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INTERNATIONALE SAMMLER-ZEITUNG
Nr. 3
Sklave? Als Besitzer, als Besessener? Er darf alles
sein, nur nicht gleichgültig.
*
Nur zu oft und zu leicht macht, was dem Samm
ler gehört, ihn hörig,
*
Aktivität des Sammlers: aufspüren, aufwecken,
aufrütteln.
*
Sammler: König. Händler; Kärrner.
*
Sammeln, als Handwerk betrieben, kann er
lernt werden. Sammeln, als Kunst geübt, setzt Be
gabung voraus.
*
Die Marodeure des Sammlerheeres: der
marchand-amateur und der Fälscher.
*
Zur Typologie des Sammlers. Der Spieler, Der
Abenteurer, Der Eroberer, Der Organisator, Mit
allen Zwischenstufen, die sich aus den denkbaren
Kombinationen ergeben.
*
Der rechte Sammler ist produktiv, gedanken-
und geistvoll. Er ist schöpferisch, wie irgend ein
Künstler, Er hat die Launen, er hat den Starrsinn
im Verfolgen eines Zieles auch, wie dieser. (Beide
allerdings müssen Format haben.) Er kann, wie et
wa die Boisseree, im Grunde genommen unkünstle
risch empfinden und dennoch — seltsames Spiel! —
ein Kunstwerk aufrichten: eine vollendete Samm
lung; er kann, wie sie, einen neuen Gedanken for
mulieren, eine neue Form des Sammelns finden,
diesem eine neue Grundlage schaffen. So ist seine
Produktivität.
*
Die Verres-Natur im Sammler läßt ihn über
Leichen gehen. Sie läßt ihn aber auch für sein Werk
sterben. Er gibt eher sich auf als dieses. Das Werk
berührt das Ewige in ihm; seine Aufrichtung war die
Idee eines Lebens, das sonst sinnlos hätte sein kön
nen, Sinnvoll tritt der Tod vor, um das Werk zu
retten.
*
Welch eine Fülle von Erlebnissen erwächst
dem Sammler! Welch ein Kampffeld der Leiden
schaften ist in ihm! Welch eine Hölle verschlingt
ihn, den das Verlangen peinigt, welch ein Himmel
umfängt ihn, den die Erfüllung beglückt! Jede Er
füllung aber zeugt ein neues Verlangen, und der
aus sich Getriebene ist, ein andrer Ahasver, zur
Ruhelosigkeit verdammt.
*
Das Recht auf den Besitz dürfte, trotz allem,
nur dem zugestanden sein, der sich der Pflicht des
jederzeitigen Ausstellens (in einem, weitgefaßten
Sinn) bewußt ist.
*
Auch diese Kunst, auch die Kunst des Sam
melns, hat mit Ethik nicht viel und nicht immer zu
tun, und der unedelste, skrupelloseste Sammler kann
das herrlichste Werk schaffen. Der Erfolg entschei
det, wie in allem, was das Außen der Dinge betrifft.
Die Wirkung entscheidet; sie aber betrifft das Innen
der Dinge und der Menschen; mit ihr kehrt die
Ethik auf den verlassenen Posten zurück; diese ist
unabweisbar. War das ethische Prinzip, uner
wünscht und ungekannt, sogar in jenem Sammler?
War er, ohne, war er wider seinen Willen, dessen
Werkzeug?
*
Herr seines Schicksals und seiner Seele muß
der Sammler sein. Es ist ihm (den Wackenroder-
schen Ausdruck verwendend) gegeben, den Bilder
saal zum Jahrmarkt oder zum Tempel zu machen.
Seine Wohnung sollte (und dieses Wort klingt an
das Hevesis über Dumba an) eine Selbstbiographie
sein. Um im Bilde zu bleiben: ein Selbstbildnis,
*
Welch ein wundervolles Geheimnis, daß ein
Kunstwerk, verborgen, vergessen, anscheinend für
alle Zeiten verloren, ans Licht findet, um zu einem
Menschen zu finden.
*
Apologie des Sammlers. Aus dem Un-Geist hebt
sich der Geist. So sehr kann nie der Zufall am Ein
gang zum Sammeln gestanden haben, daß nicht, im
Äufbauen der Sammlung, Methodik und Systematik
freudig geübt würden. So sehr kann nie der Egois
mus gewaltet haben, daß nicht, an einer Biegung
des Gefühlsweges, plötzlich, überwältigend, der
Ausblick auf ein Allgemeines sich ergäbe. So sehr
kann nie die Gewalt der nur-materiellen Mittel ein
gesetzt worden sein, daß nicht ständig die Erkennt
nis wüchse, es geschehe ein Werk der Liebe.
jf:.
Der Sammler ; der große Liebende,
*
Es gibt eine Innigkeit der Beziehung zwischen
dem Menschen und dem Kunstwerk, die von allem
gelöst ist, was reine Liebe zu beschweren vermag.
In jener Region, wo nichts von der Bewußtheit eines
Wertes da ist, nichts, so paradox wie es klingt,
selbst von der des künstlerischen Wertes, dort, wo
nur Hingegebenheit, Hingerissenheit sind, dort ist
jener Sammler zu finden, der mit dem Hefzensauge
sieht. Dies ist sein Bekenntnis:
Was mir an dem Bild gefällt?
Dies und das. Ich weiß es nicht.
Rings um mich versinkt die Welt,
wenn es herzlich zu mir spricht.
Von der Uhrenkammer zum Uhren-JYZuseum.
Von Rudolf Kaftan,
Direktor des Uhren-Museums der Stadt Wien,
Als im Jahre 1911 in der „Internationalen
Sammler-Zeitung“ ein Aufsatz über eine außerordent
lich sehenswerte Uhrensammlung erschien, da dach
ten wohl wenige, daß diese Sammlung die Keim
zelle des heutigen Wiener Uhren-Museums werden
sollte.
Sammler und Uhrmacher hatten sich schon vor
mehr als 25 Jahren für meine aus Liebhaberei erwor
benen alten Uhren interessiert. Weitere Kreise wur
den aber erst aufmerksam gemacht, als es mir über
Einladung des Wissenschaftlichen Klubs ermöglicht
wurde, am 19, Jänner 1911 den ersten Lichtbilder
vortrag dieser Art mit Bildern von Uhren meiner
Sammlung vor einer stattlichen Anzahl von Uhren-