, tätig : war. In der 
Abteilung der deutschen Meister begegnet man dem 
„Hieronymus" des Passauers Rueland Frueauf, 
Bildern von Lucas Cranach, Bernard Striegel, Jörg 
Ratgeb, Bartholomäus Bruyn dem Aelteren und dem 
Jüngeren. In einem „Brustbild eines Mannes", das 
als „Süddeutsch um 1510“ verzeichnet ist, will 
Ernest Büchner, der Direktor des Wallraf- 
Richartz-Museums in Köln einen Dürer erkannt ,,, 
haben. 
Der zweite, beziehungsweise vierte Katalog der 
Sammlung ist den S k u lpturen und Plastiken 
gewidmet, die von Theodor D e m m 1 e r, Otto von 
Falke, Max J. Friedländer, Leo Planiscig 
und August Sch es tag verzeichnet sind. Hier ist 
des Kostbaren viel. Glanzstücke der italienischen 
Abteilung sind der festliche Spiegelrahmen in weiß 
glasiertem Ton von Lucca de la R o b b i a, die pracht 
volle Frauenbüste von Desiderio da Settignano, 
die ausdrucksvolle Halbfigur eines heiligen Seba«
	        
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