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INTERNATIONALE SAMMLER - ZEITUNG
Nr. 6
Die kleine, aber gewählte Kollektion von Sevres-
Geschirr enthält eine wundervolle Terrine und eine
Jardiniere in zartrosa Fondfarbe, dem sogenannten
Rose Pompadour aus dem Jahre 1757, in dem Chrou-
et die Erfindung glückte. Ein entsprechendes Stück
befindet sich im Besitze des Königs von England im
Windsor Castle. Important ist auch eine große apfel-
grüne Deckelurne aus dem Jahre 1773. Unter den
Meissner Figuren verdienen die prächtigen Pfauen,
Perlhühner, Papageien und Pirole als Paare und die
sehr seltene Papageiengruppe, wahrscheinlich nach
chinesischen Vorbildern, die meiste Beachtung.
Aus der langen Reihe der Meissner Gefäße seien
nur einige Hauptstücke herausgegriffen. Die beiden
stangenförmigen Augustus-Rex-Vasen aus der Zeit um
1725 lassen sich auf Grund einer bezeichneten
Bouillon und einer Laterne in der Dresdner Porzel
lansammlung mit dem Maler Johann Ehrenfried
Stadler in Verbindung bringen. Dem Satz der drei
großen, gelbgrundigen Augustus Rex-Vasen mit
Fabeltieren darf man internationale Bedeutung bei
messen, ebenso den beiden Augustus Rex-Vasen mit
Hafenbildern in blutrotem Fond, die zu dem gleichen
Satz gehören wie die bekannte A. R.-Vase aus der
Sammlung Darmstaedter, die im Jahre 1925 bei Ru
dolph L e p k e zur Versteigerung kam, Auch sonst
sind Geschirre mit verschiedenen farbigen Fonds in
großer Anzahl vorhanden. Die gelbe A. R, B e c h e r-
tasse mit farbigen Chinoiserien, einst in der Dresdner
Porzellansammlung, dann bei Dr. von Ostermann,
hat in Sammlerkreisen bereits eine gewisse Berühmt
heit erlangt. Von einem der besten Meissner Figuren
maler stammt der im Motiv gewagte, aber bravou
rös vorgetragene Chinesendekor des Bourdaloue,
dem sich gleichwertig der wohl von Johann Gregor
Heroldt gemalte Walzenkrug an die Seite stellen
läßt. Ein für die Geschichte der Meissner Gefäß
malerei hochbedeutsames Dokument ist der kapu
zinerbraun glasierte, voll gezeichnete, 1432 datierte
Walzenkrug mit Goldchinoiserien von der Hand des
Christian Friedrich, Höroldt. Im Zusammenhang
mit den Meissner Chinoiserien sei schließlich noch
auf die schlanke Schnabelkanne hingewiesen, die
wahrscheinlich vom Augsburger Hausmaler mit
schlecht haftenden trüben Emails und schwarzer
Farbe an Stelle des unnachahmlichen Meissner
Lüsters dekoriert worden ist. Die rote W, K.-Signa
tur am Boden wird, wie Ludwig Schnorr von
Carolsfeld, dessen Angaben wie hier folgen,
meint, eine Lösung des Rätseis ermöglichen.
Von großer Bedeutung sind auch die Gemäl
de der Sammlung, an deren erster Stelle zwei, im
Format etwas abweichende Gesellschaftsszenen von
Jean Baptiste Pater („Gesellschaft im Freien“ und
„Junge Leute im Freien") stehen. Sie variieren das
gleiche Thema, das Watteau, den genialen Lehrer
Paters, malerisch stets aufs Neue gereizt hat. Größe
res Interesse beanspruchen die beiden, mit Sepia
lavierten, voll gezeichneten, 1776 und 1778 datierten
Tuschzeichnungen von M o r e a u le Jeune „L'Accord
falt" und „Le Pari gagne“, Origmalvorlagen für den
Kupferstich zu „Monuments du Coslume“, dem be
rühmtesten Kupferstichwerk des 18, Jahrhunderts.
Von den 22 übrigen Zeichnungen Moreaus zu dieser
Folge befinden sich 21 in bekanntem Besitz, eine
weitere Zeichnung ist verschollen.
Aus der großen Zahl der farbigen Mezzotinto-
Drucke des 18. Jahrhunderts seien die Blätter von
Janinet nach Lawrence und Morland erwähnt,
die zu den gesuchtesten englischen Farbendrucken
gehören.
Cnglische Sammlungen.
Von den Kunstschätzen, die reiche Aristokraten
in englischen und schottischen Schlössern und Pa
lästen zusammengetragen haben, ist im. Laufe der
letzten Jahrzehnte vieles nach Amerika gegangen.
Aber noch immer findet man in Burgen, die übers
ganze Land verstreut sind, und in vielen .Privat
häusern der Städte prächtige Sammlungen, die den
Neid amerikanischer Multimillionäre erregen, Die
berühmteste dieser Kunstkollektionen ist in Chat s-
worth, dem Schlosse des Herzogs von Devon-
shire untergebracht, aber auch jene von Lingston
L a c y und von Corsham Court bei Bates, die dem
Lord Methuen gehört, haben kaum ihresgleichen.
In London freilich haben sich einige wundervolle
Sammlungen aufgelöst, so die Kollektion des Herzogs
von Westminster im Grosvenör House und die Hol
ford-Sammlung im Worchester House, da die Pa
läste, die sie beherbergten, niedergelassen wurden,
um einem Hotel, beziehungsweise einem großen
Wohnhaus Platz zu machen. Auch die sehenswerte
Sammlung des Grafen Worte rbrook im ehe
maligen Landsdowne House, das heute dem Waren
hauskönig S e 1 f r i d g e gehört, mit ihren kostbaren
Gemälden und den einzigartigen antiken Plastiken
existiert nicht mehr. Daß aber nicht alle Teile der
aufgelassenen Kollektionen ins Ausland gingen, daß
manch wertvolles Stück aus altenglischem Besitz,
das sonst an der anderen Seite des Ozeans zum
Vorschein gekommen sein würde, im Lande blieb,
ist vor allem das Verdienst eines Mannes, dessen
Adel zwar sehr jungen Datums war, der es jedoch
verstand, die kunstsinnigen Traditionen der alten
Aristokratie würdig fortzusetzen,
Der einzige, der auch nach dem Kriege in
London in der Lage war, wie ein Amerikaner zu
sammeln, das heißt, Kunstschätze erwerben konnte,
ohne daß die Preise für ihn eine Rolle spielten, war
Earl of Iveagh. Ursprünglich hieß dieser Mäzen
Guinneß und war Bierbrauer. Auch jetzt noch
sieht man in London die Plakate mut dem Glas
schwarzbraunen Bieres, nach dem eine Hand ver
langend greift. Unter diesem Bilde prangt der Name
Guinneß. Die Biererzeugung verschaffte Guinneß
große Reichtümer und ermöglichte es ihm, zahlreiche
wohltätige Werke zu tun. Er wurde in Anerkennung
dieses Wirkens zum Lord erhoben und einige Jahre
später wandelte er sich in Edward Cecil First Earl
of Iveagh, Der neugebackene Graf erstand Ken
Wood, den wunderschönen alten Park mit herrlichem
Schloß in Hamp'stead, und schenkte den Besitz mit
samt einem Betrag von 50.000 Pfund Sterling zur Er
haltung der Stiftung als Iveagh-Legat der Allgemein
heit. Das Haus, im Stile der Mitte des ‘18. Jahr
hunderts gebaut, ist schon für sich allein eine
Sehenswürdigkeit. Das Innere birgt erlesene Kunst
schätze. Doch betritt man nicht etwa ein Museum.
Earl von Iveagh legte Wert darauf, eine alte Kultur
vor Augen zu führen, wie es sich für ein adeliges
Haus mit Tradition paßt. Er wollte das Publikum in
die Atmosphäre eines wirklich vornehmen Patrizier
hauses versetzen. Die Folge dieser stolzen Auf
fassung ist eine überaus gelungene Kombination, die
einen würdigen einfachen Stil mit den glänzendsten
und effektvollsten Kunstwerken vereint.
, Solch eindrucksvolle Manifestationen der alt-
I englischen Tradition, Meisterwerke der bildenden