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finden, Künstlerisches zur Erklärung herbeizuziehen und durch die Anschauung
die Wirkung des gegebenen Wortes zu beleben; und zwar gilt dies in dem-
selben Grade wie von den alten Classikern, bei welchen darüber kein Zweifel
ist, auch von den modernen. Dies zu betonen ist namentlich deswegen von
XVichtigkeit, weil nur auf diese Weise auch für die Realschuleu und die
lllädchenlehranstalten, denen eine nennenswerthe, umfassende und eingehende
Beschäftigung mit den alten Classikern unmöglich ist, die Belebung und Nutz-
barmachung der Lectüre durchknnstgeschichtliches Material gerettet wird. Wenn
bei ihnen einmal ohne die breite Basis der Alterthumskunde, wesentlich auf
der Grundlage einer Kenntniss der modernen Welt, ein leidlicher Bau einer
allgemeinen Bildung aufgebaut werden soll, so ist es zum mindesten erforder-
lich, dass ihnen das Wesen und die Eigenthümlichkeiten der modernen Welt,
die Culturideale der verschiedenen aufeinander folgenden Epochen so umfassend
wie möglich bekannt werden, und sie auch von der Erscheinungsweise dieser
Welt, von dem Formengefühl und den Darstellungskreisen derselben eine gründ-
liche Anschauung bekommen.
Natürlicherweise verbindet sich ganz ebenso wie mit der Lectüre fremder
Schriftsteller auch mit derjenigen der deutschen das kunstwissenschaftliche
Element, und es wäre ein arger MissgrilT, aus dem Unterrichte in der Mutter-
sprache, der, wenn auch nicht durch die Menge der aufgewandten Zeit, so doch
wegen seines unmittelbaren Zusammenhanges mit der Charakterentwickelung
und dem nationalen Bewusstsein des zu Erziehenden den Grundton seiner all-
meinen Bildung bestimmt, das künstlerische Element der Anschauung zu eli-
miniren.
Auf das allerentschicdenste aber mochte ich mich gegen die vorgeschlagene
Verquickung des Aesthetischen mit dem deutschen Unterrichte, wie sie in dem
Eggerschen Buche versucht ist, aussprechen. Ich kann gar nicht mit mir einig
werden, wo sein Buch überhaupt gebraucht werden soll; es ist meiner Ansicht
nach entweder zu hoch oder zu niedrig: das Erstere, wenn man seine Be-
nützung dahin verweist, wohin seine Form gehört, in die Mittelclassen, in
welchen Anthologien, die kurze, mustergiltig geschriebene und inhaltlich lehr-
reiche Stücke enthalten, gelesen werden, _ das Letztere, wenn man es da an-
wenden will, wo für seinen Inhalt allenfalls ein Verständniss vorausgesetzt
werden kann, in der Prima, wo aber unzweifelhaft seine Form, wenn sie nicht
den Widerwillen der Schüler erregt (was ich als ein gutes Zeichen für den
Standpunkt der Classe bezeichnen müsste), aufs vortrefflichste geeignet wäre,
gerade das zu hintertreiben, was durch die Beschäftigung mit künstlerischen
Dingen erreicht werden soll, nämlich die Schüler daran zu gewöhnen, die Dinge
als Ganzes zu erfassen. Ein Primaner, wenn er richtig vorgebildet ist, soll
keinen Geschmack daran finden, mit Brocken abgespeist zu werden, sondern
er muss Werke, nicht aus dem Zusammenhange gerissene Stellen zu lesen
bekommen. -
Zugleich ist gegen Egger's Buch noch das einzuwenden, dass es unsere
Unterabtheilurig d), die vorher im Sinne der Commission bereits verneinte
Frage, ob der kunstwissenschaftliche Unterricht etwa in selbständiger Weise
auf den Mittelschulen zu betreiben sei, in entgegengesetzter Weise präju-
dicirt, insofern als bei Acceptirung seiner Methode ein grosser Theil des
deutschen Unterrichtes - die Lectüre - dazu benutzt werden müsste und
würde, eine Art von systematischem Lehrgebäude der Kunstwissenschaft den
Schülern als ständigen Lehrgegenstand zu übertragen. Ich glaube daher, dass
gerade von einer Berücksichtigung dieses Versuches zur Lösung unserer kunst-
wissenschaftlichen Unterrichtsfrage am allerwenigsten Heil für die Zukunft zu
erwarten und demselben unsererseits kein günstiges Zeugniss auszustellen ist.