MAK
Seite 92 
INTERNATIONALE SAMMLER - ZEITUNG 
Nr. 8 
Auf welche eigentümliche Weise sich diese 
wenigen Exemplare erhalten haben, teilt uns Martin 
Breslauer mit. Er erzählt: ,,Der Verleger in 
Nöten“ war gezwungen, einen kleinen Teil der schon 
an sich kleinen Auflage seinem Leipziger „Kommis 
sionär“ zum Pfände zu überlassen. Das war der alte 
Kommerzienrat Otto Nauhardt, ein Buchhändler 
von altem Schrot und Korn, dessen Eirma Carl Fr. 
Fleischer an die 500 Kommittenten in Leipzig be 
treute; auch meine Firma vertrat er. Als ich eines 
Tages, es mögen annähernd 25 Jahre her sein, beim 
alten Nauhardt im Privatkontor saß, erzählte er mir 
die Geschichte des „Bunten Buches", und zum Schluß 
rief er seinen langjährigen Prokuristen Bruckner 
und ließ ihn aus einem Packen, der verschnürt auf 
einem Schranke lag, ein Exemplar des „Bunten 
Buches“ nehmen, das er mir dann mit einigen freund 
lichen Worten schenkte. Ich wußte das kostbare 
Buch wirklich zu werten. Kurze Zeit vorher, im 
Jahre 1906, hatte ein Exemplar in einer Berliner 
Versteigerung den für die damalige Zeit und für einen 
modernen Dichter ganz ungewöhnlich hohen Preis 
von 290 Mark erbracht, der in den bibliophilen 
Kreisen großes Aufsehen erregte. Ich wohnte der 
Versteigerung bei und gleich, als ob es heute gewe 
sen wäre, erinnere ich mich des Vorfalles, da ein 
junger Sammler nach heftigem Kampfe sich dieses 
bisher einzig bekannte Exemplar zu eigen machte. 
Es war Erich Reiß, der spätere Verleger, — Der 
alte Nauhardt starb und vermachte letztwillig seinem 
Prokuristen Bruckner die wenigen Exemplare des 
„Bunten Buches", der ab und zu, besonders in den 
schweren Zeiten der Inflation, sein Schatzkästlein 
öffnete und ihm hin und wieder ein Exemplar des 
„Bunten Buches" entnahm. Nun ist auch Bruckner 
schon manches Jahr tot, Das ist das Schicksal des 
„Bunten Buches“, dessen Original wir hier anbieten.“ 
Breslauer schließt: „Und während ich dies hier 
schreibe, spielt mir einer jener ungewöhnlichen Zu 
fälle, die das Leben des Bücherfreundes beglücken, 
den Entwurf einer Rechnung in die Hand, die Ger- 
hart Hauptmann sicherlich nie erreicht hat. Sie ist 
datiert: Beerfelden Michelstadt vom 6. Januar 1888, 
ausgestellt für Herrn Schriftsteller Gerhart Haupt- 
mann, Erkner von A, L. Meinhard, Buchdruckerei, 
Buch-, Schreib-, Schulbedarf- und Cigarren-Hand- 
lung, Assekuranz-Geschäft. Das war Gerhart Haupt 
manns erster Verleger! Wir sehen daraus, daß 400 
Exemplare des „Bunten Buches" in Rechnung ge 
setzt, und ferner 3200 Bogen Papier berechnet wur 
den. Ist das Papier je geliefert worden, wurden 
„400 Gedichte“ gedruckt? Die bisherige Geschichte 
berichtet nur, daß der Druck nicht vollendet wurde, 
weil der Papiervorrat nicht vorhanden war, So ist 
uns die volle Erklärung, die wir vermessen genug 
waren zu erhoffen, doch nicht gelungen, und es bleibt 
übrig das große Fragezeichen, wieviel Exemplare 
wurden tatsächlich hergestellt? Der Dichter selbst 
wird hierüber keine Auskunft geben können, da die 
Auflage des Buches ja nicht in seine Hände gelangte," 
Ein JSrief Cuthers. 
Unter den hundert Autographen, die das Anti 
quariat J, A, S t a r g a r d t in Berlin als Neuerwer 
bungen in seinem eben erschienenen Katalog 303 zu 
sammenfaßt, befindet sich ein Luther-Brief von 
22. November 1534. (Eine Seite Folio.1 
Er ist in lateinischer Sprache abgefaßt und an 
Joachim M ö r 1 i n, den ersten evangelischen Super 
intendanten (Luther schreibt „episcopus") zu Arn 
stadt in Thüringen gerichtet. Mörlin hatte sich durch 
den frommen Eifer, mit dem er von der Kanzel her 
ab auf den un christlichen Lebenswandel einiger 
Ratsmitglieder hingewiesen hatte, großen Haß zuge 
zogen und wurde 1543 seines Amtes entsetzt. Da die 
Bürgerschaft seine Wiedereinsetzung vergeblich er 
bat, verließ Mörlin Arnstadt und ging nach Göttin 
gen. In diesem Beschluß bestärkte ihn zweifellos der 
Brief Luthers, an den er sich, Rat und Hilfe suchend, 
gewandt hatte. 
Der Brief lautet in der Uebersetzung: 
„Gnade und Friede von Gott! Wass kann ich 
auch anders rahten, als das, was Paulus und der 
Herr selbst gerahlen? Mein lieber Herr Doctor, wo 
euch iemandt nicht annehmen wird, so gehet herauß 
von derselben Stadt, und schüttelt den Staub von 
euren füssen; den ihr habt sie nicht verworffen, 
damit sie euch nicht hören, sondern sie verwerffen 
euch, das ihr sie nicht lehren sollet. Sie haben nicht 
dich, sondern mich verworffen, sprach der Herr zu 
Samuel, dass ich nicht König über sie sein soll; und 
Paulus „Nun ihr das word der Seeligkeit von euch 
stösset, siehe so wenden wir unss zu den Heyden," 
So werdet ihr auch ewer Gewissen mit frembden 
Sünden nicht beschweren können, insonderheit mit 
denen welche Sie vertheidigen, indeme Sie ihrem 
Prediger widersprechen, derowegen lasset nur ihrem 
Zorn raum und weichet, den das Hauss ist nicht 
werth, dass ewer friede darauff kommen soll; und so 
viel ich dabey werde thun können, soll ihnen kein
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.