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INTERNATIONALE SAMMLER - ZEITUNG
Nr. 1718
chinesischen Porzellanköpfe und der Tabakdosen
zu 100 Louisdor zurückzuführen ist, die der Malerei
geschadet haben.“ Tatsächlich wurde zu jener Zeit
viel malerisches und zeichnerisches Talent auf die
Tabakdosen verwandt.
Wie schon bemerkt, war Friedrich der
Große ein leidenschaftlicher Schnupfer, und im
Museum zu Stendal wird eine umfangreiche Kollek
tion der verschiedenen Tabakdosen von ihm aufbe
wahrt, Folgende kleine Anekdote wird erzählt:
Eines Tages sah der König aus dem Fenster, wie
einer seiner Pagen aus seiner (des Königs) Tabak
dose eine Prise nahm. „Gefällt dir die Dose?“ fragte
er den Pagen, der zuerst ganz bestürzt war, dann
aber doch zugab, daß er sie schön fände, „Nun, so
nimm sie dir“, war die Antwort des Königs, „für uns
beide ist sie zu klein.“
Bald war man sogar so weit gekommen, daß
man die Tabakdosen mit in die Brautausstattungen
aufnahm, und die Ausstattung der Königin Marie
Antoinette wies die stattliche Zahl von 52 gol
denen Tabakdosen auf. Die Tabakdosen bildeten
auch ein beliebtes Geschenk an die Künstler und
Musiker, mit dem zum Beispiel auch Mozart bedacht
wurde. Es gehörte schließlich zum guten Ton, nicht
nur eine luxuriös ausgestattete Dose, sondern eine
ganze Auswahl zu haben, sodaß man immer wieder
wechseln konnte. Auch für Sommer und Winter
waren die Tabakdosen verschieden. Im Sommer
leicht, im Winter schwer.
Bis zur Revolution im Jahre 1830 spielte die
Tabakdose auch in der Politik, bei den verschie
denen Verschwörungen eine Rolle. Man hatte Ta
bakdosen ä la Bastille und mit entsprechenden De
visen geschmückt, zum Beispiel „Menschenrechte*
„Ca ira“ usw. Tabakdosen mit den Bildern von
Mirabeau, Charlotte Corday, Marat usw, waren üb
lich, und die Schnupftabakdosen der Sansculotte« als
Dosen des Proletariats trugen die Bilder der Volks
führer Danton, Camille Desmoulins usw. Unter dem
Direktorium wurde auf den Tabakdosen die erste
Ballonfahrt, die Assignaten, Madame Angot und an
dere Zeitereignisse dargestellt. Sogar die Verfassung
wurde auf Tabakdosen verherrlicht.
Von Napoleon wurde erzählt, daß er als
Konsul häufig bei den Sitzungen des Senats anwe
send war. Wenn ihm die Verhandlungen zu lange
dauerten, oder ihn langweilten, machte er diesem
oder jenem Mitgliede durch Zeichen verständlich,
daß er ihm seine Tabakdose reichen möge. Wenn
er die Dose in den Händen hatte, vergnügte er sich
fünfzig neue Zeilen
Eine Steintafel mit fünfzig neuen Zeilen
des babylonischen Gilgamesch-Epos wurde
bei Ausgrabungen in Kisch gefunden.
Das Heldenlied, wohl die älteste Abenteuerge
schichte der Weltliteratur, erzählt von den wunder
baren Fahrten und Abenteuern des Gilgamesch, des
sagenhaften, als Halbgott verehrten Königs von
U r u k in Südbabylonien. Er beschreibt seine
Schlachten mit schrecklichen Ungeheuern, berichtet,
wie er die Gewässer des Todes überquerte und die
Kräuter, die Greise wieder jung machen, fand und
wieder verloren.
Stephan L a n g d o n, Professor der Assyriologie
an der Universität Oxford und Leiter der Expe
dition, erklärte einem Berichterstatter, daß die auf
gefundene Steintafel offensichtlich einen Teil der ur-
damit, ihr Tabak zu entnehmen, den Deckel sprin
gen zu lassen, um schließlich in Gedanken die Dose
in die Tasche zu stecken. So erging es oft zwei oder
drei Dosen in einer Sitzung. Natürlich gingen die
Dosen später an ihre Besitzer zurück. Da aber die
Räte doch für ihre Familientabakdosen fürchteten,
wurde es bald zur Gewohnheit, zur Sitzung nur 25-
Sous-Tabakdosen mitzubringen, Napoleon wurde
auch auf vielen Tabakdosen dargestellt, nicht nur
als erster Konsul und als Kaiser, sondern auch im
Exil, Später noch kam seine Popularität darin zum
Ausdruck, daß Tabakdosen hergestellt wurden, die
die Form seines Hutes aufwiesen. Um 1830 ver
schwand die runde Tabakdose mit Porträts und
machte der ovalen Form, mit Scharnierdeckel Platz,
und 1854 waren die Formen schon sehr mannig
faltig.
Die einfachste Form der Tabakdosen in Deutsch
land bestand aus Papiermache. Natürlich gab es
auch hier Liebhaber, die, dem in Frankreich gege
benen Beispiele folgend, Tabakdosen mit reicher
Ausstattung benutzten. In Frankreich wurden um
das Jahr 1865 herum etwa 250.000 Dutzend einfache
Tabakdosen aus Papiermache im Jahre hergestellt
Eine einfache Form, die sich über ganz Deutschland
verbreitete, kam zuerst in Straßburg auf. Es waren
die teilweise noch heute gebräuchlichen Dosen aus
Birkenholz, die wegen des am Deckel befindlichen,
zum Aufziehen bestimmten schwarzen Lederstreifens
„Rattenschwanz“ genannt wurden. Heute findet
man die berühmten Tabakdosen, die ein Stück
Kulturgeschichte repräsentieren, nur noch in Samm
lungen vertreten.
Nicht nur in Europa begegnet man interessanten
Tabakdosen, auch in Asien sind solche bekannt.
In China kam das Schnupfen im 18, Jahrhundert auf.
Die chinesischen Dosen waren aus Porzellan mit
Verzierungen und mit einem lose aufliegenden
Deckel versehen, so daß man sie nicht bei sich tra
gen konnte. Selbst wenig kultivierte Völkerstämme
kannten das Schnupfen. So sind bei den Eskimos
Tabakdosen aus Birkenrinde und Knochen bekannt.
Ueberall wurde mehr und mehr das Tabakschnupfen
verdrängt durch das Rauchen, aber im Werdegang
der Tabakdosen spiegelt sich ein ganzes Stück Zeit-
und Kulturgeschichte wider und die einst so viel
gebrauchten wertvollen Tabakdosen, an die sich
manche persönliche oder geschichtliche Erinnerung
knüpft, wurden zu interessanten Objekten für den
Sammler oder Forscher.
des Silgamesch-Cpos.
alten Ausgabe dieses Epos bilde. Sie sei von beson
derer Bedeutung, weil sie die geheimnisvollen Aben
teuer des Gilgamesch aufklären dürfte, die, da Teile
der Inschrifttafeln verloren gegangen sind, in den
späteren Ausgaben nur unzulänglich wiedergegeben
werden, „Was wir von diesem Epos wissen“, fügte
Langdon hinzu, „verdanken wir hauptsächlich einem
Satz von Steintafeln aus dem ehemaligen Besitz
eines Königs von Assyrien, der etwa 650 v. Chr.
lebte. Es waren ursprünglich zwölf Tafeln, von denen
bisher nur Teile gefunden wurden. Manches ist frei
lich nur bruchstückweise auf uns gekommen. Die
Geschichte selbst ist natürlich viel älter als diese
Aufzeichnungen, und die jetzt in Kisch gefundene
Tafel mag etwa vor rund 4000 Jahren geschrieben
worden sein. Den Ursprung des Epos bilden Mythen