Internationale
^ammler-Zeifunfl
Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde
Herausgeber: Norbert Ehrlich
22. Jahrgang Wien, 15. Dezember 1930 Nr. 24
Die Qastiglioni-Jluktion in Berlin.
Aus Berlin wird ums geschrieben:
Die Versteigerung der Wiener Sammlung Ca
millo Castiglioni, die am 28, und 29, Novem
ber unter Leitung von Paul Graupe von den
Firmen Ball und Graupe vorgenommen wurde,
rechtfertigte die großen Erwartungen, die ein großer
Kreis von Sammlern und Händlern auf sie gesetzt
hatte, Es war hier nicht zu befürchten, daß, wie
bei der Versteigerung Kappel durch Annahme gänz
lich unzeitgemäßer Limitierungen ein Verkauf behin
dert werden würde. Vielmehr war das gesamte Ma
terial völlig unlimitiert.
Ein zahlreiches Publikum, in dem die promi
nenten Sammler und Händler des In- und Auslandes
reich vertreten waren, folgte sehr kauflustig dem
Verlauf der glänzend organisierten Auktion, die mit
den Bildern eröffnet wurde. Unter diesen brachte
eine florentinische Kreuzigung des 14, Jahrhunderts
Mark 4300.—, die Madonna des Bacchiacca Mark
5600.—, das Frauenporträt des Bronzino Mark
15.200,—•, das Herrenporträt des Tintoretto Mark
5100, : —, zwei venezianische Veduten Mark 5200,—,
beziehungsweise Mark 7800.—, ein Diptychon des
Gerard David Mark 12.000.—, zwei Cranach-Bilder
Mark 7400.—, beziehungsweise Mark 4800.—. Zwei
Glanzstücke der Auktion waren das Jünglingsporträt
eines unbekannten schwäbischen Meisters um 1520,
das mit Mark 16,500.— zugeschlagen wurde, und der
Sonnenwagen von Rubens, der von der Galerie
Matthiessen mit Mk 35.000.— erworben wurde. Eine
Himmelfahrt von van Dyck erzielte Mark 10.200,—,
ein Stilleben von van Beijeren Mark 5100.—, eine
köstliche Genreszene von Greuze Mark 9300.—.
Eine Zeichnung von Tintoretto erzielte Mark 3450.—-,
Eine Guar di - Handzeichnung: Ansicht von Venedig
Mark 3600.— . Auch die Skulpturen wurden mit glei
chem Interesse, wie die Gemälde aufgenommen. Die
schöne Madonna des Ghiberti brachte Mark 2600,—,
zwei Robbia-Reliefs Mark 3000.—, beziehungsweise
Mark 5100.—, eine Tabernakel - Front des . Andrea
della Robbia Mark 4200,—, eine Marmorfigur des
Rizzo Mark 2100.—■, zwei umbrische Leuchterengel
Mark 3200.—, ein Adler des Lombardi Mark 3100.—,
eine Marrnorgruppe von Zacchi Mark 2700.—.
Sehr stark umworben waren dann die italieni
schen Renaissance-Möbel. Gleich zu Anfang dieser
Abteilung brachten ein Paar Chorstühle sienischer
Schule um 1500 Mark 4400.—. Eine florentinische
Nußholz-Cassapanca vom Ende des 16. Jahrhunderts j
stieg auf Mark 5100.—, eine unteritalienische Flügel
tür um 1550' brachte Mark 4200,—■, die zahlreichen
Stühle erzielten sämtlich je Mark 3000.— bis 4000.—,
der prachtvolle ligurische Nußholztisch Mk 10.100.—.
Von den französischen Möbeln seien vor allem ge
nannt eine Sitzmöbelgarnitur mit Mark 6300.—, zwei
vergoldete Tischchen mit Mark 5100.—, eine Au-
busson-Garnitur mit Mark 7000.—- und eine Bolog
neser-Garnitur mit Mark 1600.—.
Der zweite Versteigerungstag begann mit den
Bronzestatuetten, Hier erreichten eine kleine Sta
tuette des Campagna Venedig 1555 den Preis von
Mark 1850.—, ein italienischer schreitender Herku
les Mark 5500.—, ein sitzender Jüngling des Riccio
Mark 4500.—, zwei venezianische Bronzeleuchter
und ein Bronzetintenfaß Mark 5300.—. Das Pracht
stück der kleinen Bronzen, die Gruppe Herkules und
Nessus von Giovanni da Bologna ging für Mk 10.000
fort, eine zweite Herkules-Gruppe des gleichen
Künstlers für Mark 9000,—.
Es folgten die kunstgewerblichen Metall
arbeiten, Hier waren die Gipfelpunkte das Prunk
tischgerät August des 'Starken, silber-vergoldet. Die
beiden Prunkflaschen dieses Gerätes brachten Mark
15.000.—, die Silberschüsseln mit Glocke bewegten
sich zwischen Mark 1500,— und Mark 4200,-—, Ein
Paar silberne Tafelleuchter von Ingermann erzielten
Mark 16.000.—. Eine Pariser Bronzeuhr Mk 3600.—,
eine französische Golddose Mark 4000.—, eine chi
nesische Bronzeyase des Mittelalters Mark 4100.—,
Die letzte Nachmittagssitzung brachte Keramik,
Tapisserien, Textilien und einen Nachtrag auser
lesener kunstgewerblicher Erzeugnisse. Bei der
Keramik wurden die Schätzungen bei stärkstem In
teresse fast durchwegs bedeutend überschritten.
Den höchsten Preis von Mark 8100,— brachten drei
Fayence - Vasen, Delft, um 1700; dicht dahinter
stehen drei China-Vasen mit Mark 8000.—. Audi
das italienische Steinzeug aus Urbino : und Siena
wurde sehr begehrt. — Unter den europäischen Ta
pisserien stand am höchsten ein Brüsseler Gobelin
des 17. Jahrhunderts mit Mark 6000.—; andere ita
lienische und flandrische Erzeugnisse brachten zwi
schen Mark 2500.— und Mark 5000.—, Ein herr
licher Uschak des 17. Jahrhunderts brachte Mark
6000,—; andere Orientteppiche kleineren Formats
. und späterer'Zeit bewegten sich zwischen 1000 und
j 2000 Mark.