Seite 50
INTERNATIONALE SAMMLER-ZEITUNG
Nr. 5
r en i u s um 200 Pfund erstand; ein arabisches Glas
brachte es auf 480 Pfund (Käufer Röchelte T h o-
mas), eine arabische Glasbowle aus dem 14. Jahr
hundert auf 2to Pfund (Käufer Gemeente Museum,
Haag), eine Kristallbowle mit Deckel, 15 Zoll hoch,
auf 220 Pfund (Käufer Mr. Ny bürg.) Geringeren
Anwert fand Meißner und Sevresporzellan, nur ein
Dinner- und Dessertservice, 225 Stücke aus Sevres,
stieg auf 175 Pfund. Eine französische Fayence, Krieg
Heinrichs II., geborsten und restauriert, von der nur
sehr selten Stücke in Privatsammlungen zu finden
sind, kaufte Mr. Borevius um 600 Pfund.
Bei den Möbeln gab es auch manche Ueber-
raschung. Der Auktionator bot sechs italienische Ses
sel aus Walnußholz aus dem 16. Jahrhundert mit
30 Pfund aus und teilte mit, daß zu 20 Pfund gesteh
steigert werde. Die Engländer gingen bis zu 300
Pfund — dann stockte die Kauflust. In diesem Mo
ment betrat Rosenberg den Saal und sofort
kam neues Leben in die Auktion. Rosenberg
erwarb die Sessel um 650 Pfund, er hatte ge
nau das Doppelte dessen gezahlt, was Baron Lioneil
Rothschild vor wenigen Jahren dafür erlegt hat. Die
herrlichen französischen Möbel fanden sehr willige
Käufer. Ein schöner Damenschreibtisch Louis XV.,
eingelegt, signiert C. Wolff (Käufer Mr. Frank Par-
tridge), erzielte 1025 Pfund, ein Schreibtisch Bonheur-
du-jour aus Tulpenholz, Louis XVI. (Käufer Mrs.
Moß Harris), 480 Pfund, der Ceres-Tisch, Louis XIV.,
in der Art Andre Charles Boulle, 670 Pfund (Käufer
Mr. Helft aus Paris).. Das bedeutendste englische
Stück, den Carl ton House-Sohreibtisch aus Mahagoni,
erwarb Lady Violet Henderson um 340 Pfund, eine
Serie europäischer Möbel in indischer Art brachte
567 Pfund, ein italienischer Kristalleuchter aus dem
17. Jahrhundert, gezeichnet F. Rinnadi, F. A. D.,
1648', Milano (Käufer Mr. Heß), 340 Pfund, ein acht
armiger Bronzeleuchter, Louis XV., von Benoyst Giron,
Paris (Käufer Dupont), 1200 Pfund und eine Augs
burger Glocke aus dem 16. Jahrhundert, in Metall-
kassette (Käufer GoldschmidtJ, 620 Pfund.
Alfred von Straßer.
Die Reihen der großen Wiener Sammler lichten
sich zusehends. Nach Dr. August Heymann ist
jetzt Alfred S t r a ß e r von Sanczy von uns gegangen.^
Galt jener als Typus des Viennensia-Sammlers, so
kann man diesen als Bahnbrecher des Miniaturen-
Sammelns bezeichnen. Gewiß, eine ausgesprochene
Sammlernatur, wie es Straßer war, konnte sich nicht
vollends auf eine Kunstgestaltung spezialisieren, er
sammelte alles, was Kunstwert besaß, Bilder und
Bronzen, Porzellane, wie kostbare Erzeugnisse des
Kunstgewerbes — in seinem Palais in der Strohgasse
konnte man unter vielen anderen Kunstschätzen
Prachtgemälde, wie Bouchers ,,Die Pompadour
als Göttin der Musik“, Nattiers „Marquise Beau
fort“, Jan Dycks „Porträt der Mrs. Tommlinson“,
eine Landschaft von Ruisdael, das Selbstporträt
Lenbachs bewundern, - aber sein Herz gehörte
den Miniaturen.
Straßer begann mit dem Sammeln von Miniatu
ren zu einer Zeit, wo man in Wien noch wenig dafür
übrig hatte. Ihm vorzugsweise ist es zu danken, daß
das Verständnis und die Liebe für diese Kunstgat
tung geweckt wurde. Daß er sich dadurch eine starke
Konkurrenz schuf, daß die Preise für Miniaturen
immer mehr in die Höhe schnellten, hat ihn nicht
beirrt. Für gute Sachen muß man auch gute Preise
zahlen, pflegte er zu sagen.
Welche Wandlungen die Miniaturenpreise er
fuhren, hat er in einem Artikel, den er für die
„Internationale Sammler-Zeitung“ schrieb (s. Nr. 1
vom 1. Februar 1909) und dem noch heute program
matische Bedeutung zukommt, selbst erzählt. „Im
Jahre 1893“, so berichtete Straßer, „starb Baron
Moritz Königswarter und hinterließ unter sei
nen Kunstschätzen einen Paravent mit einigen dreißi g
Miniaturen. Allerdings war die Mehrzahl derselben
bloß Kopien nach Gemälden von Nattier, Boucher,
Fragonard etc., aber sechs oder acht Stücke waren
erstklassige Meisterwerke, darunter zwei hervorragend
schöne Porträts von Daffinger. Die ganze Kollek
tion wurde damals von dem beeideten Sachverstän
digen auf 600 Gulden geschätzt; heute würde jeder
Händler gerne für die beiden Daffinger allein 8000
Kronen (also mehr als 12 fache) zahlen“.
Wie viele Miniaturen wohl Straßer zusammenge
bracht hat? Bei der Wiener Miniaturen-Ausstellung
im Mai 1924 marschierte er mit dem Kunsthändler
Leo Schidlof an der Spitze der Ausstellung — er
hatte 34 Miniaturen zur Verfügung gestellt und man
wußte, daß dies nur eine kleine Auslese aus seinen
Beständen war; sieben Jahre später, bei der Aus
stellung „Das gemalte Kleinporträt“ in der Natio
nalbibliothek stellte er 'sich mit nicht weniger als
296 Miniaturen ein.
Seiner Sammlung war denn auch im Katalog
ein eigener, vielseitiger Abschnitt gewidmet und Dr.
Leo Grünstein, der bekannte Miniaturen-Fachge-
lehrte würdigte sie in einem Vorwort nach Gebühr.
Er schrieb damals: „.Die Sammlung Straßer, die be
reits gelegentlich der ersten retrospektiven Miniatu
renausstellungen in Troppau, Wien, Berlin und an
deren Orten Interesse weckte, leitet einigermaßen
von der Buchminiatur zum selbständigen Kleinbilcl-
nis über, indem sie durch eine Anzahl von Miniatu
ren, die in Oelfarben auf Kupferplatte, in Guache-
malerei auf Pergament oder in Emailtechnik aus ge
führt wurden, die Anfänge miniaturistischer Kunst
übung im 16., 17. und zum Teil noch im 18. Jahr
hundert veranschaulicht und die Aufmerksamkeit auf
manches interessante, jedoch unsignierte Porträt ita
lienischer, französischer oder niederländischer Her
kunft lenkt.
Mit dem Aufkommen der Elfenbeintechnik, die
um 1700 einsetzt, verringert sich in der Sammlung
Straßer die Zahl der „anonymen“ Künstler. Das
Bildnismaterial aus der eigentlichen Blütezeit der
Miniatur (von 1750 bis gegen Mitte des 19. J.)
erleichtert die Prüfung der Individualität des Dar
stellers und trägt entschieden auch zur richtigen
Erkenntnis der Art und Persönlichkeit des Darge
stellten bei.
Einen bevorzugten Rang im Sammelkomplex
Straßers nahmen die englischen Miniaturisten ein.
Ein ausgezeichneter L. Crosse setzt die bekannte
Erscheinung der schönen Lady Lother, wie sie Sir
Peter Lely in einem großen Oelbild festhielt, ins
Miniaturistischeum. Männerbildnisse von Paillou,
Samuel C o a t e s oder C o 11 i n s stellen die Darge
stellten in den Rahmen ihrer Zeit und Umgebung.
Im Bildnis eines jungen Aristokraten kommt die