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INTERNATIONALE SAMMLER - ZEITUNG 
Nr. 23 
Die JCoepli~*/luktion in Zürich. 
Man schreibt uns aus Zürich : 
Die Versteigerung, die das bekannte Mailänder 
Antiquariat Ulrico Hoepli am 16, und 17. Novem 
ber im Zunfthaus „Zur Meise“ veranstaltete, nahm 
bei reger Beteiligung einen erfreulichen Verlauf. Be 
sonderes Interesse bekundete die Schweiz selbst, so 
daß ein namhafter Teil der verkauften Stücke im 
Lande bleibt. 
Von den französischen Stichen des 
18. Jahrhunderts erreichte den höchsten Preis 
von 16.000 Francs das berühmte Bildnis der Königin 
Maria Antoinette, ein magistraler Farbstich von J a - 
n in e t. Ein anderes Blatt dieses Künstlers brachte 
2010 Frcs, Von Bonnet, dem Virtuosen in der 
Kreidezeichnung und Pastellen, erzielte „Das Mäd 
chen mit der Rose“ 2700 Frcs. Zwei Genrebilder 
brachten 4000, die vier „Mahlzeiten“ 6500 Frcs. Sein 
Hauptwerk, die als Bildnis der Marquise von Pompa 
dour geltende „Tete de Flore“, die vom Original- 
Pastell von Boucher kaum zu unterscheiden ist, er 
gab 12.400 Francs. Zwei Stiche in Crayonmanier von 
Demarteau nach Huet („Madame Huet lisant 
une lettre“ und „La Laitiere“) wurden mit 1600 und 
1800 Frcs bezahlt, zwei Pendants von P. Care me 
mit 330 Francs, 
Auch die englischen Farbstiche erziel 
ten hohe Preise. So stiegen zwei Kinderbilder von 
Mariano auf 2000 Frcs, seine beiden Londoner Bil 
der auf 8600 Frcs, „The Disaster“ von W a r d, eines 
der seltensten englischen Farbstichblätter, brachte 
3400 Frcs, der „Pferdestall“ desselben Künstlers 2700 
Francs. Einzelblätter aus den „Cries of London“ von 
Wheatlev wurden mit 700 und. 900, aber auch 
mit 1500 und 1600 Francs bezahlt, Bildnisse von 
Bur ne mit 1500 und 2000 Frcs. 
Unter den illustrierten Büchern des 
18. Jahrhunderts stiegen die zweibändigen „Contes“ 
von La Fontaine mit den Illustrationen von 
Fragonard am höchsten (11.000 Frcs), „Daphnis 
und Chloe“ von Longus mit den Illustrationen 
des Herzogs von Orleans erreichte 9500 Frcs, ein 
Exemplar der schönsten O v i d - Ausgabe des 18. 
Jahrhunderts 6000 Frcs. Der farbig illustrierte „Tem- 
ple de Guide“ von Montesquieu brachte 2600 
Francs, die sechsbändigen „Fabeln von La Fon 
taine 1200 Frcs, eine Luerez-Ausgabe 1000 Frcs. 
Die gleiche Summe erzielten die „Portraits“ von Ser- 
gent; die Vade-Ausgabe wurde mit 1300 Frcs be 
zahlt. Hervorgehoben seien noch der vierbändige 
Cervantes (1050 Frcs), der zweibändige Bol 
le au und das Werk über Indien von Hodges (je 
1100 Francs), das zweibändige Blumenwerk von 
Buchoz (1490 Frcs) und „La Mort dAbel“ von 
Geßner in großem Format mit farbigen Illustra 
tionen (1600 Francs). 
Der Gesamterlös der Versteigerung betrug 
130.000 Francs, beziehungsweise mit dem lOprozen- 
tigen Aufschlag 143.000 Francs. 
Cuthers Totenmaske. 
In der alten Bibliothek der Marienkirche zu 
H a 11 e a. d. S. befand sich jahrhundertelang ein selt 
sames Bildwerk: Vor einem Tisch in einem Renais 
sancestuhl saß die lebensgroße Gestalt Luthers 
in Predigertalar und Doktorenbarett vor einer Bibel 
und schien zu schreiben. Das Gesicht des Refor 
mators wie auch die beiden Hände bestanden aus 
Wachs, während der übrige Körper aus Werg oder 
ähnlichen Stoffen hergestellt war. Das wenig 1 ge 
schmackvolle Schaustück, das man eher in einem 
Panoptikum vergangener Jahrzehnte als in einem 
Kirchenraum erwartet hätte, bildete immer wieder 
den Gegenstand eingehender Untersuchungen durch 
Gelehrte und Künstler, bis es in letzter Zeit endlich 
gelang, seinen Ursprung zu ermitteln und damit den 
Nachweis zu erbringen, daß es sich bei dem aus 
Wachs geformten Gesicht um die Totenmaske 
Luthers und bei den Händen ebenfalls um Natur- 
abgiisse handelte. 
Die Lutherfigur hat ihre eigene, merkwürdige 
Geschichte. Als der Reformator am 18, Februar 1546 
in Eisleben gestorben war, wurde der in Halle le 
bende Maler Lukas Furten a ge 1, ein geborener 
Schwabe, durch einen reitenden Boten der Grafen 
von Mansfeld an das Sterbelager gerufen, wo er das 
Antlitz des Toten zeichnete — das ergreifende Blatt 
gehört heute zu den Kostbarkeiten des Berliner 
Kupferstichkabinetts — und die Abformung des Ge 
sichtes und der Hände in Wachs vornahm. Beide 
Abgüsse brachte Furtenagel vermutlich mit nach 
Halle, und hier wurden sie nach einer erhaltenen 
Ratsrechnung vom Jahre 1663, also volle 120 Jahre 
später, jener wunderlichen Puppe aufmontiert. Da 
die Totenmaske in ihrer originellen Gestalt für die 
sen Zweck nicht zu verwenden war, wurden von un 
bekannter Hand einschneidende Veränderungen an 
ihr vorgenommen. Den im Tod geschlossenen 
Angen setzte man gefärbte Glasaugen ein; ange 
klebte Brauen und Wimpern aus Haar sollten den 
Eindruck des Lebenden verstärken; das Gesicht er 
hielt ein Hinterhaupt mit gleichfalls aufgeklebter 
Perücke. Diese barbarische Umgestaltung der 
Totenmaske, die dem barocken Geschmack der Zeit 
entsprach, hatte zur Folge, daß man das Bildwerk 
lange Zeit für Phantasie hielt, ohne seinen histori 
schen Wert zu erkennen. 
Erst die in den letzten Jahren angestellten Unter 
suchungen der Halleschen Professoren Ficker 
(früher in Straßburg) und Hahne haben Licht in 
die Sache gebracht. Hahne beseitigte selbst die Zu 
taten an der Maske und stellte einwandfrei fest, daß 
es sich um einen Naturabguß handle, der mit 
der Zeichnung von Furtenagel in allem Wesentlichen 
übereinstimmte. Auch der bekannte Münchner 
Maler Professor Karl B a uer kam auf Grund eigener 
Untersuchungen zu diesem Ergebnis. Nach seinem 
Gutachten (Luthers Aussehen und Bildnis) wurde 
die Maske zu spät an dem Toten abgeformt, als die 
Züge bereits durch die beginnende Auflösung teils 
aufgequollen waren, teils sich zusammengezogen 
hatten. Die am meisten störende Veränderung er 
litt die einst eckig vorspringende Vorderstirn durch 
Herabstürzen der weichen Wachsmasse auf eine 
harte Fläche. Trotz dieser und anderer Beschädi 
gungen und nachträglicher Zutaten blieb der echte 
Luther-Typus jedoch erhalten; vor allem übertrifft 
nach Bauers Urteil die hohe und breite Stirn alle 
Darstellungen Cranachs an geistiger Ausstrahlung 
und überragender Höhe. 
Durch diese Gutachten und Feststellungen 
wurde der Kirchengemeinderat von Halle veranlaßt, 
Masken und Hände von der alten Figur abzulösen
	        
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