MAK
Internationale 
gammfer-Hßifunjj 
Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde 
Herausgeber: Norbert Ehrlich 
22. Jahrgang Wien, 1. März 1930 Nr. 5 
Carf pour „Business 
Von Fritz Valentien (Stuttgart). 
Das ,,1’art pour Tart” ist ein längst überwunde 
ner Standpunkt. Es hatte am meisten Geltung, so 
lange die Pflege der Kunst, gleichzeitig mit dem Im 
pressionismus, eine Angelegenheit privater Initiative 
war. Zu seiner Zeit, als Wissenschaft und öffentliche 
Meinung noch im Historizismus befangen waren, 
hatte diese individuelle Einstellung, die Kunst um des 
„Schönen“ willen zu lieben und zu schätzen, auch 
ihre Berechtigung. Sie hat den Privalsammler, den 
bürgerlichen Kunstfreund geboren, hat durch wenige 
Einzelpersönlichkeiten eine Kunstförderung gezeitigt, 
die dem öffentlichen Sammelwesen weit voraus war. 
Besonders in Frankreich war diese Bewegung zu 
Hause, und vielleicht nirgends so sehr als in Paris 
konnte die Kunstförderung vom privaten Publikum 
betreut werden. Deshalb wird hier wohl auch der 
große Unterschied zwischen der Fortschrittlichkeit 
privater und der Rückständigkeit der öffentlichen 
staatlichen Kunstpflege besonders deutlich. Es ist ja 
genügend bekannt, daß die größten Schätze der fran 
zösischen Museen aus Vermächtnissen und Stiftungen 
herrühren. 
Eine Begleiterscheinung dieses Privatsammler- 
tums ist die Betrachtung der Kunst als Gegenstand 
wirtschaftlichen Wertes. Die ungeheuren Wertsteige 
rungen, die diese Sammlungen moderner Kunst aus 
der 2. Hälfte des vorigen Jahrhunderts inzwischen 
erfahren ha;ben, tragen natürlich zu der Bedeutung 
dieses materiellen Wertes der Kunst ibei. Z, B. hat 
Hans T ie t z e einmal, aus diesen Beobachtungen 
folgernd, den Wiener Museen empfohlen, selbst dann 
zeitgenössische Kunst anzukaufen, wenn man sich 
über den bleibenden künstlerischen Wert nicht ganz 
klar sei. Das zumeist nur geringe Risiko von 100 An 
käufen würde durch die Wertsteigerung von nur 
wenig Werken reichlich aufgewogen. 
Nun mag es verwerflich sein, die Kunst nur von 
ihrem Wirtschaftswert und deren Steigerung aus an 
zusehen; jedenfalls wirkt es abstoßend, das Kunst 
sammeln nur als Spekulation zu betrachten und ein 
Bild nur um seiner Expertise willen zu schätzen, 
wenn man seinem inneren Gehalt fernsteht. Indessen 
hat diese geschäftliche Ueberlegung auch ihren Sinn 
und Zweck, wenn sie Hand in Hand geht mit einer 
systematischen Auseinandersetzung um den künst 
lerischen Wert eines Kunstgegenstandes, der doch 
der wirtschaftlichen Einschätzung zugrunde liegt. 
Das ,,1‘art pour 1‘art“ wandelt sich in ein ,,1’art pour 
Business’' und diese Einstellung kann dann eine Be 
gründung und Vertiefung der Sammlerneigungen zur 
Folge haben, ja, sie erzieht dann sogar den Privat 
sammler zu einer größeren Verantwortung gegenüber 
der Allgemeinheit. 
Zunächst ist es interessant, diese Ausbildung 
des 1‘art pour hart zu einem 1‘art pour Business als 
eine Entwicklungsfolge der Individual- zur Kollektiv 
gesinnung zu sehen. Die bislang um persönlicher Lieb 
habereien oder einseitig ästhetischer Genüsse willen 
zusammengetragenen Sammlungen haben die künst 
lerische Seite ihrer Sammelobjekte oft vernachläs 
sigt. So läßt sich z. B. über das kulturelle Verdienst 
des Grafen Schack, um aus der Reihe der Kunst 
förderer nur einen Namen zu nennen, sehr wohl 
streiten, wenn man bedenkt, daß er Maler wie Len- 
bach und Marees sklavisch zwang, römische 
Bilder zu kopieren, anstatt sie frei schaffen zu lassen. 
Solche persönlichen Neigungen der Sammler und ihre 
gewalttätige Erfüllungen gelten heute nach außen 
hin sehr wenig und ihr Mangel an künstlerischer Be 
deutung tritt in unserer Zeit deutlich zutage. Die 
Einstellung zur Kunst und vor allen Dingen ihre Ein 
schätzung haben ein allgemeinverbindliches Gesicht 
bekommen. Und diese Bindung der Gesellschaft ge 
genüber hat selbstverständlich eine Neuorientierung 
ihrer Wertschätzung nach ihren Wesenswerten zur 
Folge. Wenn irgendwann die wirtschaftliche Ein 
schätzung der Kunst nach ihrem künstlerischen Wert 
erfolgt, dann ist das heute der Fall, 
Tatsächlich werden wir uns an Stelle der nur 
ästhetischen und schöngeistigen Betrachtungsweise 
der Kunst zu einer mehr auf ihre Bedeutung gerich 
teten Anschauung einzustellen haben. Dabei ist es 
selbstverständlich, daß uns nicht nur ihre kulturelle 
Seite oder geistige Bedeutung wichtig ist, sondern 
Hand in Hand mit dieser geht ihre allgemeingültige 
Preisbewertung auf Grund der Beobachtung ihrer 
Wesenswerte. Diese heutige Verbindlichkeit der 
Oeffentlichkeit gegenüber hat also eine Ueberein- 
stimmung des künstlerischen und wirtschaftlichen 
Wertes herbeigefdhrt und daraus ergibt sich in erster 
Linie eine Rechtfertigung des 1‘art pour „business". 
Daß wirklich diese wirtschaftliche Ueberlegung 
des Sammlers dem künstlerischen Wert seiner 
Schätze und dem Niveau seiner Sammlerneigungen 
nicht hinderlich sein muß, wird deutlich bei einem 
Rückblick auf die französischen Kunstfreunde des
	        
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