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INTERNATIONALE SAMMLER-ZEITUNG
Nr. 16
leistet, Die Klage erweiterte sich, als im Münchner
Glaspalast, in dem unselig gewordenen, vor einigen
Jahren eine Ausstellung-war, die Fresken vorführte.
Im Gespräch mit Urban bedauerte Faistauer das mit
dem Ende der Ausstellung verknüpfte Ende der
Wandgemälde. Das war die entscheidende Anregung,
und was nun folgte und sich über mehrere Jahre hin
zog, war schwer und drückend an Arbeit, bis zu
jenem glückhaften Zeitpunkt, der des Finders und des
Erfinders Einfall in sich trägt. Die mühevolle Durch
arbeitung des Einfalls ist das Selbstverständliche,
und so war es auch hier. Im Juli des vorigen Jahres
konnte Urban mit Dietrich, der die praktischen und
die finanziellen Mittel und seine Fachkenntnisse zur
Verfügung stellte, die ersten gültigen technischen
Versuche machen, die die rechte Zusammensetzung
des Materials betrafen und die auf die gute Ablös
barkeit vom Mauerwerk und auf die einwandfreie
Isolierung ausgedehnt wurden. Es ging um die Her
stellung einer Kalkmörtelplatte aus Kalk, Quarzsand
und Marmorsand in verschiedener Körnung und Fär
bung in der Größe von etwa einem Quadratmeter,
die nicht zu dick sein und nicht brüchig werden durfte
und die ein mehrstündiges Bemaltwerden in den noch
feuchten, ungebundenen Mörtel zu ermöglichen hatte.
Im Mai endlich war das Ergebnis da: Plattengröße 90
zu 90 Zentimeter bei etwa 2Vü Zentimeter Stärke.
Diese armierte, dreifach geschichtete Kalkmörtel-
platte wird nach dreiwöchiger Abbindung auf der
Rückseite mit einem Isolierungsmittel bestrichen, das
der Zerstörung den Weg verschließt.
V'or knapp drei Monaten also erst konnten die
Künstler ans Werk gehen. In Grödig, am Fuße des
Untersbergs, in den weitläufigen Räumen der ehe
maligen Brauerei, wurden die Ateliers eingerichtet,
und zum erstenmal in der Schaffensgeschichte werk
ten, frei von allen Unzulänglichkeiten und Gefahren
des Gerüsts, wie über dem' Reißbrett oder vor der
Staffelei, Maler ihre Fresken. Jedem wurden sechs
der sogenannten Dur - Fresko - Platten zugewiesen.
(Beliebig viele können zu einem Bild zusammenge
fügt werden.) Mit Erdfarben, die mit klarem Kalk
wasser angerieben worden waren, wurde auf dem
noch feuchten Putz gemalt. Unter den Künstlern, die
die Premiere vorbereiteten, sind solche, die früher
schon, in Entwürfen oder in voller Ausführung, Wand
bilder geschaffen hatten, und solche, die sich zum
erstenmal mit dem Freskenmalen befaßten. Es be
arbeiteten die Platten: die Wiener Harta, Hauser,
Huber, Kitt, Mayer-Marton, Merkel, Pauser, Planckh,
Schatz und Zülow, die Salzburger Jung, Graf Sch.aff-
gotsch und Urban, der Grazer Silberbauer, der Pas-
sauer Worten und der Münchner Burkart, Sie alle
leisteten Gutes und Bestes, jeder auf seine Art und im
bevorzugten Darstellungsgebiet, Der eine setzte die
menschliche Figur monumental hin, der andere die
Landschaft, dieser baute bukolisch-idyllische Szenen
auf, jener geriet ins Gehäuft-Bildhafte und ein ande
rer, den immer zur Diskussion stehenden Gegensatz
für sich und in seinem Sinne entscheidend, neigte
sich dem Dekorativen zu. Die Mannigfaltigkeit des
sen, was in der Ausstellung zu sehen ist, besteht zu
recht: das Ausgestellte wendet sich an den vielfälti
gen Geschmack; wesentlich ist, daß der Rang der
Künstler, die in der Grödiger Werkgemeinschaft sind,
unbestritten ist.
Der künstlerischen Vollkommenheit muß sich die
technische gesellen: allen Anforderungen hat Genüge
zu geschehen. Dann wird die Salzburger Ausstellung
der bildenden Kunst werden können, was Carry
Hauser von ihr verlangt: erstes Signal, Weckruf der
wiedererwachten Malerei, Die technische Vollkom
menheit ist da, und zwei besondere Eigenschaften der
Dur-Fresko-Platte sind hervorzuheben; die Einbau-
möglichkeit selbst in Beton, daher die allgemeiner
Verwendbarkeit, und die Einfügung in gewölbte
Mauerteile, da jede Abweichung der armierten Platte
von der Ebene berücksichtigt werden kann. Im
Sprung wurde erreicht, was zweifellos Jahrtausenden
Wunsch, war. Und dazu die Unzerstörbarkeit! Der
ältere Plinius gab Rezepte und Verhaltungsmaß
regeln, Leonardo aber, der andere Alleswisser, der
stets Vorsichtigbesorgtberechnende, ließ dennoch, im
Refektorium von Santa Maria delie Grazia das Not
wendige außer acht, und überdies wurde das mit Oel-
farbe auf die Mauer gemalte Abendmahl in den kom
menden Jahrhunderten barbarisch behandelt.
Das neue Fresko m u ß, will es verlorenes Ter
rain zurückgewinnen und neues erobern, vorzüglich
gerüstet in den Kampf ziehen, Kampf — das ist keine
Phrase. Die Baukunst unsrer Tage lehnt — prinzi
piell betrachtet — das Bild ab. Nicht aus ursprüng
licher Abneigung und nicht immer aus Gleichgültig
keit. Der Kampf wurde nicht leichtfertig heraufbe
schworen, und — es ist so in allen Entwicklungs
stadien der Kunst — nicht die Willkür führt ihn. Das
muß gerechterweise gesagt sein. Hier geht es nicht
nur um das Ansehauen oder Nichtanschauen von
Bildern, es geht, letzten Endes, um Lebens- und um
Weltanschauungsfragen. Eben deshalb aber muß alles
getan werden, um aus dem Kampffeld zu beseitigen,
was der Annäherung und dem endlichen Frieden hin
derlich ist. Das kubische Betonhaus mit den glatten,
kahlen Wänden hat sich mitunter auch entgegen
kommend gezeigt; es sei nur auf zwei Tatsachen ver
wiesen: auf Kandinskys abstrakte, auf Ozenfants
puristische Bestrebungen, denen ein rechtes Ver
ständnis entgegengebracht wurde. Wogegen sich ein
Teil der Ärchitektenschaft wehrt, ist: das Unzusam
menhängende von Bild und Raum. Das Rahmenbild
darf nicht eine aufgeschwemmte Insel im Meer der
Zimmerwand sein. Das Rahmenbild zunächst wird in
Acht und Bann getan. Der Maler, als der Betroffene,
empfindet die Zurückweisung schwer. Der Maler —
und das gilt auch für den Graphiker und für den Bild
hauer, dort wo sie mitbetroffen sind — stets aufs
Neue geboren, aus psychischen Urgründen Vordrin
gen d in den Schaffensbereich, kann den Widerstand
gegen seinen Mitteilungsdrang nicht recht begreifen.
Nicht begreifen, daß sich die Architektur, Mutter
aller Künste, gegen ihre Kinder wende. Nicht be
greifen, daß Tatsächlichkeiten, und seien sie selbst
Notwendigkeiten von heute, nicht durch neue Mög
lichkeiten beseitigt werden könnten. Er empfindet
die Vereinsamung der Künste als eine Gefahr vor den
Kunstfreunden, und er reicht dem Architekten die
gute, brüderliche Hand. Da er, Nietzsches Wort fas
send, nicht nach seinem Glücke, da er nach seinem
Werke trachtet, will er den Frieden, der dann erst
recht, und nicht nur ihm, Glück brächte. Denn jener
I eil des Glücks, der das Schaffen in Ruhe und im ge
sicherten Kreise bedeutet, ist heute rar geworden.
Der Streit um die Wand ist durchschrillt vom Diskant
der Verelendung der Wirtschaft.
Der Gegenmaler darf nicht gezüchtet werden.
Die Menschen, denen,, wie dem Maler, ein starker
Schautrieb eingeboren ist, rufen zur Befriedigung
ihrer Sehlust, das Bild auf den Plan, und zunächst
auf den Plan der leergewordener: Wand. Hier nun,
hier, setzt der aktualisierte Kampf ein. Und da er
sich aus dem Wert des Kampfmittels entscheiden
wird, zeichnet sich zweifellos der Sieg des Malers
vor. Die bewegbare Wandmalerei, das neue Fresko,
eben das Urban-Dietrichsche Produkt, gehoben aus