Nr. 3
INTERNATIONALE SAMMLER-ZEITUNG
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gut kannte, ließ nicht locker. Eines schönen Tages,
nach dem „Diebstahl", als wir Kinder gerade mit un
seren Eltern beim Mittagstisch saßen, klopfte es an
der Türe unserer im ersten Stock des Geschäfts
hauses liegenden Wohnung und herein trat niemand
anderer als der erlauchte Herr. Mit halb erregten
und halb launigen Worten trat er auf meinen ent
setzten Vater zu und sagte ihm ins Gesicht, er wisse,
wer der Dieb sei. Mein Vater wechselte die Farbe
und fiel von einer Verlegenheit in die andere. Doch
der Erzherzog klopfte ihm liebevoll auf die Schul
ter und sagte: „Wenn S‘ mit dem heiligen Florian
jetzt gleich herausrücken, so laß ich Sie nicht ein
sperren.' 1 Was blieb meinem Vater anderes übrig, als
den Bodenschlüssel zu holen und den heiligen Florian
ans Tageslicht zu befördern. Die Zwischenzeit war
tete der hohe Gast an unserem Mittagstisch und er
bat sich zur nicht geringen Freude der „Mutter Ma-
rischka 1 ', wie er sie ansprach, einen der eben am
Tisch stehenden „böhmischen Golatschen", den er
zur Freude von uns Kindern sich an unserem Tische
munden ließ. Die Figur, die mein Vater schweißtrie
fend vom Boden herunterschleppte, ließ der Erzher
zog gleich von seinem Haushofmeister in dem unten
wartenden Wagen verstauen, wobei er selbst noch
mit Hand anlegte. Betrübten Sammlerauges sah mein
Vater den hohen Gast von dannen ziehen und zog
sich resigniert mit seinem Ausspruch „Da nutzt nix“
zurück.
Doch ich wollte eigentlich die von Ihnen gestellte
Rundfrage über den Wert des Sammelns beantwor
ten und erzähle hier Jugenderinnerungen.
Ich selbst bin leidenschaftlicher und von dem
ethischen Wert des Sammelns überzeugter Sammler
auf mehreren Gebieten. Den Grundstock zu meiner
Theater- und besonders zu meiner Girardisammlung
legte mein Bruder Franz, mit dem im Vorjahre ein |
großer Kunstkenner und wirklicher Künstler auf dem
Gebiete der Wohnungs- und auch der Bühnenaas- j
stattungskunst dahingegangen ist. Von richtiger Lieb- j
haberfreude und von hohem Verständnis für Kunst j
in jeder Richtung erfüllt, sammelte er schon in frü
her Jugend insbesondere alles historisch und künst
lerisch Wertvolle, was mit dem Theater im allge
meinen und besonders mit dem von ihm und später
auch von mir selbst so sehr geliebten, unvergeßlichen
Girardi zusammenhing. In späteren Jahren, als ich
selber in die Theaterlaufbahn geriet, war es mir ver
gönnt, die von meinem Bruder Franz angelegte
Sammlung zu ergänzen und zu erweitern; ich glaube,
sie kann sich heute schon sehen lassen. Ist es weni
ger der materielle Wert meiner Sammlung, so ist es
der wirkliche theaterhistorische Wert, der mir sie
lieb und teuer macht. Sammelstücke von Beethoven
und anderen Musikheroen älterer und jüngerer Zeit,
ferner Erinnerungsstücke an Raimund, Nestroy, The
rese Krones, Fanny Elßler, die Gailmeyer, die Gei-
stinger, an Scholz, Matras und an andere Träger be
rühmter Namen finden sich hier vor, Insbesondere
sammle ich auch alles, was mit dem Ursprung der
Operette aus der Altwiener Posse und dem musikali
schen Lustspiel heraus zusammenhängt, wie Origi
nalpartituren, alte Notenstücke, Briefe von Kompo
nisten und Schriftstellern, Theaterzettel, Büsten be
rühmter Darsteller und sonstige Erinnerungsstücke an
dieselben, Aber auch meine Viennensia- und meine
Autogramm-Sammlung bereiten mir viel Freude und
oft sitze ich allein für mich und betrachte mir mit
unter auch wehmutsvoll einzelne Stücke meiner ge
liebten Sammlung, schöpfe daraus Erinnerungen,
aber auch Anregung für meine fernere Sammler
tätigkeit.
Eines ist uns Sammlern nicht abzuslprechen: Wir
handeln scheinbar aus einem inneren Bedürfnis her
aus, dem Leben schöne Seiten abzugewinnen, und
vielleicht wollen wir auch in gewisser Beziehung
erzieherisch wirken; wenigstens ich trachte, meinen
, Sprößlingen so viel als möglich die Lust und Freude
am Sammeln von Dingen beizubringen, die sie lehren
j sollen, Kunst zu verstehen und richtig zu genießen
j und die ihnen das Verständnis und die Lust zur
! eigenen Sammlertätigkeit geben können.
cBesitzer — besessener.
Von Max Roden,
Diese sind des Sammlers Normen:
das Entschwundene zu finden,
das Chaotische zu formen,
das Entbundene zu binden,
das Gelöste zu verneinen,
das Zerstreute zu vereinen.
*
Der Sammler steigt in die Zukunft auf, wenn
er in die Vergangenheit hinabsteigt. So auch lebt er
im Gegenwärtigen, rückschauend, vorsehend,
*
Das Kunstwerk wartet auf den Sammler.
Der Sammler sucht das Kunstwerk,
Der Sammler wartet auf das Kunstwerk.
Das Kunstwerk sucht den Sammler.
*
Der Mäzen kann, muß aber nicht Sammler
sein. Der Sammler kann, muß' aber nicht Mäzen
sein. Dieser neigt sich dem Schaffenden, jener dem
Geschaffenen zu.
*
Von einem bestimmten Punkt der Entwicklung
an schafft, wie man weiß, nicht mehr der Verkehr
die Verkehrsmittel, sondern diese schaffen den Ver
kehr. So auch schafft, unter den rechten Umständen
und aus der Macht einer Persönlichkeit, nicht die
Fülle der Kunstwerke den Sammler, sondern dieser
fördert, Mäzen, die Entstehung von Kunstwerken,
die er für sich in Anspruch nimmt. Er ist Kunst-
Freund auf dem Umweg über die Freundschaft des
Künstlers.
*
Der Künstler ist Flottwell, der Sammler Har-
pägon. Das ist ein geläufiger, wenn auch allzu ge
fällig-einseitiger Aspekt. Es ist darin eine Spiege
lung des Sohn-Vater-Kampfes. Es ist eine Vorweg
nahme, eine voreilige Umkehrung jener andern Ge
läufigkeit, die in dem Sprichwort gegeben ist, daß
der Sammler seinen Verschwender haben will. Hier
ist ein Ansatz zur Charakterologie des Sammlers.
*
Wie verhält sich der Sammler zu seiner Samm
lung? Wie bewegt er sich in ihr? Freien Schritts,
gehemmt? Stolz, gesenkten Blicks? Als Herr, als