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Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde
Herausgeber: Norbert Ehrlich
25. Jahrgang Wien, 15. Mai 1933 Nr. 10
33ücherschätze.
Aus Frankfurt a. M. wird uns geschrieben:
Wenn die Erben des bekannten Lütticher Biblio
philen Chevalier Constantin Le P a i g e ihre schöne
Sammlung der Firma Joseph Baer & Co, zur Ver
wertung übergeben haben, so beweist das, daß auch
im Ausland noch die Zuversicht auf die Festigkeit
des Antiquariatsmarktes in Deutschland nicht ge
schwunden ist und daß besonders die alte, beinahe
150 Jahre bestehende, Frankfurter Firma trotz allen
politischen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten un
geschmälertes Vertrauen genießt.
Der Schwerpunkt dieser Bibliothek, die am 26.
Mai zur Versteigerung kommt, liegt naturgemäß in
dem niederländisch-belgischen Kreise; sie enthält
aber auch wertvolle französische Literatur, wie Erst
ausgaben von Balzac, Bossuet, Corneille, Pascal (Les
Provinciales), Rousseau und Voltaire, einige mathe
matische und astronomische Raritäten, wie den 1494
in Mailand zum ersten Male gedruckten Kommentar
zu Peurbachs Planetentheorie von dem Krakauer Ge
lehrten Albertus de Brudzewo, von dem der Ge
samtkatalog nur zwei Exemplare kennt, das nicht
minder seltene „Opus calculationum“ des S u i s e t h
(Padua ca. 1477) und die Erstausgabe der „Arithme-
tica“ des Boethius.
Der Katalog, der auch Doppelstücke einer deut
schen öffentlichen Bibliothek und einige Beiträge aus
anderem Besitze umfaßt, verzeichnet weiters Ame-
ricana, Inkunabeln, deutsche und französische Lite
ratur, Astronomie, Kunst, Musik, Reisewerke, Bodo
nidrucke, illustrierte Bücher des 15. bis 18. Jahrhun
derts, alte Medizin und Naturwissenschaften, Juris
prudenz und vieles andere. Das Prunkstück ist wohl
der schöne illustrierte Dante von 1493 in einem
gleichzeitigen vergoldeten Maroquinband, einem der
ältesten seiner Art, ähnlich denen, die für den König
Mathias Corvinus, wahrscheinlich in Neapel,
angefertigt wurden. Außerdem sind vorhanden ein
Kettenband, ein römischer Einband in der Art der
sog. Carnevari-Einbände, Bände von Deröme, Le
Gascon, Boyet, Padeloup, Roger Payne, ein Buch aus
der Bibliothek Napoleons und ein besonders illu
striertes Exemplar des 1803 in Paris erschienenen
Tasso in einem reich vergoldeten Maroquinband
mit Doublure von Courteval.
Von den Inkunabeln möchten wir besonders er
wähnen den 1481 in Rostock gedruckten Bernar-
dus und desselben Verfassers Predigten in hollän
discher Sprache, 1495 in Zwolle mit Holzschnitten
herausgegeben, die zu den schönsten niederländischen
Buchillustrationen des 15. Jahrhunderts gehören. Ein
weiteres niederländisches Holzschnittbuch ist der
holländische „Fasciculus temporum”, 1480 in Utrecht
gedruckt und von dem aus Würzburg gebürtigen
Drucker Veldener selbst illustriert. Das Proces-
sionarium ordinum praedicatorum, Venedig 1494, ent
hält feine Linienholzschnitte. Besonders selten ist die
französische Uebersetzung des „Hortus sanitatis“, die
in Paris bei Verard um 1500 herauskam, Unter den
Holzschnittbüchern des 16. Jahrh. ist die sog. „Divisie
Chronijk" von 1517 bemerkenswert, die man wegen
der Holzschnitte von Lucas van Leyden schätzt.
Ein auf Pergament gedrucktes Livre d‘heitres von
1513 enthält kolorierte Holzschnitte. Ferner seien
genannt der venezianische L i v i u s von 1506, die
Stumpff‘sehe Chronik von 1548, der Vesalius von 1543
und Schopper‘s Panoplia in der Erstausgabe, die
wegen Ammanns frühen Darstellungen von Handwer
kern gesucht wird, In schönem altem roten Maroquin
gebunden ist die Pariser Ausgabe von Ariost's, Or
lando furioso 1775—83. Die Sammlung weist auch
seltene Geographiebücher auf, so den Ptolemaeus von
1513 mit den frühen Karten von Amerika, den außer
ordentlich seltenen Atlas von Sanson et Jaillot 1690
und Richthofen‘s Werk über China, das fast nie voll
ständig vorkommt. Von der „Revue Waönerienne“ ist
ein besonders illustriertes Exemplar da, in das Por
träts und Autographen von fast allen Berühmtheiten
des Wagner ^Kreises eingebunden sind. Schließlich sei
noch auf die Erstausgabe von Trithemius ältestem
Werk über „Geheimschriften“ hingewiesen, die in
Darmstadt 1606 erschien und bisher als verschollen
galt.
Sehr reich ist die Sammlung auch an kunsthisto
rischen Werken, zumal wertvollen Büchern über Ar
chitektur, Handzeichnungen und Miniaturmalereien,
darunter das „Jahrbuch der Oesterreichischen Kunst
sammlungen“ und die Reihe des „Beschreibenden
Verzeichnisses der illuminierten Handschriften in
Oesterreich.“ Die Schätzungspreise sind der wirt
schaftlichen Lage entsprechend sehr niedrig gehalten,