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Nr. 3 
INTERNATIONALE SAMMLER-ZEITUNG 
Seite 27 
gut kannte, ließ nicht locker. Eines schönen Tages, 
nach dem „Diebstahl", als wir Kinder gerade mit un 
seren Eltern beim Mittagstisch saßen, klopfte es an 
der Türe unserer im ersten Stock des Geschäfts 
hauses liegenden Wohnung und herein trat niemand 
anderer als der erlauchte Herr. Mit halb erregten 
und halb launigen Worten trat er auf meinen ent 
setzten Vater zu und sagte ihm ins Gesicht, er wisse, 
wer der Dieb sei. Mein Vater wechselte die Farbe 
und fiel von einer Verlegenheit in die andere. Doch 
der Erzherzog klopfte ihm liebevoll auf die Schul 
ter und sagte: „Wenn S‘ mit dem heiligen Florian 
jetzt gleich herausrücken, so laß ich Sie nicht ein 
sperren.' 1 Was blieb meinem Vater anderes übrig, als 
den Bodenschlüssel zu holen und den heiligen Florian 
ans Tageslicht zu befördern. Die Zwischenzeit war 
tete der hohe Gast an unserem Mittagstisch und er 
bat sich zur nicht geringen Freude der „Mutter Ma- 
rischka 1 ', wie er sie ansprach, einen der eben am 
Tisch stehenden „böhmischen Golatschen", den er 
zur Freude von uns Kindern sich an unserem Tische 
munden ließ. Die Figur, die mein Vater schweißtrie 
fend vom Boden herunterschleppte, ließ der Erzher 
zog gleich von seinem Haushofmeister in dem unten 
wartenden Wagen verstauen, wobei er selbst noch 
mit Hand anlegte. Betrübten Sammlerauges sah mein 
Vater den hohen Gast von dannen ziehen und zog 
sich resigniert mit seinem Ausspruch „Da nutzt nix“ 
zurück. 
Doch ich wollte eigentlich die von Ihnen gestellte 
Rundfrage über den Wert des Sammelns beantwor 
ten und erzähle hier Jugenderinnerungen. 
Ich selbst bin leidenschaftlicher und von dem 
ethischen Wert des Sammelns überzeugter Sammler 
auf mehreren Gebieten. Den Grundstock zu meiner 
Theater- und besonders zu meiner Girardisammlung 
legte mein Bruder Franz, mit dem im Vorjahre ein | 
großer Kunstkenner und wirklicher Künstler auf dem 
Gebiete der Wohnungs- und auch der Bühnenaas- j 
stattungskunst dahingegangen ist. Von richtiger Lieb- j 
haberfreude und von hohem Verständnis für Kunst j 
in jeder Richtung erfüllt, sammelte er schon in frü 
her Jugend insbesondere alles historisch und künst 
lerisch Wertvolle, was mit dem Theater im allge 
meinen und besonders mit dem von ihm und später 
auch von mir selbst so sehr geliebten, unvergeßlichen 
Girardi zusammenhing. In späteren Jahren, als ich 
selber in die Theaterlaufbahn geriet, war es mir ver 
gönnt, die von meinem Bruder Franz angelegte 
Sammlung zu ergänzen und zu erweitern; ich glaube, 
sie kann sich heute schon sehen lassen. Ist es weni 
ger der materielle Wert meiner Sammlung, so ist es 
der wirkliche theaterhistorische Wert, der mir sie 
lieb und teuer macht. Sammelstücke von Beethoven 
und anderen Musikheroen älterer und jüngerer Zeit, 
ferner Erinnerungsstücke an Raimund, Nestroy, The 
rese Krones, Fanny Elßler, die Gailmeyer, die Gei- 
stinger, an Scholz, Matras und an andere Träger be 
rühmter Namen finden sich hier vor, Insbesondere 
sammle ich auch alles, was mit dem Ursprung der 
Operette aus der Altwiener Posse und dem musikali 
schen Lustspiel heraus zusammenhängt, wie Origi 
nalpartituren, alte Notenstücke, Briefe von Kompo 
nisten und Schriftstellern, Theaterzettel, Büsten be 
rühmter Darsteller und sonstige Erinnerungsstücke an 
dieselben, Aber auch meine Viennensia- und meine 
Autogramm-Sammlung bereiten mir viel Freude und 
oft sitze ich allein für mich und betrachte mir mit 
unter auch wehmutsvoll einzelne Stücke meiner ge 
liebten Sammlung, schöpfe daraus Erinnerungen, 
aber auch Anregung für meine fernere Sammler 
tätigkeit. 
Eines ist uns Sammlern nicht abzuslprechen: Wir 
handeln scheinbar aus einem inneren Bedürfnis her 
aus, dem Leben schöne Seiten abzugewinnen, und 
vielleicht wollen wir auch in gewisser Beziehung 
erzieherisch wirken; wenigstens ich trachte, meinen 
, Sprößlingen so viel als möglich die Lust und Freude 
am Sammeln von Dingen beizubringen, die sie lehren 
j sollen, Kunst zu verstehen und richtig zu genießen 
j und die ihnen das Verständnis und die Lust zur 
! eigenen Sammlertätigkeit geben können. 
cBesitzer — besessener. 
Von Max Roden, 
Diese sind des Sammlers Normen: 
das Entschwundene zu finden, 
das Chaotische zu formen, 
das Entbundene zu binden, 
das Gelöste zu verneinen, 
das Zerstreute zu vereinen. 
* 
Der Sammler steigt in die Zukunft auf, wenn 
er in die Vergangenheit hinabsteigt. So auch lebt er 
im Gegenwärtigen, rückschauend, vorsehend, 
* 
Das Kunstwerk wartet auf den Sammler. 
Der Sammler sucht das Kunstwerk, 
Der Sammler wartet auf das Kunstwerk. 
Das Kunstwerk sucht den Sammler. 
* 
Der Mäzen kann, muß aber nicht Sammler 
sein. Der Sammler kann, muß' aber nicht Mäzen 
sein. Dieser neigt sich dem Schaffenden, jener dem 
Geschaffenen zu. 
* 
Von einem bestimmten Punkt der Entwicklung 
an schafft, wie man weiß, nicht mehr der Verkehr 
die Verkehrsmittel, sondern diese schaffen den Ver 
kehr. So auch schafft, unter den rechten Umständen 
und aus der Macht einer Persönlichkeit, nicht die 
Fülle der Kunstwerke den Sammler, sondern dieser 
fördert, Mäzen, die Entstehung von Kunstwerken, 
die er für sich in Anspruch nimmt. Er ist Kunst- 
Freund auf dem Umweg über die Freundschaft des 
Künstlers. 
* 
Der Künstler ist Flottwell, der Sammler Har- 
pägon. Das ist ein geläufiger, wenn auch allzu ge 
fällig-einseitiger Aspekt. Es ist darin eine Spiege 
lung des Sohn-Vater-Kampfes. Es ist eine Vorweg 
nahme, eine voreilige Umkehrung jener andern Ge 
läufigkeit, die in dem Sprichwort gegeben ist, daß 
der Sammler seinen Verschwender haben will. Hier 
ist ein Ansatz zur Charakterologie des Sammlers. 
* 
Wie verhält sich der Sammler zu seiner Samm 
lung? Wie bewegt er sich in ihr? Freien Schritts, 
gehemmt? Stolz, gesenkten Blicks? Als Herr, als
	        
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