Nr, 22 INTERNATIONALE SAMMLER ZEITUNG Seite 24/
Versteigerungen bei JCugo JCelbing in ^Frankfurt.
Nachdem Hugo Helbing in Frankfurt am
Main soeben die Versteigerung der Sammlung
W e i 11 e r mit ausgezeichnetem Erfolg durchgeführt
hat (siehe Nr. 21 der »Internationalen Sammler
zeitung«), kündigt er jetzt für den 9. und 10. D e-
zember eine Versteigerung von vier nach Art
und Inhalt ganz verschiedenen Sammlungen an.
Direktor Adolf F e u 1 n e r, der den reich illu
strierten Katalog in seinen wichtigen Teilen bear
beitet hat, verbreitet sich im Vorwort über die
Sammlungen wie folgt:
Der Nachlaß des Bankier von N e u f v i 11 e ist
der Hausrat des vornehmen Frankfurter Patrizier-
hauses. Die Einrichtung umfaßt das Mobiliar und die
Kunstwerke, die zur Ausstattung gehörten. Die
Kunstwerke sind nicht aus einer bestimmten Lieb
haberei oder aus einer Sammlerneigung mit speziel
ler Tendenz zusammengebracht, sondern der per
sönliche Geschmack, Erbschaft und dekorative Rück
sicht haben sie so vereinigt. Am wertvollsten sind
die Gemälde.
Persönlicher ist der Nachlaß von Louis Marx.
Aus leicht begreiflichen Gründen. Marx war Kunst
händler von Ruf. Er hat vor dem Krieg in Paris
gelebt. Sein Geschäft war nicht groß, sein Lager
nicht umfangreich, aber immer ausgewählt. Er hat
sich im Laufe der Zeit auf die Plastik spezialisiert
und eine Reihe von bekannten Werken in verschie
denen Museen, auch Deutschlands, ist durch seine
Hände gegangen. Ich nenne eine Skulptur von be
sonderem Rang, die wundervolle Maria des Museums
in Budapest, die zum Kreis der schönen deutschen
Marien gehört. Marx hat sie kurz vor dem Kriege in
Amiens gefunden und nach Deutschland gebracht.
Mit Kriegsbeginn war Marx in seine Heimat nach
Frankfurt zurückgekehrt. Das eigentliche Geschäft
hat er aufgegeben. In der Hauptsache war er Lieb
haber und Sammler alter Kunst und außerdem war
er ein liebevoller und uneigennütziger Berater aller,
die sich mit dem Sammeln alter Kunst beschäftigten.
Der Tod hat ihn überrascht. Die Auktion bringt
seine Sammlung. Sie enthält nicht wenige Kostbar
keiten, so das byzantinische Kreuz der Zeit Justi-
nians II., die frühgotische, französische Elfenbein
madonna (siehe Abb. Fig. 3), viele deutsche Skulp
turen der Gotik von bleibendem Wert und Klein
plastik des Barock und Rokoko.
Professor Alexander Linnemann war Glas
maler und ein bekannter Kenner, die Glasmalereien,
hauptsächlich des vierzehnten Jahrhunderts, die hier
zur Versteigerung kommen, bilden keine eigentliche
Sammlung. Es sind Vorbilder von besonderer Qua
lität, Architekturfenster von ausgezeichneter Erhal
tung, wirksam durch die farbige Komposition.
Die größere Hälfte der Kunstwerke kommt aus
dem Nachlaß eines Frankfurter Kunstliebhabers, des
Arztes Dr. Otto Großmann. Das Wort Kunst
liebhaber ist in diesem Falle nur ein schwacher Aus
druck. Es gibt lange nicht den Inhalt dieser Art von
Besessenheit, von Fanatismus für die Kunst, die den
Sammler beherrscht hat. Alle möglichen Faktoren
haben da zusammengewirkt. Heimatliebe, die die
ausschließliche Begeisterung für die heimatliche
Kunst verursacht hat, die romantische Sehnsucht
nach der guten historischen Zeit und dazu noch die
wissenschatfliche Neigung, entsprungen aus der be
ruflichen Vorbildung des Arztes, der auch die klein
sten Symptome beachten muß. Sie waren der An
laß, daß der Sammler auch das Einfache, Unauffällige
und wenig Beachtete früher als andere als würdiges
Objekt in den Kreis der Betrachtung zog. Die Ge
wöhnung an die exakte Forschung hat ihm keine
Ruhe gelassen, bis er den geschichtlichen Sinn des
einfachen Gebrauchsgegenstandes enträtselt hatte.
Durch diese Pionierarbeit hat sich Großmänn tim die
Kunstwissenschaft unleugbare Verdienste erworben.
Er hat als erster die Frankfurter Fayencen bestimmt.
In einem Vortrag im Verein für Geschichte und Al
tertumskunde 1906 hat er zum ersten Male die Be
deutung der Frankfurter Fabrikmarke erklärt. Er hat
zuerst auf das einheimische, rheinfränkische Tisch
lerhandwerk hingewiesen. Die Resultate dieser pa-
Fi<s. 3. Elf ent einmadonna, französisch, frühes 14, Jahrh,
Aus Nachlaß Louis Marx, Frankfurt a. M.
triotischen Archäologie hat er in Lokalblättern, wie
der Didaskalia, der Kleinen Presse und im Hessen
kalender veröffentlicht. Diese Aufsätze, der über die
Münzenberger Truhe (1908), über die Leustadter
Truhe (1911), über Waldpurga von Dietz (1913), über
Philipp Grafen zu Solms (19i4) und andere sind wert
voll, weil sie unbekanntes Material bringen. Sie sind
amüsant zu lesen, weil die ehrliche Begeisterung
für das Alte, die Freude an der Arbeit des Suchens
auf einem unerforschten Gebiet und der Stolz auf
die neugefundenen Resultate herausleuchten. Sie
sind gewürzt durch Seitenhiebe auf die zünftige
Kunsthistorie, die über der Erforschung der wel
schen Kunst diese Nebengebiete damals zu sehr
vernachlässigt hatten. Der Widerspruchsgeist gegen
die Professionellen hat sich auch nicht beruhigt, als
die Kunstgeschichte schon längst die deutsche Kunst
mit allen Spezialgebieten sorgfältig durcharbeitete.
Außer dem Kunstgewerbe gekörte seine Liebe der
mittelalterlichen Plastik. Auch aus seinem Besitz