Nr. 5
INTERNATIONALE SAMMLER-ZEITUNG
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nach dem Trocknen Ueberflüssiges ab, Glätten mit
Falzbein, später eventuell A.ufrauhen mit Nadel oder
Bimsstein. Brotteig ist ungeeignet, ja durch die
Härte und Gärungsgefahr sogar gefährlich, wie auch
durch die Pilzbildung. Auch fällt er bald aus oder
verfärbt sich.
Risse erfordern eine ruhige, geübte Hand. Sie
roh zu verkleben oder zu unterlegen, ist unschön.
Das Papier muß angefeuchtet und mit Nadeln fein
gerichtet werden. Als Klebemittel nur reinen Klei
ster in starker Verdünnung benutzen. Evtl. Presse.
Was am einfachsten scheinen will — Risse wieder
zusammenzuflicken — ist in Wirklichkeit am
schwersten. Nichts ist erbarmungswürdiger als ein
schlecht geflicktes Blatt. Für wenig Geld fügt es der
Restaurator so zusammen, daß man den ehemaligen
Riß kaum mehr mit bloßem Auge erkennt. Und die
paar Pfennige spare man nicht — sie rentieren sich
jedesmal, wenn man das gut geflickte Blatt zur Hand
nimmt von neuem. Unterlegen kann jeder, gut zu
sammenfügen nur der geschickte Restaurator,
Bieg- und Bruchfalten befeuchtet man rück
wärts und läßt das Papier etwas anquellen. Nach
halber Trocknung bestreicht man die Rückseite mit
Kleister, der eingezogen wird oder mit Stärke. Denn
die Bruch- und Faltbewegung hat das Papier in
seiner Fasersubstanz gelockert, sodaß es einer Ver
steifung bedarf. Den Bruch kann man dann bügeln;
besser preßt man ihn. Gewöhnliche Falten und Knit
ter läßt man durchnässen und bügelt sie dann fest.
Kompliziertere Brüche mit Substanzverlust und
Durchrissen sind Sache des Restaurators, wie auch
solche mit verriebenem Bruch.
Kratzer und Griffelspuren können ein Blatt sehr
störend beeinträchtigen und sind oft schwer zu ent
fernen. Auf Blättern mit plastischem Druck sind sie
geradezu unreparabel. Man kann versuchen, durch
Anfeuchten und Anquellen die durch den Kratzer
koinptimierte Papiersubstanz wieder aufzulockern,
man kann dann versuchen, von der Rückseite her
mit dem Falzbein unter leichtem Druck auf Glas-
urderlage nach hinten beim Kratzer ausgewichenes
Papier wieder in die Fläche zu ebnen.
Das Ablösen aufgeklebten Papiers von der
Unterlage ist für den wenig geübten oder ungeduldi
gen Sammler eine Quelle von Beschädigungen seiner
Objekte. Man sollte das Ablösen eigentlich immer
dem Restaurator überlassen. Will m,an es in einzel
nen Fällen aber unbedingt selbst besorgen, so mache
man sich den Grundsatz zu eigen; immer von der
Rückseite her arbeiten. Man erweiche das Papier
oder den Karton, auf den das Stück aufgeklebt ist,
von hinten her, und zwar so, daß die Erweichung
nicht nach vorn durchnäßt. Dann ziehe man den ge
quollenen Karton mit dem Schabmesser vorsichtig
ab. Ist seine Lage nurmehr dünn, versuche man ihn
durch Reiben mit den Fingerspitzen vorsichtig
Schicht für Schicht abzurollen. Zuletzt Schaben und
dann, wenn die Leimschicht bloß liegt, verfahre man
wie oben bei Leim- und Kleisterflecken angegeben
worden ist.
Das Bügeln der gewaschenen oder befeuchteten
Stiche ist eine schwierige und riskante Manipula
tion. Leicht schlägt sich Glanz an oder das Papier
wird hölzern und hart. Darum vermeidet man das
Bügeln, wo es nur geht. Man ersetzt es durch Be
schweren des bügelfeuchten Stiches oder durch
Pressen desselben. Trotzdem glanzig gewordenes
Papier befeuchtet man wieder und massiert es dann
vorsichtig mit den Fingerspitzen wieder rauh, oder
man behandelt es mit feinstem Bimsstein.
Es sind dies die hauptsächlichsten einfachen
Restaurierungen, die sog. Zurichtungen, Jeder
Sammler sollte sie zum mindesten einmal selbst ver
sucht haben, schon um zu wissen, daß der Restau
rator der sicherere Weg ist. Und dann, um die viel
fältigen Erfahrungen nicht zu vermissen, die diese
Praxis ihm bringt.
Die Literatur über dieses Gebiet ist gering (und
für die Praxis nur anleitend, ohne schwere Lehr
gelder und Enttäuschungen zu ersparen]. Die aus
führlichsten Anleitungen gibt Lucanus (Haiberstadt
1882), dann Bernadot in seiner ,,Kunst Kupfer zu
restaurieren“ (Quedlinburg 1858). Auch Schall mit
seiner „Ausführlichen Anleitung...“ (Leipzig 1863).
Neuere Methoden veröffentlichen Joseph Meder in
seinem Werke über die „Handzeichnung“ (Wien
1919) und Ludw. Kainzbauer (Wien 1919). Die
Werke für Sammler von Holzschnitten, Radierun
gen und Kupferstichen (Leporini, Ehlotzky, etc.)
bringen ebenfalls Material. Auch H. W. Singer er
wähnt einiges in seinem Nachschlagewerke „Die
Fachausdrücke der Graphik“ (Hiersemann, Leipzig
1933) und das Jahrbuch für Bücherkunde und Lieb
haberei (Nikolassee b. Berlin 1909) bringt von A.
Bogeng eine interessante Tabelle über die Fleck
entfernung auf Papier und Stoffen. (Jahrbuch, Seite
136 ff.) Damit dürfte die deutschsprachige Litera
tur erschöpft sein, der sich dieser Aufsatz anschlie
ßen will. Die mir bekannte englische und französi
sche Literatur ist noch geringer und meist noch
weniger aufschlußreich. Bezüglich der Japandrucke
enthält die Kaiserl. Bibliothek in Yedo angeblich ein
größeres neueres (1900) Manuskript.
Worum ich den Sammler beneide . . .
Von Dr. Wilhelm Stekel (Wien).
Hat man Gelegenheit, viele nervöse Menschen
zu analysieren, so kommt man zu der überraschen
den Erkenntnis, daß diesen Kranken „Interessen“ 1
fehlen. Interesse ist ein Gefühlsmoment. Interessiert
sein heißt, emotionell an einem Vorgang beteiligt
sein. Interesse ist gleichbedeutend mit einem affek
tiven Vorgang. Nun, unsere Patienten haben eine
überwertige Idee, die sie beherrscht und allen an
deren Ideen den Affekt entzieht. Sie sind im Sinne
von Jung intravertiert, d, h. nach innen gekehrt.
Gelingt es dem Seelenarzt, sie für die Außenwelt zu
interessieren, sie also zu extravertieren, so ist der
Weg zur Heilung offen,
Die Menschen haben ein großes Bedürfnis nach
Affekten. Man könnte sagen, sie leiden an einem
chronischen Affekthunger. Abwesenheit der Affekte
erzeugt Langeweile, Gleichgültigkeit dem Leben
gegenüber, ja sogar Lebensüberdruß.
Glücklicher Sammler! Ich will nicht die Hinter
gründe deines Sammelns analysieren. Ich will nur
dartun, daß ich dich um das „Affekttheater“ be
neide, das dir deine Sammelmanie bietet. Was er-