I Aktuelles Kunstgeschehen I Österreich
Reiner Schiestl
Gleichzeitig mit der Ausstellung der Werke Starks
zeigte die Galerie Welz im ersten Stock Kohle-
zeichnungen von Reiner Schiestl. Diese in den
vergangenen drei Jahren entstandenen Zeichnungen
des 1939 in Kufstein geborenen Malers sind
vornehmlich Porträtskizzen von hoher malerischer
Wirkung. Schiestl meint selbst, daß „dem Porträt-
zeichner das spontane Lösen von Problemen t
aufgetragen wird, die sich aus dem Nebeneinander
scheinbarer Gegensätze ergeben: völliges Eingehen
auf einen Menschen und zugleich das Bewahren
der ästhetischen Distanz".
lJunilJuli 1976) - (Abb. 14)
Salzburg - Kunstverein
Josef Hassmann
Der 54iährige aus Böhmen stammende Maler ist ein
vorzüglicher Aquarellist; Locker und atmosphärisch
werden in „lmpressionen" aus dem Pinzgau,
aus Oberbayern wie auch aus Dalmatien
charakteristische Details festgehalten,
(Juni 1976) w
Tirol
Innsbruck - Landesmuseum Ferdinandeum
15. Österreichischer Grafikwettbewerb
Innsbruck
Von den 1123 eingereichten Grafiken der
403 Künstler wählten die Juroren Theo Kneubühler,
Luzern, und Dr. Tilman Osterwold, Stuttgart,
14 Preislräger aus. Alle ihre eingereichten Blätter,
weiters darüber hinaus die angekauften und
weitere 20 Grafiken wurden in einer Rahmenschau
gezeigt. Damit sollte ein Bild der österreichischen
Grafik, frei von Spekulationen und Effekten,
geboten werden, allein die Auseinandersetzung
im Formalen, mit der grafischen Technik, sollte
manifestiert werden. Das Problem Mensch und
Umwelt, sehr weit gefaßt, war allerdings gegeben.
Neben bekannten Namen konnten sich erfreulicher-
weise neue Kräfte durchsetzen. Die Ausstellung
wird im Laufe des Jahres in Landeck, Telfs, Reutte
und Kitzbühel gezeigt.
(23. 4.-9. 5. 1976) - (Abb. 15, 16)
Kärnten
Villach - Galerie an der Stadtmauer
Bernhard Hollemann
Wieder einmal stellte der bekannte Maler und
Grafiker aus Baden seine auf den Menschen
bezogene Zyklen, um viele neue Arbeiten bereichert,
aus, diesesmal erstmals in Kärnten. Die Blätter,
die sich kritisch mit Mensch und Umraum,
Technisierung und Vermassung auseinandersetzen
und bei denen Hollemann dem Betrachter gerne
ein Spiegelbild tierischer Instinkte vorhält,
fanden bei Presse und Publikum große Beachtung.
(11. 5.-3. 6. 1976) - (Abb. 17)
Steiermark
Graz - Neue Galerie
Wladimir Zagarodnikow
Der 1896 geborene Czernowitzer, der seit 1941 in
Graz lebt, kommt ideenmcißig von der Ikonen-
malerei und wandte sich einer eher zeichenhafteren,
abstrakteren Arbeitsweise zu. Auch die magische
Kraft der Hieroglyphe, in diesem Falle altslawischer
Schriftzeichen, hat in seinen Olbildern Eingang
gefunden. Diese werden von den von innen
leuchtenden Farben belebt, und die 33 Exponate
bezeugen, daß wir die Werke dieses Malers bis
ietzt viel zuwenig in der Öffentlichkeit sahen.
Es wäre begrüßenswert, wenn die Schau auch in
anderen Städten gezeigt werden würde.
(6.-30. 5. 1976) - (Abb. 18)
Hans Florey
Magisch-harmonikale Farbordnung 1973-1976
zeigt der 1931 in Salzburg geborene Florey,
der hauptsächlich als Musiker bekannt ist.
Die 33 ausgestellten Exponate sind kompositorische
Elemente in geometrischen und farbigen Reihungen
nach strenger mathematischer Ordnung. Es ist wohl
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kein Zufall, daß sich vom Zwölftonspiel Matthias
Hauers ein Faden zu diesen Hervorbringungen
spinnt und daß auch die Farbenlehre Adolf Hölzels
in einer Verfügbarkeit dazu gedacht werden kann.
Es handelt sich also um Analysen oder sichtbar
gewordenen Theorien.
(7.-30. 5. 1976) - (Abb. 19)
Oberösterreich
Linz - Neue Galerie
Herbert Bayer
In sämtlichen Räumen der Neuen Galerie zeigte
man etwa 250 Beispiele aus allen wesentlichen
Perioden des großen, aus Oberösterreich stammen-
den, 1900 geborenen Künstlers, der Lehrer am
Bauhaus war und ab 1938 in Amerika lebt.
Es waren aus den verschiedensten Arbeitsgebieten
des vielseitigen Künstlers Proben zu sehen.
Die Bilder zeigten die Entwicklung seiner surrealen
und konstruktiven Phasen. Dabei überraschten
Acrylbilder um 1958, die stark von Mirö abhängig
sind. Von den Fotomantagen aus den frühen
dreißiger bis in die späten fünfziger Jahre sprechen
am meisten iene surrealen Anordnungen von
verschiedenen Gegenständen an, die 1936
entstanden sind (Fotoplastiken). Sehr zu Recht
nahm sicher der konstruktivistische Teil einen
verhältnismäßig großen Platz ein. Die Gebrauchs-
grafik und die Ausstellungsgestaltung bewiesen,
wie früh Bayer Formen einsetzte, die erst viel
später Allgemeinut geworden sind. Fotos von
Architekturwerken und verschiedenartigen Garten-
anlagen rundeten das Bild des allseitigen Schaffens
dieses universellen Gestalters ab. Ein sehr
umfangreicher, guter Katalog, redigiert von Peter
Baum, liegt vor.
(12. 5.-12. 6. 1976) - (Abb. 20)
Niederösterreich
Schloß Pottenbrunn
Zwischenkriegszeit, Österreich 1918-1938
Eine historische Sonderausstellung, die an Hand
vieler Dokumente und Obiekte aus der Zeit der
Ersten Republik aufzeigt, wieso es zum Verlust
der österreichischen Eigenstaatlichkeit kam.
Eine Schau, die die kulturgeschichtlichen Zusammen-
hänge aufzeigt und an einer ganzen Reihe von
Beispielen auch dokumentiert, wie sich die Zeit
in den Werken ihrer Künstler widerspiegelt.
Neben interessanten und oft auch erschütternden
Obiekten aus dem politischen Alltag iener Zeiten
finden wir auch Olbilder, Holzschnitte etc.,
die in ienen Tagen geschaffen wurden und für sie
typisch sind, wobei so bekannte Namen wie Kubin,
Laske, Kokoschka, Boeckel u. a. vertreten sind.
Ein sehr informativer Katalog, gestaltet von
Dr. S. Nasko und Gotth. Fellerer, liegt auf.
(2. 4.-31. 10. 1976) - (Abb. 21)
Schulgalerie Kalksburg
Linde Waber
Die niederästerreichische Künstlerin hatte hier eine
Schau zusammengestellt, die zur kreativen
Betätigung herausforderte. So wurde etwa die Folge
des Arbeitsablaufes von der Zeichnung über
den Holzstock zum fertigen Druck demonstriert.
Die Besucher, eben meist Schüler, konnten die
Druckstöcke angreifen, die Arbeitsweise verfolgen,
den Kraft- und Arbeitsaufwand annähernd
ermessen und dabei die Präzision der Waber
bewundern. Etwa 30 Exponate aus verschiedenen
Arbeitsphasen zeigten dann das Resultat.
(8.45. 5. 1976) - (Abb. 22)
Mödling - Galerie Arcade
Hans Staudacher
Einer der wenigen österreichischen informellen,
der seiner Zeit voraus war und seiner Arbeitsweise
auch dann treu geblieben ist, da sie nicht mehr
en vogue war. Ein Querschnitt aus verschiedenen
Perioden. Besonders schön die sparsamen Blätter
voll Poesie, die oft an ostasiatische Sengai denken
lassen. Aber auch in seiner Einbeziehung von
Lettern und Schrift ist Staudacher ein Meister.
Daß er bei der Ausstellung „kunst und sprache"
im Museum des 20. Jahrhunderts nicht vertreten
war, spricht gegen die Aussteller und für Staudacher.
(4.-29. 5. 1976)
Baden - Kleine Galerie am Hauptplatz
Susanne Moser
Die Künstlerin, die schon einmal an dieser Stelle
Federzeichnungen ausgestellt hatte, zeigte diesesmal
durchwegs aauarellierte Blätter. Es handelte sich
dabei um sehr zart und strichelig mit Tusche oder
dem feinen Stift erfaßte Landschaften, die dann
mit einem duftigen Gewebe von Wasserfarben-
flecken überzogen wurden. Die angestrebte
Verdichtung wurde besonders dort erreicht, wo sich
die Farbe um wesentliche Punkte zentriert,
wie etwa bei „Im Thayatal" oder „Vom Bisamberg",
wobei das offene Verlaufen und Ausschwingen
dem Blattrande zu eine reizvolle Steigerung ist.
(21. 5.-23. 6. 1976) - (Abb. 23)
Göttweig, Stift - Grafisches Kabinett
Friedrich Danielis
Als 24. Jahresausstellung eine moderne Ausstellung:
Friedrich Danielis - „Weg nach Kythera".
Danielis, Jahrgang 1944, in London lebend,
vereint erstmals über109 Bilder aus Privatbesitz.
Arbeiten seiner letzten zehn Jahre zu dieser
Thematik in Eitempero, Aquarell, Pastell, Gouache
und Zeichnung. Das Thema seiner ungegenständ-
lichen Bilder basiert auf Antoine Watteaus
„Einschiffung von Kythera". Dies paraphrasiert er
vor dem Hintergrund eines P. P. Rubens, Giov.
B. Tiepolo, Petrarca, W. A. Mozart, Schubert und
Neslroy. Der farbige Ausstellungskatalog ist
„Reiseführer" nach dieser unbekannten Insel
Kythera, der Abschnitt „Die Wirklichkeit"
behandelt dieser Insel Geschichte, das Thema
„Paradies" ihre Ikonographie von Giorgione bis
Tiepolo und das Kapitel „Das Heimweh" Danielis':
eigenständige Auffassung dieser geistigen Kythera-
Landschaft als Chiffre. Die außerordentlich
sensiblen Bilder des Autodidakten Danielis zeichnen
sich aus durch ausgewogene, strenge Rhythmen
der Formen, durch außergewöhnlich leuchtende
Farbigkeit, durch Euphorie an Formen- und
Farbreichtum, die in ein Traumreich hineinsaugen,
in dessen Landschaft wuchernde Orchideen, ruhige,
spiegelnde Teiche, schwebende Kaskaden und
zarteste Akkorde iegliche Wirklichkeit
vergessen machen.
(2. 5.-3. B. 1976) - (Abb. 24) I.
A. V.
In memoriam Charles Lipka
Mit ihm ging einer, den man der schon seltenen
Spezies der wirklich stillen, im Abseits der
Kunstszene existierenden Künstler zuordnen durfte.
Ein reiches Leben, das mit 75 endete.
Lipka, Tiroler, lnnsbrucker von Geburt, lebte lange in
Italien, ging hinaus nach Paris, Berlin und Moskau.
ehe er Wien zu seiner Heimstatt wählte. Sein Name
wie seine unverkennbare künstlerische Sprache -
aus dem Expressionistischen kommend, zum
Phantastischen Realismus hin endlich ausgeprägt-
wurden, in den Anfängen des legendären Art-Clubs
verwurzelt, alsbald zum Begriff, obwohl er, ieder
Publicity abhold, nichts zu eigenem Ruhme tat.
Vielleicht, daß ihn seine Hinneigung zu allem
Ostasiatischen - er nannte sich Ha-tei - abklärte,
ihn mit zu ienem humanen Künstler formte, auf den
der Nächste, Künstler wie Mensch, zählen konnte.
Charles Lipka, Träger des Goldenen Lorbeers des
Wiener Künstlerhauses und dessen Ehrenmitglied,
ging auch „unauffällig", in aller Stille, so wie er
lebte, in diesem Spätsommer 1976 davon. n
Faistauer-Preis 1976
Der von der Salzburger Landesregierung geschaffene
Anton-Faistauer-Preis für Malerei wurde für das
Jahr 1976 an Herbert Steiskal und lnes Höllwarth
verliehen. w