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Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde 
Herausgeber: Norbert Ehrlich 
26. Jahrgang Wien, 1. März 1934 
Nr. 5 
Der Nachlass des J3arons %/llfred Ciebieg. 
Alter Wiener Patrizierbesitz wird aufgelöst. 
In dreitägiger Auktion (vom 20. bis 22. März) wird 
das Kunstbaus Artaria in Wien in der Woh 
nung, III., Pettenkofengasse 1, den Nachlaß des 
Barons' Liebieg versteigern. 
Baron Alfred Liebieg war Großindustrieller und 
bekleidete die Ehrenstelle eines deutschen General 
konsuls in Wien: er und seine Gattin Therese führ 
ten ein großes Haus und waren in der Wiener Ge 
sellschaft sehr geschätzte Persönlichkeiten. In kur 
zen Zwischenräumen starben die beiden Ehegatten 
und schon 1 1 - Jahre später folgte ihnen ihre ein 
zige Tochter und Erbin. 
Die Objekte, die nun zur Versteigerung gelan 
gen, wurden nicht in der Nachkriegs;- und Inflations 
zeit zusammengetragen: sie entstammen vielmehr 
dem Kulturbedürfnis eines mit Glücksgütern geseg 
neten Mannes, der es liebte, sich mit schönen Din 
gen zu umgeben und der in seiner Gattin eine ver 
ständnisvolle Partnerin gefunden hatte. 
So entstand im Laufe der Dezennien die mit 
erlesenem Geschmack zusammengestellte Einrich 
tung und ihre Ergänzung mit Kunstwerken aller Art, 
Gemälden, Aquarellen und Handzeichnungen alter 
und neuerer Meister, englischen und französischen 
Farbstichen, Gobelins, Möbeln, Teppichen etc. 
Vom Allgemeinen zum Speziellen übergehend, 
möchten wir unter den alten Meistern ein 
Trintychon herausgreifen, das im Mittelbild die Be 
weinung Christi und auf den Seitenflügeln die Stifter 
familie unter dem Schutze der Heiligen Petrus und 
Jakob zeigt. Es ist das Werk eines holländischen 
Meisters um 1520, der dem Kreis des Cornelis von 
Amsterdam und des Meisters von Alkmaar ange 
hört. Der Haarlemer Meister Jakob Duck ist mit 
einem seiner Hauptwerke, dem »Konzert«, vertreten, 
das durch die Reproduktionen bekanntöeworden 
ist. Von Lucas Cr an ach dem Aelteren fin 
den wir ein Brustbild des Kurfürsten Johann des 
Beständigen, von Robert Walker ein Porträt des 
durch die Kämpfe gegen die irischen Royalisten be 
rühmt gewordenen Herzogs von Albemarle. William 
Osten und Allan R a m s a y scheinen mit sehr 
guten Damenbildnissen auf. 
Unter den Bildern neuerer Meister wäre 
eine Küstenlandschaft von Andreas Achenbach, 
ein Bauerngehöft von Eugen J e 11 e 1 und ein fein 
ausgeführtes Madonnenbild nach Boltraffio zu er 
wähnen. 
Die Vorliebe Liebiegs für alte Handzeichnungen 
kommt in der außerordentlichen Anzahl und in der 
Qualität derselben zum Ausdruck. Ganz hervor 
ragend ist eine aquarellierte Handzeichnung von 
Hans H o 1 b e i n (Bildnis eines Schweizer Lands 
knechts, nach links gewendet, mit rotem Hut: links 
in alten, großen Schriftzügen H. Holbein). Vorzüg 
liche Blätter stellen auch van Dyck (Pferdestudie), 
Canaletto, Jordaens sowie Hubert Robert 
bei. 
Ein Kapitel für sich bilden die in den Salons 
hängenden französischen und englischen Farbstiche 
des achtzehnten Jahrhunderts. Es sind darunter 
Seltenheiten, wie der Mädchenkopf von Louis M. 
B o n n e t, die Farbstiche nach Huet von Demar- 
t e a u, die ungemein dekorativen englischen Stiche 
von B i g g, M o r 1 a n d, Ward und die Schwarz- 
weiß-Stiche der französischen Schule des achtzehn 
ten Jahrhunderts nach Baudoin, Freudeberg, von 
Bartolozzi u. v. a. 
Unter den Skulpturen wäre insbesondere 
eine weibliche Halbfigur von Emile Antoine Bour- 
d e 11 e hervorzuheben, die sich Baron Liebieg aus 
der berühmten Plastik-Ausstellung der Wiener 
Sezession im Jahre 1905 geholt hat. Der Brix r 
Meister ist durch zwei feine Holzskulpturen, Halb 
figur Christi und Halbfigur der trauernden Maria 
repräsentiert: eine Madonna mit Kind in Halbfigur 
wäre der Schule des Tullio Lombard! zuzuweisen. 
Ein interessantes Stück ist eine Helmglocke von 
einem Turbanhelm. 
Sieben prachtvolle Tapisserien, figurale und 
Verduren bilden den Wandschmuck der Patrizier 
wohnung. Die kostbarste ist eine Renaissance-Ta 
pisserie mit einer Darstellung der Alexanderschlacht: 
bewundernswert sind die auffallend kleinen Gestal 
ten. Die Werkstatt dieses Behangs konnte bisher 
nicht festgestellt werden, Die übrigen Verduren 
stammen meist aus dem Ende des 17. Jahrhunderts, 
beziehungsweise dem Anfang des 18. Jahrhunderts 
Aelteren Datums, etwa aus der Zeit um 1580, ist 
eine Verdure in der Art Grammont. 
Die zahlreichen Vitrinen sind mit edler Klein 
kunst gefüllt: Geräten in Silber und Gold, Glas, 
Fayencen, chinesischen und japanischen Geräten etc.
	        
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