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Nr. 5 
INTERNATIONALE SAMMLER - ZEITUNG 
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vereinigt, von den ersten Porträts der Mutter, die ihren Sohn 
die Bibel gelehrt hat, bis zum „Jan Antonides van der Linden“, 
der für die Hippokrates-Ausgabe von Lindenberg bestimmt 
war, aber vom Verleger van Galsbeck — abgelehnt wurde, weil 
ihm die Radierung „zu frei“ radiert war. Die Handzeich- 
n u n g e n, dis .sozusagen die Werkstatt des Genies veranschau- 
liahen, stammen aus dem Berliner Kabinett, aus den Sammlun 
gen König, Güterbock und Liebermann. 
Waldmüller, 
Zur Ausstellung im HagenbuncL 
Von Dr, Max Ermers (Wien). 
In der Fülle der Unzulänglichkeiten, die das 
Wiener Ausstellungswesen nicht selten erdrücken, 
ja zum Ersticken bringen, ist diese retrospektive 
Uebersicht ein erquickender Lichtpunkt. In normalen 
Zeiten sollten historische Revuen, die in die Vergan 
genheit blicken, eigentlich zu den Ausnahmen ge 
hören — sie usurpieren den Platz, der den Museen 
gebührt — in unserer so kunststerilen Zeit aber muß 
man Organisationen, wie dem 1 lagenbund, dankbar 
zustimmen, daß sie von der trostlosen Gegenwart 
ablenken und in jene Zeit zurückführen, da die 
Kunst noch etwas Wesentliches, Ueberraschendes 
und Eindringliches zu sagen hatte. 
Damit ist noch lange nicht gesagt, daß ein jeder, 
der früher malte oder bildhauerte, gleich ein Aner 
kannter war. In Oesterreich war W al dmüller 
niemals so etwas, wie ein Arrivierter, Noch im 
letzten Jahrzehnt seines Lebens, dem achten, war 
er ein Verfolgter, Zurückgesetzter, Bettelnder. Als 
er geboren wurde, 1793 als Sohn eines Tiefen 
Graben-Bierwirts, war der bürgerliche Klassizismus, 
wie ihn bei uns Füger mit aristrokratischer Nuance 
lehrte, in voller Herrschaft. Als er ein Jüngling war, 
durchging, um nicht Geistlicher werden zu müssen 
und Zuckerwaren bunt beklekste, herrschte immer 
noch Empire und das kleinbürgerliche Römertum. 
Als er zum Manne heranzuwachsen begann und die 
„Römer“ wieder einmal von der Weltbühne abge 
treten waren, waren die Künstler wieder in eine neue 
Maske, in die der mittelalterlich-religiös-national 
schimmernden Nazarener-Romantik hineingeflüchtet. 
In diese Welt, die aber auf den verstaubten 
Lehrstühlen, in den fensterverhängten Meisterstuben 
und Werkstätten saß und dozierte, platzte plötzlich 
der junge Waldmüller und riß mit ganz unwieneri- 
sdher Geste die dunklen Vorhänge auf. Es ist nicht 
ganz leicht zu sagen, woher ihm die erste Anregung, 
der große Mut zu seinem licht- und sonnendurch 
fluteten Naturalismus gekommen ist. Tatsache ist — 
die vier Riesen-Apotheken-Schilder aus der Samm 
lung H. E i s s 1 e r beweisen es mit ihren heiteren 
Musen und würdigen Römern aufs neue — daß er 
lange unter dem Einfluß der Diktatur Füger-Zauner 
stand. Es scheint, daß ihn erst die Kopisterei an den 
Niederländern, namentlich an Ruisdael und den 
Kleinmeistern von Füger losgelöst hat. 
Ein österreichischer Hauptmann, der ä tout prix 
— weiß Gott warum — seine Mutter „akkurat so 
gemalt haben wollte, wie sie wirklich sei“, wurde für 
den Kopisten die notwendige Erschütterung, um sein 
innerstes Wesen bloß zu legen. Von diesem Augen 
blick an öffnete er die Augen für den ganzen Glanz 
der Welt, den er seitdem nicht mehr losließ. Von 
jenem Tag schritt er den konsequenten Weg in die 
Natur hinein, ins Licht, in die Sonne und vor allem 
in die niederösterreichische Heimat. Er wagte es, 
der Ateliersauce und der Akademie den Krieg zu 
erklären und unbekümmert um alles Bisherige mit 
seinem nackten Augenpaar die Dinge und die Land 
schaften zu betrachten, „wie sie wirklich sind“. 
Aber niemand verstand ihn damals. Die Kollegen 
rückten von ihm ab, die Kritiker betrachteten ihn 
als Sensationsmacher, der den Spleen hatte, in der 
Sonne analen zu wollen und dadurch nichts anderes 
erzielte als eine grelle Blech- und Lackmalerei. Nur 
London und Paris wurden schon in den Fünfziger 
jahren auf Waldmüller aufmerksam — und kauften 
ihn. In England wird denn auch noch manches Un- 
entdeckte des Malers schlummern. 
Nicht nur auf der Leinwand, auch mit der Feder 
führte er den Kampf um die Erneuerung der muffig 
gewordenen Kunst. Er forderte kategorisch die Auf 
lösung der alten Akademie mit ihren abstumpfenden 
Gipskursen. Wetterte gegen Stil und Manier und 
das sinnlose Kopieren der Alten. Die Kunst der 
„Aufnahmsstücke“ für die Akademie prangerte er 
als ebenso verlogen und unwahr an, wie die Profes 
soren selbst. Der Staat möge es überhaupt aufge 
ben, Kunst zu lehren oder über sie zu urteilen. 
Waldmüller machte sich damit alles eher als Freunde.' 
Im Gegenteil. Eine Künstlervereinigung, die er grün 
den wollte zur Verbesserung der Kunst der Heimat, 
wurde im Keime erstickt. Eine hochnotpeinliche 
Untersuchung gegen sich mußte er sich gefallen 
lassen, . . sie endete mit Verdammung, Pensionierung 
und Halbierung seines Gehaltes. Seine Bilder blieben 
unverkäuflich — in Oesterreich. Dazu kam noch ein 
schweres Augenleiden. Anfang der Sechzigerjahre 
war er in seiner Not gezwungen, seinen ganzen Bil 
dervorrat um eine Bagatelle loszuschlagen. Als 1864 
Franz Josef I. das Unrecht gutzumachen suchte und 
seine Pension wieder erhöhte, war es zu spät. Wald 
müller war ein gebrochener Mann und starb kurz 
nachher. 
Im Technischen, in der Auffassung, in Naturein- 
stellung und Kampfeslust Revolutionär durch, und 
durch, blieb Waldmüller im Thema in den gewohn 
ten Geleisen. Pendelte zwischen Vautier, Calame, 
der niederländischen Genrekunst und der Altwiener 
Porträlmalerei. Wenn die Sonne auf seinen Bildern 
einmal nicht da ist, kommt er ganz in die Nähe 
Danhausers. Der Bauer Niederösterreichs bleibt 
neben dem Wienerwald und dem Salzlkammergut 
sein bevorzugtes Thema, Aber nicht der Bauer, wie 
Millet ihn später sah, sondern eine Art romantisch 
herausstaffierter Trachtenbauer, dem eine gewisse 
Rousseau'sche Natursüße und geleckte Zufriedenheit 
nicht abging, auch wenn er gepfändet oder kon- 
skribiert wurde. Die grelle Sonne des Pleinairisten 
leuchtete da nicht seilen über den vormärzlerischen 
Genremaler, der seine Szenerie „schön und anmutig“ 
stellte. Wer den echtesten Waldmüller genießen 
will, muß schon einiges, was von der Konvention 
dem Wiener Maler anhaftet, abstrahieren können. 
Die Wiener Museen, auch ihre versperrten De 
pots, haben die Ausstellung reich beschickt. Auch 
viele private Sammler, wie Dr. Eissler, Komm.- 
Rat Silier, Präs. Bloch-Bauer, Prof. U1 1 - 
mann, Gräfin W impf f en usw, In wenigen Tagen
	        
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