Internationale
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Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde
Herausgeber: Norbert Ehrlich
22. Jahrgang Wien, 15. März 1930 Nr. 6
Die sFigdov-Jluktionen.
Der Termin der ersten Figdor-Auktion steht
noch nicht endgültig fest, aber es ist eine durch
nichts mehr zu erschütternde Tatsache, daß sie in
Wien abgehalten werden wird, Das ist das Ergeb
nis der Verhandlungen zwischen Herrn Nebehay
und der Regierung, die sich auch — spät genug —
dazu entschlossen hat, in die ganze Angelegenheit
die erwünschte Klarheit zu bringen. Man weiß jetzt,
was dem Bunde aus den Figdor-Sammlungen als Stif
tung zufällt, man kennt nun den Inhalt der Ver
einbarungen, die betreffs der Ausfuhrtaxen getroffen
wurden.
In bezug auf die Stiftung besagt ein amtliches
Kommunique: »Der Grundgedanke mußte im Sinne
des § 6 des Denkmalschutzgesetzes — nur um die
sen handelt es sich — vor allem der sein, • daß die
Stiftung die Eigenart der Sammlung im enge
ren Kreise möglichst voll zu charakterisieren
und als ein geschlossener musealer Be
stand ein dauerndes Denkmal und Abbild dieses
eigenartigsten Sammlerwillens darzustellen habe.
Dies konnte aber nicht damit erreicht werden, daß
man einige hochwertige Einzelstücke auswählte und
sich dabei auf die Austriaca beschränkte, wie dies
bei dem seinerzeitigen Angebote Dr. Figdors der Fall
war, sondern vor allem durch die Erhaltung großer
geschlossener Kollektionen, in denen sich die Per
sönlichkeit des Sammlers in ihrer vorwiegend kultur
geschichtlichen Einstellung offenbart. Daneben muß
ten natürlich auch die besonderen Interessen an den
für die österreichische Geschichte und den österrei
chischen Kunstbesitz wichtigen Stücken berücksich
tigt werden. In diesem Sinne wurde eine in sich ge
schlossene Sammlung zusammengestellt, die folgende
Gruppen und Einzelwerke umfaßt:
Die ganzen Kollektionen der Gläser mit den
wertvollen venezianischen und Hallergläsern, der
Kacheln, darunter Stücke von Weltruf, die ein
zigartige Sammlung der gotischen Model, die von
Geheimrat B o d e in einem eigenen Werke veröffent
licht wurde, die Ringe, mit dem Papstring Pius II.
(Aeneas Silvius), die Renaissancebestecke, die Fi
beln, Pulverhörner, Werkzeuge, Meßinstrumente und
Uhren, die Schlüssel und Beschläge, Kostüme,
Polster, Taschen und Aumonieren mit bedeutenden
gotischen Stücken, die Fächer mit den prachtvoll
gotischen Flabellen, das große Puppenhaus
aus dem 17. Jahrhundert und historische Spiel
zeuge, zwei vorzügliche Renaissanceöfen,
die spätgotische Einrichtung aus Schloß
Annaberg im Vintschgau, den großen gotischen S a-
kristeischrank und die mächtige Kassetten
decke aus Feldkirchen in Kärnten, die reichge
schnitzte Türumrahmung des 16. Jahrhunderts aus
Schloß Lustal, schließlich als Hauptstücke die schöne
Madonnenstatue aus Salzburg von zirka
1450 und den prachtvollen heiligen König der
Pacher-Schule, beides Glanzstücke aus der
gotischen Ausstellung in Wien 1926, eine Krippe von
dem Meister des Michaeler Oelberges, die große
Bronzestatuette Christi von Adriaen de V r i e s,
wahrscheinlich aus der Rudolfinischen Kunstkammer,
die Bleistatue von Raphael Donner, das wunder
bare Porträt von Rueland Frueauf d. Ae. und
die vier spätgotischen Bilder der Oswald-Legende,
die Herzheimer-Madonna zirka 1450, die gotischen
Glasmalereien aus Straßengel, das rcicheingelegte
Schreibpult Ferdinands von Tirol und die Kheven»
hiiller- und Herzheimer-Chronik.
Dazu kommt die große Sammlung der V i e n -
nensia mit Bildern und Miniaturen von Füger,
Isabey, Waldmüller, Pettenkofen, Daffinger und
Aquarelle von Rudolf v. Alt, Wiegand usw., Wiener
Goldschmiedearbeiten, die bis ins 16. Jahr
hundert zurückreichen, eine bedeutende Buchsholz
schnitzerei von 1530 und vieles andere. Erst eine
museale Aufstellung dieser Bestände, die jedenfalls
mehrere Säle beansprucht, wird ein Bild vom
künstlerischen und kulturgeschichtlichen Wert die
ser Stiftung geben können, mit der Wien ein
neues bedeutendes Museum erhält,«
Der Wert dieser Objekte wird amtlicherseits
mit 3 Millionen Schilling beziffert, was freilich
von Seite der Vereinigung der Antiquitäten- und
Kunsthändler Wiens stark angezweifelt wird. Sie
meint, daß Stücke ausgesucht wurden, die zum
größten Teil nicht marktgängig und darum schwer
verkäuflich sind, wie z. B. die Holzmodeln, die Gra
tulationskarten, Fächer, Taschen u. dgl.
In dem amtlichen Kommunique wird auch darauf
hingewiesen, daß bezüglich der ersten Auktion ein
Uebereinkommen getroffen wurde, wonach für
alle versteigerten Gegenstände, ohne Rücksicht
darauf, ob sie ausgeführt werden oder nicht, fünf
Prozent des Auktionserlöses als Ausfuhrab
gabe an den Bund abzuführen sind. Für jene Ge
genstände, die von Herrn Nebehay unter der Bewil
ligung der Verauktionierung im Auslande aus-