JAHRESBERICHT
des
k. k. Oesterr. Museums für Kunst und Industrie
für 1889.
Das Jahr 188g hätte für das Oesterr. Museum ein Jahr festlicher Freude
werden sollen, war es doch das fünfundzwanzigste seines Bestandes. Wir hatten uns
vorbereitet den Tag der Gründung (30. März) festlich zu begehen und alle befreundeten
Kreise an der Feier theilnehrnen zu lassen. Wir glaubten wohl ein Recht dazu zu haben
in Rückblick auf die verüossenen fünfundzwanzig Jahre, im l-linblicke auf alles das, was
in diesem Zeitraume durch das Oesterr. Museum geschaffen und angeregt werden.
Aber mitten in unseren Plänen zerstörte ein jähes Unglück, der plötzliche Tod unseres
erlauchten allverehrten Kronprinzen, unsere Absichten und verwandelte die Festfreude
in unbegrenzte Trauer. Nicht blos, dass wir alle Wünsche und Hoffnungen auf eine
erhebende Feier sofort mussten fallen lassen, das Museum hatte ia für sich zu trauern,
denn es verlor im Kronprinzen einen Freund und Gönner, den es so oft, erfüllt von
reger und liebenswürdiger Theilnahme, in seinen Mauern gesehen hatte, auf dessen
warme, thätige Freundschaft es für alle Zeit hitte rechnen können. Die Trauer über
den Verlust, den das ganze Reich fühlte, musste das Museum sofort miternptinden, denn,
als ob das Publicum wie gelähmt und betäubt für andere Interessen sei, blieb vom Tage
des unglücklichen Ereignisses der Besuch in auffallendster Weise aus.
Zu der Verringerung des Besuches in diesem Jahre wirkten freilich andere Ur-
sachen mit. Unsere Jubiläums-Ausstellung, von welcher näher die Rede sein wird, fand
eine Concurrenz in der gleichzeitigen, zu einem wuhlthatigen Zwecke geschaffenen Gold-
schmiedekunst-Ausstellung. Diese, ausgestattet mit überaus interessanten Gegenständen,
begünstigt durch eine ungewöhnliche Thatigkeit in der Presse wie in der Gesellschaft,
zog die größere Aufmerksamkeit auf sich und doch war auch sie durchaus nicht im
Stande die erhoffte Theilnahme zu erwecken. Das Resultat, welches sie ergab, stand in
keinem Verhältnisse zu dem Aufwande persönlicher Bemühungen, welcher für sie gemacht
war. Die Ursache lag einerseits wohl in der Ermüdung des Publicums und seiner Schau-
lust, vor Allem aber in dem Drucke, der allgemein auf den Gemüthern und insbesondere
auf der Industrie lastete und noch lastet. Die Aufgaben, welche der Kunstindustrie zu-
fallen, sowohl im lnlande wie für den Export, sind im Momente keineswegs befriedigend;
wir können den Klagen unser Ohr nicht verschließen und müssen sie wohl - ohne auf
die Ursachen einzugehen, welche außerhalb unserer Sphäre liegen - zum guten Theile
als berechtigt anerkennen.
Diese Umstände, dieser Druck der Zeit ließen unserer Jubiläums-Ausstellung nicht
die Theilnahme zukommen, welche sie verdiente und welche zu erwarten war. Als der
Tod des Kronprinzen eintrat, waren die Vorbereitungen zu dieser Ausstellung zuweit
vorgeschritten, um sie selber noch rückgängig zu machen. Es waren auf Bestellung von
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