Internationale
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Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde
Herausgeber: Norbert Ehrlich
27. Jahrgang Wien, 1. März 1935 Nr. 4/5
JCreuz und quer durch
J. A. Stargardt in Berlin faßt seine Be
stände an Autographen in einem Katalog (Nr. 353)
zusammen, dem er den Titel »Kreuz und quer durch
mein Autographenlager« gegeben hat.
Wandelt man so kreuz und quer durch dieses
Lager, so stößt man auf gar manches interessante
Stück. So begegnen uns gleich im ersten Abschnitt,
der »Von — a n« überschrieben ist, Briefe von
Ludwig XIV. von Frankreich an Marschall T u -
renne, von F r i e d i i c h dem Großen aji den
Herzog Franz von Lothringen, dem späteren
Kaiser Franz I., von Goethe an Göschen, von
Blücher an den preußischen Staatsminister Frei
herrn Kaspar Friedrich von Schuckmann, von
Metternich an Berthier, von Humboldt
an Schinkel etc. Wieland ist durch einen sehr
schönen Brief an Seume vertreten, der, krank und
finanziell bedrängt, einen verzweifelten Brief an
Wieland gerichtet hatte. Eine Sammlung der Briefe
Fontanes an Theodor S t o r m umfaßt außer 33
gedruckten zwei noch unveröffentlichte aus den Jah
ren 1855 und 1862,
Hochinteressant ist ein ungedruckter Brief Ri
chard Wagners an Heinrich Laube, den er als
den einzigen Menschen bezeichnet, dem er wirkliche
Freundesdienste zu danken hatte. »Ich halte Sie,«
schreibt er, »für einen der sehr wenigen recht
schaffenen Menschen, die mir begegnet sind.« Das
war 1867. Ein Jahr später verfaßt Wagner ein schar
fes Spottgedicht in vier Sonetten. Im dritten stehen
die Verse:
„O Welt! (Nun wende deinen Blick nach Sachsen,
vertrauensvoll Hass' ihn nach Leipzig schielen:
au'f jenem Feld, wo Leipzigs Krieger fielen,
dort hörst IDu bald das Gras der Kunst nun wachsen."
Das Gedicht endet:
„und Alles Alles eint sich dann in. sanftem Schacher,
bringst unter Leipzigs Stadttheater-Haube
Du mit der Kunst Dich, großer Heinrich Laube!"
Im zweiten Abschnitt, der »Von — über«
betitelt ist, finden wir Briefe Kretschmanns,
des »Barden Ringulph« an W. G. Becker über
Goethes »Hermann und Dorothea«. Da heißt es u. a,:
»Ueber Goethes Hermann und Dorothea bin ich mit
Ihrem Urtheille völlig einstimmend. Er hat Vossens
Louise nachgeahmt, aber nicht erreicht. Uebrigens
sind viele schöne Stellen darin , , .«
ein Jlutographenlager.
Jakob Grimm äußert sich in einem Briefe
über den »Hoffmannschen Skandal«: »was
ich auch geschrieben hätte, es würde ausgesehn
haben, als wolle ich ihn herabsetzen oder mich ver-
theidigen , . . ich würde mich schämen bedürfte es
Ihnen gegenüber erst der Versicherung, daß ich auf
ein haar so denke wie ich 1827 dachte, und mir im
geringsten nichts vorzuwerfen weiss in bezug auf
Hoffmanns plumpes, rücksichtsloses, alle gastfreund-
schafl verletzendes benehmen.« ... ....
Im Abschnitt »Manuskripte« sind 5% Sei
ten über die »Berliner Societät für Kritik«, deren
Leitsätze Bo er ne ablelint. Im Zusammenhang mit
dem behandelten Thema äußert sich Boerne in schar
fer, z. T, bissiger Weise über die deutschen Gelehr
ten und Kritiker im allgemeinen.
„Deutsche Rezensionen lassen sich in 4er Kürze mit
nichts treffender vergleichen, als mit dem Löschpapier auf
dem sie gedruckt sind ... Es löscht den Durst nicht, es ist
selbst durstig. Und) doch rühmen sich die Deutschen, die
besten Kritiker zu seynj Sie sind es auch, nur daß sie nicht
wissen sich als solche geltend zu machen, wie sie über
haupt nicht verstehen, zu zeigen was sie haben und zu
scheinen, was sie sind! Die iNatur hat die Deutschen zum
denken und nicht zu m schreiben bestimmt, und
blieben eie ihrer Bestimmung treu, würden sie ihre Ge
danke n r o h ausfü h r e n, und sie von (Franzosen und
Engländern verarbeiten lassen . . .
„In Deutschland schreibt jeder, der die
Hand, jz-u nichts Anderem gebraucht, und wer
nicht schreiben kann, rezensirt..."
Von Fontane ist das Manuskript von 109 Ge
dichten vorhanden, von denen über die Hälfte
ungedruckt ist; Goethe ist u. a. da mit einem ”
Gedicht »An Sie!« vertreten, das 1830 in dem von
Ottilie herausgegebenen »Chaos« abgedruckt ist Ein
Rarissimum ist ein 1% Seiten starkes Manuskript
von Klopstock. Von Schiller sehen wir den
Entwurf zu dem Trauerspiel »Die Maltheser«. Es
handelt sich um den zweiten, dritten und sechsten
Abschnitt der kurzen Zusammenfassung des zweiten
Entwurfes für das Drama, mit dem sich Schiller
15 Jahre, bis etwa 1803, beschäftigte und das un
vollendet geblieben ist.
Kreuz und quer durch das Autographenlager
gelangen wir zum »Ewig Weibliche n«, reprä
sentiert durch die Cheuvreuse, die Feindin Riche-
lieus und Mazarins, die »Liselotte«, Caroline Schle-