Internationale
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Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde
Herausgeber: Norbert Ehrlich
22. Jahrgang Wien, 1. Mai 1930 Nr. 9
Die Miniaturen der Sammlung Glesch.
Mit der Versteigerung der Miniaturensammlung
des Großindustriellen Josef von F 1 e s c h. die C. J.
W awra in Wien am 12. und 13. Mai durchführt,
geht ein Kunstbesitz von Rang und Eigenart seiner
Auflösung entgegen. Diese Sammlung wurde in den
Neunzigerjahren des vorigen Jahrhunderts angelegt,
durch Erwerbungen aus altem Privatbesitz, und in-
und ausländischem Kunsthandel gespeist und viel
fach durch Beiträge aus den zur Versteigerung ge
langten Sammlungen: Breda, Bergmann, Beroldingen,
Csaky, Cubasch, Hirschler, Hörmann, Köhler,
Lachnit, Lanna, Theer, Zasche, Zuckerkandl u. a.
in wirksamer Weise ergänzt. Die Mannigfaltigkeit
dieses Sammelkomplexes, welcher durch Auffin
dung und Aneinanderreihung seltener in- und aus
ländischer Email- und Porzellanminiaturen eine per
sönliche Note erhielt, hatte zur Folge, daß einer
Auslese desselben in den Spezialausstellungen von
Wien (1905 und 1924), Berlin (1906), Brünn (1909)
und Rom (1911) mannigfaches Interesse entgegen
kam.
Der persönlichen Einstellung ihres Besitzers zu
folge, ist in ihr vorwiegend österreichisches und fran
zösisches Kunstgut vertreten. Unter den Repräsen
tanten der österreichischen Miniaturbildniskunst
nimmt Füger auch hier die ihm gebührende Aus
nahmestellung ein. Er tritt gleich mit einem halben
Dutzend von Arbeiten, die seiner Wesensart entspre
chen, hervor. Wir nennen das mit bewunderungswür
diger Technik ausgeführte Gürtelbild der Kaiserin
Maria Ludovika, der Gemahlin Leopold II., ferner
das durch schlichte, ungekünstelte Wiedergabe des
unmittelbaren Natur eindruckes gekennzeichnete
Brustbild der Herzogin von Angouleme und den
durch seine sprühende Farbigkeit fesselnden ,,roten
Kavalier“. Aus dem. Nachlasse des Füger-Schülers
W eixlbaum stammt das durchgeistigte Selbst
bildnis des Meisters; aus altem Familienbesitz das
keck und sicher hingetüpfelte Porträt des Hof
archivars Melchior von Schäffer. Mit der zeit- und
kunstverwandten Persönlichkeit Josef Grassis
hängt das in Zeichnung und Farbe geschmackvoll
abgestimmte und auf Pergament gemalte Gürtelbild
einer Gräfin Edling zusammen. Von Weixlbaum,
welcher die künstlerische Handschrift Fügers bis
weilen mit überraschender Sicherheit beherrschte,
rührt die originelle, in der Fachliteratur wiederholt
angeführte miniaturistische Charakterstudie der Ba
ronin Pereira - Eskeles her. Den Einfluß der Füger-
Schule beziehungsweise der von Füger ausgehen
den klassizistischen Richtung der Wiener Akademie
spiegeln u. a. die beachtenswerten Kleinbildnisse
des Düsseldorfer Guierard, des aus Frankreich
stammenden Hummel de Bourdon, des Sach
sen Vieth, des Potsdamers Lieder und des
Tirolers Schärmer wider. Von Suchy fallen
zwei, naturalistisch erfaßte Bildnisse des Kaisers
Ferdinand I., von G r i 1 h o f e r, ein frühes Porträt
des Dichters Friedrich Halm, auf. Die Kunst eines
Daffinger bezeugt das feinmalerische und bis ins
kleinste Detail mit liebevoller Sorgfalt ausgeführte
Porträt eines Fürsten Loewenstein und nicht minder
das dem verschönernden wienerischen Dekor Rech
nung tragende Gürtelbild einer Gräfin Keglevich,
Unter den Schülern und Nachfahren Daffingers
machen sich neben dem sehr geschickt nachempfin
denden Peter, dem geschmackvoll idealisierenden
A n r e i t e r, dem koloristisch empfindsamen Saar
die Mitglieder der Malerfamilie Theer bemerkbar.
Insbesonders ist es Robert Theer, welcher durch
einige Frauenbildnisse von bodenständiger, wieneri
scher Anmut und einschmeichelnder Farbigkeit, wie
etwa durch das Porträt seiner reizenden, jungen
Gattin, ein mehr als durchschnittliches Interesse zu
erwecken vermag. Die etwas herbere künstlerische
Note seines Bruders Albert tritt in zwei ausgezeich
net erfaßten Männerbildnissen zutage: in dem sei
nes Schwiegervaters, des Hofmalers und Kupfer
stechers Sigmund von Perger und in einem Brustbild
des früh gealterten und offenbar durch den Tod
seiner Tochter vergrämten Miniaturmalers Daffin
ger. Auf den Ausklang der Daffingerschen Kunst
weisen die Arbeiten eines Raab, Schwager
und W a i 1 a n d hin. Unter den österreichischen
Kleinmalern des gleichen Sammelkomplexes befin
det sich schließlich auch eine Reihe bedeutender
Künstler, welche auf Porzellangrund ihre Bildnisse
ausführten und deren Lebensschicksal und künst
lerische Entwicklung sich vielfach mit den Ge
schicken der berühmten Altwiener Porzellan- Manu
faktur berührt. Hervorhebung verdienen u. a,: Georg
Lamprech t, einer der führenden Spezialmaler
des Wiener Spätklassizismus, ferner der aus Pirken-
bammer stammende Johann Zacharias Quast,
welcher Kopien auf Porzellangrund nach Daffinger-
Originalen mit erstaunlicher Geschicklichkeit an
fertigte, der vielseitig begabte Claudius Herr und
vor allem der kraftvolle Joseph Zas c h e, das